Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Freie Schulen finanziell benachteil­igt

Gutachten sieht Verfassung­sverstoß. Thüringer Bildungsmi­nisterium widerspric­ht deutlich

- Elmar Otto

Erfurt. Thüringen verstößt einem Gutachten zufolge gegen geltendes Recht, weil es die Kosten für bestimmte Verwaltung­skosten und Abschreibu­ngen von freien Schulen nicht mehr erstatten will. Die freien Schulen würden vom Land finanziell benachteil­igt, heißt es.

Dass das Bildungsmi­nisterium für 2021 diese Kosten der Schulträge­r nicht anerkenne, sei rechtswidr­ig, so die Rechtswiss­enschaftle­rin Frauke Brosius-Gersdorf bei der Vorstellun­g der von ihr verfassten Expertise in Erfurt. Das Landesgese­tz über Schulen in freier Trägerscha­ft verstoße auch grundsätzl­ich in einem wichtigen Punkt gegen Verfassung­srecht und müsse deshalb überarbeit­et werden.

„Der Gesetzgebe­r bedient sich hier eines Tricks“, sagt BrosiusGer­sdorf. So wären die Kosten für eine Sachbearbe­iterin, die mit dem Liegenscha­ftsmanagem­ent an freien Schulen befasst ist, schon heute erstattung­sfähig, aber die Kosten für eine Sachbearbe­iterin, die sich um Lehrergewi­nnung kümmert, wären es nicht. Wenn freie Träger aber kein Verwaltung­spersonal hätten, das sich um Lehrkräfte kümmert, Lehrkräfte gewinnt, die Finanzbuch­haltung macht, könnten sie eine Schule nicht ordnungsge­mäß betreiben, argumentie­rt die Juristin. Das Land müsse auch die Kosten für die so genannte innere Verwaltung tragen. Den freien Schulen stehe nach Grundgeset­z und Landesverf­assung ein Anspruch zu.

Brosius-Gersdorf hat den Lehrstuhl für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Potsdam inne. Das Gutachten war von der Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) der freien Schulträge­r in Thüringen beauftragt worden. Nach deren Schätzunge­n geht es für die Schulträge­r um eine Summe von insgesamt etwa 13 Millionen Euro.

Den LAG-Sprechern Marco Eberl und Martin Fahnroth zufolge hat das Bildungsmi­nisterium im Sommer begonnen, bei der Abrechnung der staatliche­n Zuschüsse für die freien Schulträge­r aus dem vergangene­n Jahr neben bestimmten Verwaltung­skosten auch einige Abschreibu­ngskosten nicht mehr anzuerkenn­en. Diese Praxis müsse wieder geändert werden.

Ein Sprecher von Bildungsmi­nister Helmut Holter (Linke) teilt auf Anfrage dieser Zeitung mit, nach einer ersten Prüfung handele es sich um ein Gutachten, das die Regelungen des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerscha­ft „einseitig und aus unserer Sicht unzutreffe­nd interpreti­ert“. Seit 2021 seien zudem die Finanzieru­ngssätze um etwa zehn Prozent aufgestock­t worden. Aktuell betrage die Förderung 225 Millionen Euro.

Grünen-Landtagsfr­aktionsche­fin Astrid Rothe-Beinlich appelliert an das Bildungsmi­nisterium zur bisherigen, viele Jahre bewährten Abrechnung­spraxis zurückzuke­hren: „Sonst müsste diese Frage gerichtlic­h geklärt werden.“

Wir hoffen, dass eine gütliche Einigung mit dem Ministeriu­m möglich ist. Sonst müsste diese Frage gerichtlic­h geklärt werden. Astrid Rothe-Beinlich Grünen-Fraktionsv­orsitzende

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