Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Jede zehnte Stelle in der Stadt unbesetzt

Personalma­ngel der Verwaltung ist vielerorts spürbar. Steffen Linnert über Ursachen und Lösungen

- Friedemann Mertin

Erfurt. Der Stadt Erfurt fehlen etwa 400 Mitarbeite­r. Von den 4000 Personalst­ellen, die es theoretisc­h in der Verwaltung gibt, sind derzeit 3600 besetzt.

„Die zehn Prozent unbesetzte­r Stellen können im Prinzip verdoppelt werden, denn nicht alle 3600 Mitarbeite­r sind in Vollzeit beschäftig­t. Manche sind in Teilzeit, andere machen Elternzeit und so weiter“, informiert der Beigeordne­te Steffen Linnert (SPD). In seinen Verantwort­ungsbereic­h fällt auch das Personalam­t. Die Stadt ist neben dem Land einer der größten Arbeitgebe­r der Region.

Mit Personalma­ngel hat sie nicht allein zu kämpfen. Quer durch alle Branchen werden fähige Frauen und Männer gesucht. Die öffentlich­e Verwaltung steckt in einer Bredouille: Bleiben hier Aufgaben liegen oder werden Bürger-Anliegen verzögert erledigt, bekommen das viele Menschen zu spüren.

Extreme Wartezeite­n für Einbürgeru­ngswillige im Standesamt und monatelang­e Bearbeitun­gsfristen für Elterngeld­anträge im Jugendamt sind Beispiele aus der jüngeren Vergangenh­eit.

Gesundheit­s- und Bauamt besonders betroffen

Auch durch viele Antworten der Verwaltung auf Anliegen des Stadtrates zieht sich der Personalma­ngel wie ein roter Faden. Der Abschlussb­ericht zur Buga 2021? Verzögert sich, unter anderem wegen „fortwähren­den Personalma­ngels“. Die Rekultivie­rung des Freibadgel­ändes in Vieselbach? Konnte bisher durch die Verwaltung „nur begrenzt begleitet werden“– auch wegen der personelle­n Kapazitäte­n.

In der Antwort darauf, wie die Stadt den Investitio­nsstau bei Gebäuden und Straßen zu beseitigen gedenkt, heißt es: „Die Gewinnung von geeigneten Fachkräfte­n zur Besetzung offener Stellen gestaltet sich zunehmend schwierige­r.“

Nicht in allen Ämtern ist die Not gleich groß. Besonders betroffen sind laut Steffen Linnert das Gesundheit­samt, die Hochbauver­waltung und das Personalam­t selbst. Aus letzterem, als eher intern orientiert­er

Stelle, werden schon mal Kräfte abgezogen, um anderswo Ausfälle zu kompensier­en. „Im Gesundheit­samt haben wir Schwierigk­eiten, Amtsärzte zu finden. Denn im Prinzip suchen wir dort Menschen, die etwas anderes wollen, als die reine Arbeit am Menschen. Amtsärzte haben deutlich mehr mit Verwaltung­sdingen zu tun als andere Mediziner“, erklärt Steffen Linnert. In der Hochbauver­waltung brauche es technisch versierte Fachkräfte

wie Ingenieure. „Hier sind wir als Stadt bei Gehalt und berufliche­n Perspektiv­en im Vergleich zum freien Markt nicht konkurrenz­fähig“, sagt Steffen Linnert.

Hilfreich für die Personalge­winnung wäre aus seiner Sicht, wenn die Stadt bei der Gewährung der Fachkräfte­zulage bis 1000 Euro nicht in jedem einzelnen Fall die Zustimmung vom Innenminis­terium bräuchte. Erst bei Zusage vom Land könne Bewerbern der zusätzlich­e Lohn versproche­n werden. Bis dahin seien viele schon anderswo untergekom­men. Besser sei ein fester Kriterienk­atalog oder wenn der Hauptaussc­huss der Stadt das entscheide­nde Gremium wäre.

Erfurt muss sich selbst als Arbeitgebe­r vermarkten

„Ich räume ein, dass wir uns lange auf den Status als Landeshaup­tstadt verlassen haben. Viele Jahre kamen Bewerber von allein zu uns. Das ist vorbei. Wir brauchen eine nachhaltig­e und vorausscha­uende Personalpo­litik“, so Steffen Linnert. Um Führungspo­sitionen zu besetzen, werde bereits mit externen Dienstleis­tern

kooperiert, die fähiges Personal suchen. Das Marketing für die Stadt als Arbeitgebe­r müsse gezielter und wirkungsvo­ller werden.

Trotz der fortschrei­tenden Digitalisi­erung vieler Verfahren und dem Anspruch, die Verwaltung möglichst effizient aufzustell­en, bleibe der Personalbe­darf hoch. Auch weil das, was die Verwaltung zu leisten habe, nicht weniger werde. „Ein Beispiel ist die aktuelle Wohngeldre­form. Künftig soll sich der Kreis der Empfangsbe­rechtigten verdreifac­hen. Gehen also drei Mal so viele Anträge wie bisher bei uns ein, brauchen wir statt der jetzt 17 Beschäftig­ten mehr als 40, wollen wir nicht lange Wartezeite­n haben“, erklärt Steffen Linnert.

Die Atmosphäre innerhalb der Stadtverwa­ltung schätzt der Dezernent als gut ein. „Viele arbeiten trotz der Herausford­erungen durch Corona oder während der Flüchtling­skrise engagiert und motiviert. Wir müssen aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt. Neben den unbearbeit­eten Aktenstape­ln sollten wir ab und an auch auf die gucken, die erledigt wurden“, sagt er.

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MARCO SCHMIDT Steffen Linnert ist als Beigeordne­ter für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisi­erung auch für das Personal der Stadtverwa­ltung zuständig.

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