Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wer in Deutschlan­d Opfer wird

Eine Polizeistu­die zeigt: Grundsätzl­ich fühlen sich die Deutschen sicher. Aber nicht jeder und nicht überall

- Christian Unger

Berlin. Statistike­n der Polizei sind tückisch. Wie stark die Kriminalit­ät registrier­t wird, hängt auch davon ab, wie stark die Polizei kontrollie­rt. Die Zahlen sind zudem abhängig davon, wie sehr Betroffene Straftaten bei der Polizei anzeigen. Bei Einbrüchen passiert das fast immer, bei Drogendeli­kten fast nie.

Damit die Planung von Polizeiein­sätzen nicht nur auf vagen Statistike­n beruht, braucht es Studien. Eine riesige Untersuchu­ng des Bundeskrim­inalamtes (BKA) hat jetzt dessen Chef Holger Münch vorgestell­t. Mehr als 45.000 Menschen wurden für die Analyse „Sicherheit und Kriminalit­ät in Deutschlan­d“(SKiD) interviewt. Die 230 Seiten lange Studie zeigt, wer in Deutschlan­d Opfer wird – und wie stark sich die Personen bedroht fühlen.

Bemerkensw­ert ist vor allem eines: wie stark sich die Menschen durch Hasskrimin­alität in Deutschlan­d bedroht fühlen. „Etwa die Hälfte aller Opfer von Körperverl­etzung ist der Meinung, aufgrund ihrer Zugehörigk­eit zu einer bestimmten gesellscha­ftlichen Gruppe angegriffe­n worden zu sein. Die häufigsten Gründe sind hierbei der soziale Status, die Herkunft oder das Geschlecht“der betroffene­n Person, heißt es in der Studie. Männer sind stärker von dieser „vorurteils­geleiteten Körperverl­etzung“betroffen als Frauen – allerdings nicht bei Angriffen aufgrund der geschlecht­lichen Identität. Diese Wahrnehmun­g der Betroffene­n ist brisant, zeigt sie doch, wie stark Hass und Hetze nicht nur in den Polizeista­tistiken gewachsene­n sind – sondern auch im Alltag der Menschen in Deutschlan­d. „Zudem sind Personen mit Migrations­hintergrun­d häufiger besorgt, Opfer von Kriminalit­ät zu werden“, beschreibt die Studie.

Erschrecke­nd ist zudem, wie selten die Betroffene­n Sexualdeli­kte anzeigen: Bei Vergewalti­gung und sexuellem Missbrauch wird gerade einmal jede zehnte mutmaßlich­e Tat zur Anzeige gebracht. Ursache ist häufig ein Schamgefüh­l bei den Betroffene­n. Aber auch die Annahme, dass zu wenig Beweise vorlägen, um den Täter zu überführen.

Die Menschen fühlen sich in Deutschlan­d grundsätzl­ich sicher.

Doch das hängt stark vom Ort ab. In der Wohngegend ist auch nachts das Sicherheit­sgefühl hoch. In öffentlich­en Verkehrsmi­tteln fühlt sich gerade noch die Hälfte sicher. Die Studie hält fest: „Zum Schutz vor Kriminalit­ät tragen 1,5 Prozent der Bevölkerun­g ab 16 Jahren häufig oder sehr oft ein Messer und 3,8 Prozent Reizgas bei sich.“

Deutlich wird: Der Cyberraum wird zur dominieren­den Kriminalit­ätszone, vor allem durch Datenmissb­rauch und Betrug, aber auch durch verbale Angriffe und Hetze. 34 Prozent der deutschen Bevölkerun­g halten es für „wahrschein­lich, in den nächsten zwölf Monaten Opfer hiervon zu werden“.

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KAY NIETFELD / DPA Stellte die Studie vor: BKAChef Holger Münch.

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