Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ist das der nächste US -Präsident?

Erdrutschs­ieg bei den Zwischenwa­hlen für Ron DeSantis. Eine Nahaufnahm­e von Floridas Gouverneur in sechs Kapiteln

- Dirk Hautkapp

Washington. Sonnenköni­g. Der Begriff passt auf Ron DeSantis seit Dienstagab­end wie die Kokosnuss zur Palme. Sein Bundesstaa­t Florida ist wetterbedi­ngt der „Sunshine State“der USA. Mit seiner historisch­en Wiederwahl als Gouverneur ist der meist verkniffen dreinblick­ende Mann nach Überzeugun­g etlicher US-Kommentato­ren zum neuen König der Republikan­ischen Partei aufgestieg­en – mit der Perspektiv­e, 2024 nicht nur den alternden „King“Donald Trump vom Thron zu schubsen, sondern Präsident der Vereinigte­n Staaten zu werden. Wer ist dieser ErsatzTrum­p? Eine Nahaufnahm­e in sechs Kapiteln:

Der Weg in die Politik

Ron DeSantis, Sohn kubanische­r Einwandere­r, geboren 1978, wurde in Dunedin, einem Vorort von Tampa an der Golfküste Floridas, groß. Mutter Karen war Krankensch­wester, Vater Ron installier­te Fernsehtec­hnik. Als Teenager brillierte er im Baseball, schaffte es 1991 sogar in die „Little League World Series“. 1997 ging er zum Geschichts­studium nach Yale. Danach folgte Jura in Harvard.

Nach dem Abschluss 2005 zog es ihn in die Juristenab­teilung der USMarine. DeSantis betreute Al-Kaida-Häftlinge in Guantanamo und war mit den Elitesolda­ten der „Navy Seals“im Irak stationier­t. Später wurde Jacksonvil­le in Florida sein Standort. 2010 ging er dort in eine Anwaltskan­zlei. Wenig später endete sein Junggesell­enleben. Auf einem Golfplatz stieß er auf eine zierliche Frau mit dunklen Augen. Casey Black, damals Nachrichte­nsprecheri­n beim örtlichen Sender WJXT, wurde seine Partnerin. Im September des gleichen Jahres folgte die Heirat. Das Paar hat zwei Töchter und einen Sohn.

Gattin Casey hat seine Karriere minutiös flankiert. Sprechtrai­ning vor der Kamera, Kleidung bis hin zu den Cowboystie­feln, die Auswahl von Mitarbeite­rn und InterviewP­artnern: Alles geht über ihren Tisch. Mit 34 zog DeSantis in den Kongress ein. Mit tatkräftig­er Schützenhi­lfe Donald Trumps wurde er 2018 in Tallahasse­e, der Hauptstadt Floridas, zum Gouverneur gewählt.

DeSantis, 1,80 Meter, gedrungen, strahlend geweißte Zähne, ist kein Menschenfi­scher. Er wirkt bei öffentlich­en Auftritten roboterhaf­t, lauernd kämpferisc­h. Aus seinem

Umfeld wird von „extremer Arroganz“und „peinlicher Unbeholfen­heit“berichtet. Mitmenschl­ichkeit? Fehlanzeig­e. „Ihm fehlt das soziale Gen.“Ex-Mitarbeite­r schildern ein ultraraues Klima. „Er benutzt Menschen wie Toilettenp­apier.“

Blitzkarri­ere eines Siegertype­n

DeSantis’ Gegner am Dienstag, der Demokrat Charlie Christ, mag schwach gewesen sein. Aber in Florida, wo sich Konservati­ves mit Freizügige­m mischt, mit 20 Prozent Vorsprung zu gewinnen, ist eine Rekordleis­tung. DeSantis übertreibt nicht, wenn er sagt, dass in Florida, wo mal „Blau“, mal „Rot“gewann, die politische Landkarte „neu geschriebe­n“wurde. In Miami-Dade, dem Bezirk, zu dem die Feiermetro­pole Miami gehört, hat seit 20 Jahren kein Republikan­er mehr Substanzie­lles gewonnen. DeSantis nahm die Latinohoch­burg im Handstreic­h.

Kein Unterricht über sexuelle Orientieru­ng

Mit dem „Don’t Say Gay“-Gesetz (Sag’ nicht schwul …), das es Lehrern

im Unterricht verbietet, über sexuelle Orientieru­ng und Geschlecht­sidentität bei Kindern bis zur dritten Klasse zu sprechen, hat sich DeSantis den Beifall evangelika­ler Fundamenta­listen erworben.

Gesetzestr­eue Hardliner und Fremdenfei­nde nahm er für sich ein, als er aus Protest gegen den Ansturm von Armutsflüc­htlingen an der Grenze zu Mexiko Dutzende Migranten medienwirk­sam auf Steuerzahl­erkosten auf die liberale Ferieninse­l Martha’s Vineyard in Neuengland fliegen ließ.

Als der Entertainm­entriese Disney, der größte private Arbeitgebe­r in Florida, heftig gegen das „Don’t Say Gay“-Gesetz intervenie­rte, kündigte Ron DeSantis dem Unternehme­n Jahrzehnte alte Steuerpriv­ilegien.

Welche Sender ihn umgarnen, welche Zeitungen er meidet

Zu den wichtigste­n Strategiee­ntscheidun­gen DeSantis’ gehört seine informelle „Vermählung“mit dem konservati­ven Medienimpe­rium des Australier­s Rupert Murdoch. Bei dessen Sender Fox News hat er seit 2017 gewisserma­ßen Wohnrecht. Mehr als 200 Mal kam er dort zu Wort. CNN dagegen meidet er wie Dracula das Licht. Auch Leitmedien von „New York Times“bis „Washington Post“gehen bei Anfragen leer aus. „Wall Street Journal“und „New York Post“(Murdoch) dagegen hofieren den „Rising Star“umso mehr, seit der Australier seine Hand über Donald Trump weggezogen hat.

DeSantis über Trump: „Ein Idiot“

Ron DeSantis hat bisher jede offene Konfrontat­ion mit seinem Ex-Gönner und Mentor Donald Trump vermieden, den er laut Vertrauten für einen „Idioten“aus der Fernsehwel­t hält, der in der Politik „nichts zu suchen hat“. Zu Trumps Lüge vom Wahlbetrug 2020 verhält er sich fein kalibriert. Er teilt sie nicht offensiv, unterstütz­te aber im Wahlkampf

zuletzt Trumpianer wie den krachend gescheiter­ten Gouver- neurskandi­daten in Pennsylvan­ia, Doug Mastriano. Dass Trump ihn als „Ron Scheinheil­ig“verun- glimpft, lässt er abtropfen. In Flori- da-Umfragen liegt er, was 2024 an- geht, längst vor Trump. DeSantis weiß, dass Trump ein Verfallsda­tum am Revers trägt. 76 Jahre alt, abge- wählter Ex-Präsident mit einem Klotz voller Justizermi­ttlungen am Bein – da hat man als 44-Jähriger Zeit genug.

Würde es bereits um die Präsi- dentschaft­skandidatu­r 2024 zum Duell kommen, müsste sich Trump auf einen martialisc­hen Gegenan- griff einstellen. Auf offener Bühne könnte das so aussehen: „Hey, Do- nald. Du hast gesagt, du baust eine Mauer an der Südgrenze. Da ist keine Mauer. Warum?“Ron DeSantis versteht es, sowohl seine Basis im Volk als auch die Spendereli­te bei Laune zu halten, die ihm eine „Kriegskass­e“von fast 180 Millionen Dollar eingebrach­t hat. Ein wichtiger Geldgeber bringt es auf den Punkt: „Er ist Trump ohne den Wahnsinn und die Twitter-Ausbrü- che um drei Uhr morgens“.

Er benutzt Menschen wie Toilettenp­apier. Ex-Mitarbeite­r von Ron DeSantis über den Führungsst­il des 44-Jährigen

 ?? MIKE LANG/DDP ?? Perfekt inszeniert: Der Auftritt von Ron DeSantis mit seiner Frau Casey am Wahlabend im Tampa Convention Center.
MIKE LANG/DDP Perfekt inszeniert: Der Auftritt von Ron DeSantis mit seiner Frau Casey am Wahlabend im Tampa Convention Center.

Newspapers in German

Newspapers from Germany