Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Fehlende Polizei: Verspätung beim Drogen-Prozess
Gericht in Erfurt hatte Einsatzkräfte nicht über den Termin informiert
Erfurt. Einer der umfangreichsten Drogenprozess Thüringens beginnt auch am zweiten Verhandlungstag mit deutlicher Verspätung. Zum geplanten Start um 9 Uhr fehlten am Dienstag im Landgericht Erfurt die Polizeikräfte, um das Verfahren abzusichern. Die fünf Angeklagten müssen sich wegen verbrecherischen Drogenhandels als Bande verantworten.
Die Polizei sei über den Termin nicht informiert worden, heißt es vom Gericht. Der Prozess kann erst anderthalb Stunden später starten. Gleich zu Beginn kritisieren mehrere Verteidiger, dass alle Angeklagten mit Fußfesseln auf der Anklagebank sitzen. Nach intensiver Debatte und einer Unterbrechung werden die Fußfesseln abgenommen.
Bereits am ersten Verhandlungstag in der Vorwoche hatten Verteidiger das Aussetzen des Verfahrens beantragt. Zudem forderten sie ein Beweisverwertungsverbot für die Daten mehrerer Krypto-Handys. Die Staatsanwaltschaft Gera verteidigte am Dienstag ihre Beweise auf Grundlage von Chatprotokollen aus Kryptohandys der Anbieter „Encrochat“und „Anom“.
Die Verschlüsselung der Handys beider Betreiber galt als sicher, weshalb sie besonders bei Kriminellen beliebt gewesen sein sollen.
Die Verwendung der Chatdaten beider Anbieter wird derzeit von deutschen Gerichten unterschiedlich bewertet. Die Staatsanwalt Gera bezieht sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom März dieses Jahres, wonach Daten von Encrochat in Gerichtsverfahren zulässig seien. Französische Behörden hätten auch die Authentizität der Daten bestätigt.
Die Verteidiger argumentieren dagegen, dass die Verwendung der Chatprotokolle deutschem Recht widersprechen würde, weil unter anderem nicht überprüfbar sei, wie die Daten erlangt wurden. Ein Beweisverwertungsverbot, mindestens aber ein Aussetzen des Verfahrens, um eine Überprüfung der Sachlage vor dem Europäischen Gerichtshof zu veranlassen, lauteten dagegen ihre Forderungen. Aus Sicht des Anklägers müsse letztlich das Gericht entscheiden und bewerten, wie die Chatdaten der verschlüsselten Handykommunikationen in dem Prozess genutzt werden.