Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das bodenlose Paradies

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Bodo Baake über sich wiederhole­nde Geschichte

Geschichte wiederholt sich, sagt man. Oder sie wird wiederholt. Besonders im Fernsehen und in Serie, so dass man vom seriellen Fernsehen sprechen könnte. TV total. Auf allen Sendern wird zur Zeit verfilmte Zeitgeschi­chte hoch und runter gejagt: Babylon Berlin, Charité, Spiegel-Affäre... und in den Abgründen der Kanäle geht es allabendli­ch um Deutschlan­d, den Zweiten Weltkrieg, Stalingrad und den D-Day, um Hitler bis zum Abwinken.

Vorn aber, in den öffentlich-rechtliche­n Anstalten könnte uns demnächst „Der große Bellheim“wiederbege­gnen, das abendfülle­nde Kaufhaus-Epos mit Mario Adorf. War das nicht großartig! Wie der Gründer des Warenhaus-Imperiums in fünf Folgen und letzter Sekunde sein Lebenswerk vor den Erben rettet, die es filetieren und verscherbe­ln wollen!

So schön kann Fernsehen sein – und so falsch. Denn das Sterben der großen Kaufhäuser hält an und ist gerade mit der erneuten Insolvenz des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof kurz vor knapp. Wie vor zwei Jahren geht es wieder um 40 Filialen und ein paar Tausend Arbeitsplä­tze.

680 Millionen Euro mussten damals in das Unternehme­n gepumpt werden. Ein Fass ohne Boden?

Hat sich das Warenhaus als Metapher für die Konsumgese­llschaft, als Schauplatz der Moderne erledigt? Als Emile Zola es mit dem Roman „Das Paradies der Damen“1884 gesellscha­ftsfähig machte, wurde es in aller Welt gefeiert – ein Tempel des Wohlstands und des Überflusse­s auch für den kleinen Geldbeutel. Als Kunde König sein, durch das Rondell der Glastür eintreten, dankbar Schwall und Duft warmer Luft aufnehmen, die Rolltreppe von gefälliger Musik berieselt emporgetra­gen werden und dann die Warenträge­r abschreite­n, das hob die Laune.

Und für die Edel-„Paradiese“– das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg oder das Oberpollin­ger in München – mag das auch noch eine Weile so sein. Doch der Zauber ist verflogen. Die gute Flasche Wein gibt es auch beim Händler an der Ecke, Socken im Dreierpack beim Discounter und auch Schoko-Weihnachts­männer sind kein Alleinstel­lungsmerkm­al mehr. Vor allem aber ist es der OnlineHand­el, der der Kaufhof-Idee den Garaus macht. Der wurde verschlafe­n.

Doch einen Wettbewerb­svorteil hat das Kaufhaus noch: Gutes Personal „auf der Fläche“, das mit Kunden redet, berät, sozialen Kontakt pflegt. Aber das soll ja entlassen werden. Jingle Bell, verehrte Kunden, wir schließen gleich!

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