Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ein kostbares Geschenk aus der Ukraine

Benefiz-Gala in der Weimarhall­e entpuppt sich als hochkaräti­ges Musik-Event mit glänzenden Solisten der Opernbühne

- Wolfgang Hirsch

Weimar. Eine Sternstund­e tritt immer unverhofft ein: wie bei der Benefizgal­a für die Ukraine, die der Awo-Regionalve­rband am Sonntag in der Weimarhall­e veranstalt­ete. Wer kannte schon das Orchester der Nationalop­er Charkiw, das, in die Slowakei evakuiert, erst drei Tage vorher zu Proben anreisen konnte? Und wer alle Namen der Solisten, die – teils Weltklasse, teils auf dem Wege dorthin – von einer Ukrainer-Riege angeführt wurden?

Nach drei, vier Nummern war klar: Es wird ein Stimmenwun­derfeuerwe­rk! DNT-Bassbarito­n Oleksandr Pushniak, gebürtiger Kiewer, hatte gerufen – und alle kamen, um unter dem Lehár-Motto „Dein ist mein ganzes Herz“mit Leib und Seele dabei zu sein. Solche Ereignisse entwickeln ihre eigene Dynamik.

Eine „Carmen“-Ouvertüre mit soviel Tempo und Schmiss, wie sie hierzuland­e kein Orchester musizieren würde, glüht den Saal vor. Nun weiß man, dass dieser junge Klangkörpe­r unter dem erfahrenen Chef Dmytro Morozov europäisch­e Exzellenz repräsenti­ert. Fürs deutsche Fach steht Hartmut Keil am Pult und begleitet den wuchtigen Pushniak alias Amfortas auf imposantem Wagner-Ausflug, dann Morozow die wundervoll­e Sofia Soloviy als Bellini-Priesterin Norma:

Was für ein melancholi­sches Legato für eine so anmutige Stimme!

Jetzt geht es Schlag auf Schlag, Atem schöpfen die 651 Zuhörer nur während der launigen Moderation­en Uwe Schenker-Primus’. Olena Shyriaeva fordert martialisc­h „Ritorna vincitor“, Sofia Palamar entzückt mit dem erdigen Sentiment eines „Knutsch-Songs“von HulakArtem­ovsky. Es ist ein Extremwech­selbad aus Opern-Höhepunkte­n. Die Applauskur­ve schwillt. Bravos gellen. Der Saal beginnt zu kochen.

Und dann Olga Bezsmertna und Andrii Bondarenko, ein neues Traumpaar der Opernbühne, im Duett aus Verdis „Trovatore“. Er Luna, sie Leonora: umwerfend, wie agil sie diesen Belcanto-Zank exerzieren! Später verzaubert Bezsmertna mit Rusalkas innigem Mondlied. Brit-Tone Müllertz hat Wagner und Lehár parat, Oksana Dyka schmettert eine Turandot-Arie und Taejun Sun den Lehárschen Titelsong.

Zum Schluss die Kernschmel­ze: Catherine Foster, erst morgens aus Florenz eingefloge­n, singt Isoldes Liebestod. Wie leichtgäng­ig sie sich aus lyrisch Delikatem ins Dramatisch­e, in die Eros und Thanatos verschmelz­ende Apotheose schraubt!

Einen besonnten Nachmittag lang durfte Weimar sich als heimliche Opernwelth­auptstadt fühlen. Was für ein kostbares Geschenk! In Demut verneigt, sagen wir: Danke!

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MAIK SCHUCK Zum Abschluss sang Catherine Foster „Isoldes Liebestod“, Hartmut Keil dirigierte das Charkiwer Orchester.

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