Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Wer in Deutschland Opfer wird
Eine Polizeistudie zeigt: Grundsätzlich fühlen sich die Deutschen sicher. Aber nicht jeder und nicht überall
Berlin. Statistiken der Polizei sind tückisch. Wie stark die Kriminalität registriert wird, hängt auch davon ab, wie stark die Polizei kontrolliert. Die Zahlen sind zudem abhängig davon, wie sehr Betroffene Straftaten bei der Polizei anzeigen. Bei Einbrüchen passiert das fast immer, bei Drogendelikten fast nie.
Damit die Planung von Polizeieinsätzen nicht nur auf vagen Statistiken beruht, braucht es Studien. Eine riesige Untersuchung des Bundeskriminalamtes (BKA) hat jetzt dessen Chef Holger Münch vorgestellt. Mehr als 45.000 Menschen wurden für die Analyse „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“(SKiD) interviewt. Die 230 Seiten lange Studie zeigt, wer in Deutschland Opfer wird – und wie stark sich die Personen bedroht fühlen.
Bemerkenswert ist vor allem eines: wie stark sich die Menschen durch Hasskriminalität in Deutschland bedroht fühlen. „Etwa die Hälfte aller Opfer von Körperverletzung ist der Meinung, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe angegriffen worden zu sein. Die häufigsten Gründe sind hierbei der soziale Status, die Herkunft oder das Geschlecht“der betroffenen Person, heißt es in der Studie. Männer sind stärker von dieser „vorurteilsgeleiteten Körperverletzung“betroffen als Frauen – allerdings nicht bei Angriffen aufgrund der geschlechtlichen Identität. Diese Wahrnehmung der Betroffenen ist brisant, zeigt sie doch, wie stark Hass und Hetze nicht nur in den Polizeistatistiken gewachsenen sind – sondern auch im Alltag der Menschen in Deutschland. „Zudem sind Personen mit Migrationshintergrund häufiger besorgt, Opfer von Kriminalität zu werden“, beschreibt die Studie.
Erschreckend ist zudem, wie selten die Betroffenen Sexualdelikte anzeigen: Bei Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch wird gerade einmal jede zehnte mutmaßliche Tat zur Anzeige gebracht. Ursache ist häufig ein Schamgefühl bei den Betroffenen. Aber auch die Annahme, dass zu wenig Beweise vorlägen, um den Täter zu überführen.
Die Menschen fühlen sich in Deutschland grundsätzlich sicher.
Doch das hängt stark vom Ort ab. In der Wohngegend ist auch nachts das Sicherheitsgefühl hoch. In öffentlichen Verkehrsmitteln fühlt sich gerade noch die Hälfte sicher. Die Studie hält fest: „Zum Schutz vor Kriminalität tragen 1,5 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren häufig oder sehr oft ein Messer und 3,8 Prozent Reizgas bei sich.“
Deutlich wird: Der Cyberraum wird zur dominierenden Kriminalitätszone, vor allem durch Datenmissbrauch und Betrug, aber auch durch verbale Angriffe und Hetze. 34 Prozent der deutschen Bevölkerung halten es für „wahrscheinlich, in den nächsten zwölf Monaten Opfer hiervon zu werden“.