Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Ein kostbares Geschenk aus der Ukraine
Benefiz-Gala in der Weimarhalle entpuppt sich als hochkarätiges Musik-Event mit glänzenden Solisten der Opernbühne
Weimar. Eine Sternstunde tritt immer unverhofft ein: wie bei der Benefizgala für die Ukraine, die der Awo-Regionalverband am Sonntag in der Weimarhalle veranstaltete. Wer kannte schon das Orchester der Nationaloper Charkiw, das, in die Slowakei evakuiert, erst drei Tage vorher zu Proben anreisen konnte? Und wer alle Namen der Solisten, die – teils Weltklasse, teils auf dem Wege dorthin – von einer Ukrainer-Riege angeführt wurden?
Nach drei, vier Nummern war klar: Es wird ein Stimmenwunderfeuerwerk! DNT-Bassbariton Oleksandr Pushniak, gebürtiger Kiewer, hatte gerufen – und alle kamen, um unter dem Lehár-Motto „Dein ist mein ganzes Herz“mit Leib und Seele dabei zu sein. Solche Ereignisse entwickeln ihre eigene Dynamik.
Eine „Carmen“-Ouvertüre mit soviel Tempo und Schmiss, wie sie hierzulande kein Orchester musizieren würde, glüht den Saal vor. Nun weiß man, dass dieser junge Klangkörper unter dem erfahrenen Chef Dmytro Morozov europäische Exzellenz repräsentiert. Fürs deutsche Fach steht Hartmut Keil am Pult und begleitet den wuchtigen Pushniak alias Amfortas auf imposantem Wagner-Ausflug, dann Morozow die wundervolle Sofia Soloviy als Bellini-Priesterin Norma:
Was für ein melancholisches Legato für eine so anmutige Stimme!
Jetzt geht es Schlag auf Schlag, Atem schöpfen die 651 Zuhörer nur während der launigen Moderationen Uwe Schenker-Primus’. Olena Shyriaeva fordert martialisch „Ritorna vincitor“, Sofia Palamar entzückt mit dem erdigen Sentiment eines „Knutsch-Songs“von HulakArtemovsky. Es ist ein Extremwechselbad aus Opern-Höhepunkten. Die Applauskurve schwillt. Bravos gellen. Der Saal beginnt zu kochen.
Und dann Olga Bezsmertna und Andrii Bondarenko, ein neues Traumpaar der Opernbühne, im Duett aus Verdis „Trovatore“. Er Luna, sie Leonora: umwerfend, wie agil sie diesen Belcanto-Zank exerzieren! Später verzaubert Bezsmertna mit Rusalkas innigem Mondlied. Brit-Tone Müllertz hat Wagner und Lehár parat, Oksana Dyka schmettert eine Turandot-Arie und Taejun Sun den Lehárschen Titelsong.
Zum Schluss die Kernschmelze: Catherine Foster, erst morgens aus Florenz eingeflogen, singt Isoldes Liebestod. Wie leichtgängig sie sich aus lyrisch Delikatem ins Dramatische, in die Eros und Thanatos verschmelzende Apotheose schraubt!
Einen besonnten Nachmittag lang durfte Weimar sich als heimliche Opernwelthauptstadt fühlen. Was für ein kostbares Geschenk! In Demut verneigt, sagen wir: Danke!