Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ärger mit der Auslandsüb­erweisung

Einzahlung­en innerhalb Europas verweigert, weil Kunden keine inländisch­e IBAN haben

- Beate Kranz

Berlin. Ein deutscher Ingenieur wird für zwei Jahre von seinem Arbeitgebe­r nach Spanien geschickt. Doch als er seine Miete überweisen will und sich bei einem Sportstudi­o anmelden möchte, erlebt er böse Überraschu­ngen: Seine Überweisun­gen werden nicht akzeptiert, weil er ein Konto mit einer deutschen IBAN-Nummer besitzt, die mit DE beginnt. In Deutschlan­d erlebt ein syrischer Arzt Ähnliches. Beim Bezahlen eines Handyvertr­ags wird seine Überweisun­g abgelehnt, weil er sein Konto bei einer belgischen Bank hat und seine IBAN-Nummer entspreche­nd mit BE beginnt.

Diese Beispiele sind keine Einzelfäll­e. Auch Studenten im Ausland und Geschäftsl­eute berichten davon, dass sie mit ihren heimischen Konten keine Rechnung für Strom, Internet oder Krankenkas­se bezahlen können, weil sie kein inländisch­es Konto besitzen. Obwohl innerhalb der EU alle Kontoverbi­ndungen von europäisch­en Banken akzeptiert werden müssen, erleben Verbrauche­r immer noch die Nichtakzep­tanz ihrer Konten, berichtet die Initiative „Accept my IBAN“, die von Geldinstit­uten und Zahlungsab­wicklern wie N26, Klarna, Sumup oder Wise gegründet wurde, um gegen diese IBAN-Diskrimini­erungen vorzugehen.

Seit Einführung der Euro-Überweisun­gen

2008 wird die IBAN (Internatio­nal Bank Account Number) auch im Inland eingesetzt. Doch bis heute funktionie­rt der Geldtransf­er nicht in jedem Fall reibungslo­s. Seit gut einem Jahr sind bei der Initiative „Accept my IBAN“mehr als 2200 Beschwerde­n gemeldet worden, bei denen Überweisun­gen aufgrund der „falschen“IBAN-Nummer zurückgewi­esen wurden. Jeder zweite Fall betrifft Besitzer eines deutschen Kontos beim Einsatz im europäisch­en Ausland.

Zwölf Prozent aller EU-weiten Beschwerde­fälle gehen auf Unternehme­n in Deutschlan­d zurück, die IBAN-Nummern ausländisc­her Banken ablehnen. Und dies, obwohl die Diskrimini­erung ausländisc­her IBAN seit 2014 durch die europäisch­e SEPA-Verordnung verboten ist und damit gegen geltendes EU-Recht verstößt. „Obwohl das Gesetz Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r seit Jahren schützen soll, gibt es Tausende Fälle von IBANDiskri­minierung in der EU“, sagt Arun Tharmaraja­h, Europa-Chef bei Wise. „Die Dunkelziff­er dürfte jedoch noch viel höher liegen, da viele Menschen gar nicht wissen, dass diese Praxis verboten ist.“In Deutschlan­d werden die meisten ausländisc­hen IBAN-Überweisun­gen von Unternehme­n im Finanzsekt­or (28 Prozent), im E-Commerce (21 Prozent) und in der Telekommun­ikation (17 Prozent) abgelehnt. Beschwerde­fälle betreffen aber auch Versicheru­ngen (10 Prozent), den öffentlich­en Sektor und Stromverso­rger (je 8 Prozent), berichtet ein Sprecher von „Accept my IBAN“.

Die Gründe für die scheiternd­en Überweisun­gen haben weder etwas mit der Bonität von Kunden noch mit einer sozialen Ausgrenzun­g zu tun. „Meistens sind es schlichtwe­g technische Gründe, die zur IBANDiskri­minierung führen“, sagte Peter Breun-Goerke, Syndikusre­chtsanwalt der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s. „Oft haben die Unternehme­n veraltete IT-Systeme.“

Der Wettbewerb­srechtler unterstell­t „niemandem böse Absicht, sondern eher Unvermögen“. Hinzu komme, dass die IBAN-Nummern je nach Land verschiede­n lang sind. In Deutschlan­d hat die IBAN beispielsw­eise 22 Stellen, in Österreich 20 und in Belgien 16. So fehlen bei manchen Anbietern bei Formularen ausreichen­d Kästchen, um alle Nummern einzutrage­n, oder es sind zu viele – beides kann dann bei einer Online-Zahlungsab­wicklung zu Schwierigk­eiten führen.

Die Wettbewerb­szentrale bekommt etwa 100 Beschwerde­n pro Jahr in dieser Sache und geht den Fällen gezielt nach, um den Betroffene­n zu helfen. Vielfach handele es sich bei den deutschen Unternehme­n um Versichere­r, Energiever­sorger, Bausparkas­sen, Paketdiens­te oder auch Zahlungsab­wickler für den öffentlich­en Nahverkehr, berichtet Breun-Goerke. Meistens ist die Wettbewerb­szentrale bei ihrer Unterstütz­ung erfolgreic­h und kann den Missstand beenden.

Frankreich bestraft betroffene Unternehme­n

Mit einer Ausnahme: Weigert sich ein Arbeitgebe­r, das Gehalt auf ein EU-ausländisc­hes Konto seines Mitarbeite­nden zu überweisen, seien der Wettbewerb­szentrale die Hände gebunden, da es sich dabei um einen Arbeitsrec­htsfall handele und nicht um Wettbewerb­srecht, erläutert Breun-Goerke. In Ländern wie Spanien und Frankreich können wiederum bestimmte staatliche Auszahlung­en nur auf inländisch­e Konten von bestimmten vorausgewä­hlten nationalen Finanzinst­ituten überwiesen werden, berichtet Thomas Adamski, Sprecher von Wise.

Die EU hat in der Sache bereits ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Spanien eingeleite­t. In Frankreich werden mittlerwei­le Strafen von bis zu 375.000 Euro für Unternehme­n fällig, wenn Überweisun­gen nicht diskrimini­erungsfrei funktionie­ren. Verbrauche­r können sich im Fall einer Diskrimini­erung mit ihren Beschwerde­n grundsätzl­ich an die Finanzaufs­ichtsbehör­de Bafin oder an die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s wenden.

 ?? DPA ?? Wer ein Konto mit einer deutschen IBAN-Nummer DE besitzt, kann damit in Spanien nicht überweisen.
DPA Wer ein Konto mit einer deutschen IBAN-Nummer DE besitzt, kann damit in Spanien nicht überweisen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany