Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Wer Parallelen zur RAF zieht, verharmlost den Terror“
Grünen-Chefin Ricarda Lang über die globale Klimakonferenz in Ägypten und die radikaler werdenden Klimaproteste in Deutschland
Berlin. Anders als die Klimaaktivistin Greta Thunberg wird GrünenChefin Ricarda Lang zur globalen Klimakonferenz COP27 nach Scham el-Scheich reisen. Was sie dort erreichen will – und wie sie über die Proteste der „Letzten Generation“denkt –, sagt Lang im Interview mit unserer Redaktion.
Das Klimaziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, gerät außer Reichweite – obwohl sich die Welt schon zur 27. Klimakonferenz trifft. Was bringen solche Gigaveranstaltungen außer Zehntausende zusätzliche
Flüge?
Ricarda Lang: Die Klimakrise stellt uns als Weltgemeinschaft vor riesige Herausforderungen. Und ich bin froh, dass das inzwischen weltweit so gesehen wird. Wir können die Klimakrise nicht allein lösen. Um das Paris-Abkommen umzusetzen, brauchen wir enge internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Genau das passiert auf den COPs: Hier kommt die ganze Welt zusammen, um über das Verhindern der Klimakatastrophe zu sprechen und zu verbindlichen Ergebnissen zu kommen.
Die Aktivistin Greta Thunberg bleibt der Konferenz in Ägypten fern. Wie
finden Sie das?
Das ist jeweils eine sehr persönliche Abwägung. Ich habe für mich – als Vorsitzende einer Regierungspartei in einem der Länder mit dem weltweit größten CO2-Ausstoß – eine andere Entscheidung getroffen. Ich werde nächste Woche vor Ort sein, auch weil ich Klimakonferenzen für einen wichtigen Ort für Vereinbarungen und Verhandlungen über Klimaschutz- und Ausgleichsmaßnahmen auf internationaler Ebene halte. Gleichzeitig ist es mir wichtig, mich vor Ort mit zivilgesellschaftlichen Gruppen auszutauschen und den Anlass zu nutzen, um einmal mehr den Blick auf die desolate Menschenrechtslage in Ägypten zu richten, wo die Zivilgesellschaft systematisch unterdrückt wird und Kritiker des Regimes gefoltert und unrechtmäßig eingesperrt werden.
Sind Proteste hilfreich, wie sie von Gruppen wie der „Letzten Generation“organisiert werden?
Wenn ein Protest dazu führt, dass nicht mehr über die Sache, sondern nur über die Protestform geredet wird, erweist das dieser Sache einen Bärendienst.
Was sagen Sie jenen, die – in Anspielung auf die Terroristen der RotenArmee-Fraktion – vor einer „KlimaRAF“
warnen und Gefängnisstrafen fordern?
Die RAF hat mit Waffen und Sprengstoff getötet, mehr als 30 Menschen haben durch den furchtbaren RAF-Terror ihr Leben verloren. Wer hier Parallelen zieht und die aktuellen Proteste mit der RAF in einem Atemzug nennt, verharmlost den damaligen Terror und verhöhnt das Leid der Opfer und Hinterbliebenen. Bei aller Liebe zum politischen Streit erwarte ich, dass hier verbal abgerüstet wird. Dort, wo Straftaten durch Protestierende begangen werden, werden diese selbstverständlich geahndet. Dafür bietet unser Rechtsstaat ausreichend Mittel.