Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Landesregierung zwitschert vorerst weiter
Nach Musk-Übernahme bei Twitter steigt nur Staatskanzleichef Hoff aus. Alternative entstand in Thüringen
Erfurt. Twitter steht vor einem Umbruch. Die Thüringer Landesregierung will das Netzwerk dennoch in weiten Teilen weiter nutzen.
Seit Milliardär Elon Musk den Dienst gekauft hat, steht die Frage im Raum: Wie wird sich Twitter entwickeln? Befürchtungen, dass Verschwörungstheorien breiter Raum gegeben werden könnte, greifen um sich. Musk hatte schließlich durchblicken lassen, dass er meint, mit der Übernahme des Dienstes die Meinungsfreiheit retten zu müssen. Was bedeutet das konkret?
In den ersten Stunden seit der Übernahme kam das eine oder andere Detail bereits ans Licht. So will er die Moderation von Inhalten auf ein Minimum begrenzen.
Deutschlandweit nutzen Politikerinnen und Politiker den Dienst, um Nachrichten zu verbreiten, zu diskutieren – oder sich heftig zu fetzen. So twittert die gesamte Thüringer Landesregierung mehr oder weniger intensiv. Bleibt das so? Mit Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke) hat ein Minister aus dem Kabinett Ramelow angekündigt, seine Aktivitäten vorerst einstellen zu wollen. Seinen mehr als 10.000 Followern – also Personen, die seine Nachrichten abonniert haben – teilt er seine Befürchtung mit, dass unter Musk „negative Tendenzen exponentiell verstärkt werden“könnten. Er werde das Geschehen beobachten und Anfang 2023 die Entwicklung bewerten. Solange legt er seinen Account bei Twitter still.
Hoff steht damit im Kabinett derzeit allein dar. Ministerpräsident
Bodo Ramelow (Linke) zwitschert weiter fleißig. Erst am Montag legte er sich mit CDU-Oppositionsführer Mario Voigt an, weil dieser einen kritischen Video-Ausschnitt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte – von einer Quelle, die aus Sicht des Ministerpräsidenten nicht tragbar wäre. Ramelow selbst ist der ungekrönte Twitter-König der Landesregierung, hat fast 80.000 Follower auf seiner persönlichen Seite. Nach Angaben von Regierungssprecher Falk Neubert handelt es sich dabei „um seinen privaten Kanal, den er vorerst weiter nutzen will“. Nicht zur Disposition steht
überdies die Twitter-Seite der Staatskanzlei.
Kritisch blickt Innenminister Georg Maier (SPD) auf die Plattform „mit teilweise rüden und aggressiven Umgangsformen“. Seine Befürchtung: Die Übernahme durch Musk könnte dazu führen, dass „Fake-News und Verschwörungstheorien verstärkt über Twitter verbreitet werden“. Maier sagt auf Anfrage: „Deshalb erwäge ich den Wechsel zu einem anderen Kurznachrichtendienst“. Die Alternative zu Twitter gibt es seit 2016. „Mastodon“ermöglicht es den Nutzern, Nachrichten mit bis zu 500
Zeichen zu verbreiten. Die werden Tröts genannt – in Anlehnung an das Mammut, das dem Dienst seinen Namen gegeben hat. Dahinter steht die Mastodon gGmbH, die 2016 in Jena gegründet wurde und mittlerweile ihren Sitz in Berlin hat. Gründer Eugen Rochko, der als Kind nach Deutschland kam, hatte zuvor an der Uni Jena sein Informatik-Studium beendet.
Zurück zu Twitter: Ein Sprecher von Thüringens Justizminister Dirk Adams (Grüne) macht vor dem Hintergrund der Debatte um den Eigentümerwechsel deutlich, „dass Plattformen mit einer solchen Wirkmächtigkeit
eigentlich nicht in private Hände gehören“. Gleichwohl sei die Arbeit in den sozialen Netzwerken „integraler Bestandteil“der Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb werde aus dem Ministerium heraus weiter getwittert – und auch Minister Adams wolle seine private Seite ebenso weiter nutzen.
Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagt auf Anfrage: „Wir werden bei Veränderungen, die wir nicht mittragen können, entscheiden, ob wir Twitter als Öffentlichkeitsmedium weiter nutzen werden.“Heißt: Man beobachtet, wie es weitergeht und nutzt den Dienst.
Ähnlich sieht das bei Bildungsminister Helmut Holter, Gesundheitsministerin Heike Werner und Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (alle Linke) aus. Auf Anfrage heißt es aus ihren jeweiligen Häusern, dass Twitter weiter genutzt werden soll und die Ministerinnen und der Minister ebenso die privat betriebenen Seiten weiterhin bespielen werden.
Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) wird ebenfalls weiter twittern, will aber die Entwicklung genau beobachten. Auch sie kann sich vorstellen, auf eine Alternative umzuschwenken, wie ihr Sprecher auf Anfrage mitteilt. Das gilt auch für die Seite des Ministeriums.
Im Wirtschaftsministerium wird ebenfalls weiter gezwitschert. Ein Sprecher von Wolfgang Tiefensee (SPD) betont die hohe Reichweite des Dienstes und den gesetzlichen Rahmen, in dem sich der Dienst zu bewegen habe, aber: „Die weitere Entwicklung werden wir selbstverständlich sehr genau beobachten.“