Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Landesregi­erung zwitschert vorerst weiter

Nach Musk-Übernahme bei Twitter steigt nur Staatskanz­leichef Hoff aus. Alternativ­e entstand in Thüringen

- Fabian Klaus

Erfurt. Twitter steht vor einem Umbruch. Die Thüringer Landesregi­erung will das Netzwerk dennoch in weiten Teilen weiter nutzen.

Seit Milliardär Elon Musk den Dienst gekauft hat, steht die Frage im Raum: Wie wird sich Twitter entwickeln? Befürchtun­gen, dass Verschwöru­ngstheorie­n breiter Raum gegeben werden könnte, greifen um sich. Musk hatte schließlic­h durchblick­en lassen, dass er meint, mit der Übernahme des Dienstes die Meinungsfr­eiheit retten zu müssen. Was bedeutet das konkret?

In den ersten Stunden seit der Übernahme kam das eine oder andere Detail bereits ans Licht. So will er die Moderation von Inhalten auf ein Minimum begrenzen.

Deutschlan­dweit nutzen Politikeri­nnen und Politiker den Dienst, um Nachrichte­n zu verbreiten, zu diskutiere­n – oder sich heftig zu fetzen. So twittert die gesamte Thüringer Landesregi­erung mehr oder weniger intensiv. Bleibt das so? Mit Staatskanz­leichef Benjamin Hoff (Linke) hat ein Minister aus dem Kabinett Ramelow angekündig­t, seine Aktivitäte­n vorerst einstellen zu wollen. Seinen mehr als 10.000 Followern – also Personen, die seine Nachrichte­n abonniert haben – teilt er seine Befürchtun­g mit, dass unter Musk „negative Tendenzen exponentie­ll verstärkt werden“könnten. Er werde das Geschehen beobachten und Anfang 2023 die Entwicklun­g bewerten. Solange legt er seinen Account bei Twitter still.

Hoff steht damit im Kabinett derzeit allein dar. Ministerpr­äsident

Bodo Ramelow (Linke) zwitschert weiter fleißig. Erst am Montag legte er sich mit CDU-Opposition­sführer Mario Voigt an, weil dieser einen kritischen Video-Ausschnitt von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) teilte – von einer Quelle, die aus Sicht des Ministerpr­äsidenten nicht tragbar wäre. Ramelow selbst ist der ungekrönte Twitter-König der Landesregi­erung, hat fast 80.000 Follower auf seiner persönlich­en Seite. Nach Angaben von Regierungs­sprecher Falk Neubert handelt es sich dabei „um seinen privaten Kanal, den er vorerst weiter nutzen will“. Nicht zur Dispositio­n steht

überdies die Twitter-Seite der Staatskanz­lei.

Kritisch blickt Innenminis­ter Georg Maier (SPD) auf die Plattform „mit teilweise rüden und aggressive­n Umgangsfor­men“. Seine Befürchtun­g: Die Übernahme durch Musk könnte dazu führen, dass „Fake-News und Verschwöru­ngstheorie­n verstärkt über Twitter verbreitet werden“. Maier sagt auf Anfrage: „Deshalb erwäge ich den Wechsel zu einem anderen Kurznachri­chtendiens­t“. Die Alternativ­e zu Twitter gibt es seit 2016. „Mastodon“ermöglicht es den Nutzern, Nachrichte­n mit bis zu 500

Zeichen zu verbreiten. Die werden Tröts genannt – in Anlehnung an das Mammut, das dem Dienst seinen Namen gegeben hat. Dahinter steht die Mastodon gGmbH, die 2016 in Jena gegründet wurde und mittlerwei­le ihren Sitz in Berlin hat. Gründer Eugen Rochko, der als Kind nach Deutschlan­d kam, hatte zuvor an der Uni Jena sein Informatik-Studium beendet.

Zurück zu Twitter: Ein Sprecher von Thüringens Justizmini­ster Dirk Adams (Grüne) macht vor dem Hintergrun­d der Debatte um den Eigentümer­wechsel deutlich, „dass Plattforme­n mit einer solchen Wirkmächti­gkeit

eigentlich nicht in private Hände gehören“. Gleichwohl sei die Arbeit in den sozialen Netzwerken „integraler Bestandtei­l“der Öffentlich­keitsarbei­t. Deshalb werde aus dem Ministeriu­m heraus weiter getwittert – und auch Minister Adams wolle seine private Seite ebenso weiter nutzen.

Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) sagt auf Anfrage: „Wir werden bei Veränderun­gen, die wir nicht mittragen können, entscheide­n, ob wir Twitter als Öffentlich­keitsmediu­m weiter nutzen werden.“Heißt: Man beobachtet, wie es weitergeht und nutzt den Dienst.

Ähnlich sieht das bei Bildungsmi­nister Helmut Holter, Gesundheit­sministeri­n Heike Werner und Infrastruk­turministe­rin Susanna Karawanski­j (alle Linke) aus. Auf Anfrage heißt es aus ihren jeweiligen Häusern, dass Twitter weiter genutzt werden soll und die Ministerin­nen und der Minister ebenso die privat betriebene­n Seiten weiterhin bespielen werden.

Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) wird ebenfalls weiter twittern, will aber die Entwicklun­g genau beobachten. Auch sie kann sich vorstellen, auf eine Alternativ­e umzuschwen­ken, wie ihr Sprecher auf Anfrage mitteilt. Das gilt auch für die Seite des Ministeriu­ms.

Im Wirtschaft­sministeri­um wird ebenfalls weiter gezwitsche­rt. Ein Sprecher von Wolfgang Tiefensee (SPD) betont die hohe Reichweite des Dienstes und den gesetzlich­en Rahmen, in dem sich der Dienst zu bewegen habe, aber: „Die weitere Entwicklun­g werden wir selbstvers­tändlich sehr genau beobachten.“

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HOFF TWITTER TWEET Mit diesem Tweet hat sich Benjamin Hoff vorerst bei Twitter verabschie­det.

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