Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Verbindung über den schiefen Turm
Bad Frankenhausen strebt Partnerschaften mit dem italienischen Pisa und deutschen Orten an
Bad Frankenhausen. Der Oberkirchturm in Bad Frankenhausen hat eine Neigung von 4,60 Grad, jener Turm in Pisa nur von 3,97. Dennoch ist der in der Toscana weitaus bekannter. Er zieht jährlich Hunderttausende Touristen an, die dann liebend gern das eine Foto machen, auf dem sie so tun, als würden sie den kippenden „Torre pendente di Pisa“mit bloßen Händen stützen. Als Folge dessen ist eine regelrechte Industrie entstanden.
Bad Frankenhausens Bürgermeister Matthias Strejc wünscht sich für die gleichfalls sehenswerte Rarität im Kyffhäuserkreis deutlich mehr Interessenten als jetzt. Er strebt auch deshalb eine Partnerschaft mit Pisa an.
Deshalb war der SPD-Politiker vor einigen Wochen mit einer Delegation in Italien, wurde dort im Rathaus empfangen und hat eine Gegen-Einladung für dieses Jahr ausgesprochen. Erster Schritt einer Zusammenarbeit wäre eine Städtefreundschaft, später könnte daraus eine Partnerschaft werden, wofür allerdings ein Stadtratsbeschluss notwendig ist.
Von der Studentenstadt Pisa, dem Marketing, könne man sicherlich reichlich lernen, so Strejc. Und er verweist darauf, dass auch das Museum mit dem Bauernkrieg-Panorama
des Malers Werner Tübke, das als „Sixtina des Nordens“bezeichnet werde, ein zusätzlicher Anknüpfungspunkt wäre. Tübke sei oft in Italien gewesen und habe seine Werke dort ausgestellt.
Aber Strejc kann sich auch vorstellen, mit anderen Städten in Deutschland, die über einen schiefen Turm verfügen, eng zu kooperieren. Infrage kommen zum Beispiel Suurhusen in Ostfriesland (5,19 Grad) oder Gau-Weinheim im Landkreis Alzey-Worms. Dort steht inzwischen der mit 5,43 Grad schiefste Turm in Deutschland. „Vielleicht könnten von einem Miteinander alle Orte profitieren.“Der schiefe Turm in Bad Frankenhausen
soll in den kommenden zwei Jahren mit einem finanziellen Aufwand von 10,5 Millionen Euro touristisch erschlossen werden. Bisher hat sich seine außergewöhnliche Neigung zumindest außerhalb Thüringens noch nicht weit genug herumgesprochen. Vielleicht auch, weil er nach wie vor auf einer Baustelle thront. Doch das soll sich ändern, bis spätestens 2025.
Dann soll der Turm in der Kleinstadt mit 9000 Einwohnern am Fuße des Kyffhäusers begehbar und mit einem modernen, dreigeschossigen Besucherzentrum ausgestattet sein. Die Ausstellung informiert dann auch über das ortsspezifische Heilmittel Sole einschließlich der außergewöhnlichen Geologie. Über eine Plattform gelangen Gäste ins Innere des Turms, auf Austritten kann das „Kippen“des Turms und mit VR-Brillen auch das Raumgefühl virtuell erlebt werden.
Sehenswert ist der über 600 Jahre alte Kirchturm allerdings schon jetzt. 2014 war er vom Abriss bedroht, da hatte er sich ohne Stopp gefährlich geneigt. Doch mit einer Stützkonstruktion wurde der Turm gerettet, stabilisiert und dauerhaft gesichert. „Acht Schrauben halten ihn“, so Matthias Strejc. An ihnen kann bei Bedarf auch stets gedreht werden, falls die Neigung wieder zu stark wird. Sie nimmt zu, jedes Jahr etwa fünf Millimeter.