Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
26 Mann für den fünften Stern
Bundestrainer Flick benennt einen WM-Kader ohne ganz große Überraschungen. Reus und Hummels fehlen
Frankfurt/M. Hansi Flick machte sich erst bei der witzigen Video-Botschaft seines Vorgängers locker. Als Joachim Löw arg verwackelt im alten Trainingsanzug von Helmut Schön das Allerbeste für das WMAbenteuer wünschte, lachte der Bundestrainer seine Anspannung einfach weg. Seine 26 Mann für den fünften Stern hatte er mit einem angenehm unspektakulären Filmchen präsentiert – ohne klebrige Slogans oder übertriebenes Bohei, aber mit einigen Knalleffekten.
Beim Namen Mario Götze beispielsweise ging ein kurzes Raunen durch den Saal auf dem Frankfurter DFB-Campus, der Held von 2014 nimmt einen neuen Anlauf auf den
WM-Pokal. Mit Youssoufa Moukoko (Dortmund, 17) und Niclas Füllkrug (Bremen, 29) hingegen war nach den jüngsten Ausfällen im Sturm zu rechnen gewesen. Die größte Überraschung: Armel Bella Kotchap darf mit, der junge Innenverteidiger vom FC Southampton.
„Wir haben alle Optionen und Wenn-dann-Strategien intensiv durchgespielt“, berichtete Flick. „Wer kann der Mannschaft helfen? Wer kann für die eine oder andere Situation der Matchwinner werden? Wir sind sehr, sehr froh, dass wir so eine Qualität haben.“
Der DFB-Tross fliegt mit einem Kader zur Wüsten-WM in Katar (ab 20. November), der mutig und ausgewogen komponiert ist, der die Zukunft vor die Vergangenheit stellt.
Mit der Ausnahme Mario Götze: Der Siegtorschütze des WM-Finals 2014 ist nach fünf Jahren Abstinenz in Flicks 26er-Spiel der Joker. „Mario freut sich total, dass er dabei ist“, berichtete Flick über das Telefonat mit dem seit Monaten herausragenden Spielmacher von Eintracht Frankfurt. „Er ist ein genialer Fußballer, der Gedankenblitze hat, der alles sehr intuitiv macht.“
Moukoko wird jüngster deutscher WM-Teilnehmer
Moukoko schreibt derweil Geschichte: Der Dortmunder, der am Tag des Eröffnungsspiels seinen 18. Geburtstag feiert, wird zum jüngsten deutschen WM-Teilnehmer. „Ich kann es einfach nicht glauben – letztes Jahr um diese Zeit war ich gefühlt noch weg vom Fenster. Ich bin unfassbar glücklich und überwältigt“, schrieb er bei Instagram.
Flick verteidigte allerdings auch mehrere schwierige Entscheidungen. So wurde Mats Hummels („eine der größeren Enttäuschungen meiner Karriere“) nicht berufen: Zukunft schlägt Vergangenheit. Marco Reus wird nach seiner Verletzung ebenso wenig fit wie Florian Wirtz. Es fehlen auch Robin Gosens und Benjamin Henrichs.
„Für die, die nicht dabei sind, ist es natürlich nicht so toll“, sagte Flick recht nüchtern. Allerdings seien Ausfälle wie jene von Reus oder Timo Werner besonders schmerzhaft. „Jeder weiß, wie sehr ich Marco schätze“, betonte Flick, und er verzog ein wenig das Gesicht. „Er hat alles probiert. Aber wir mussten entscheiden, ob wir das Risiko eingehen – wir haben uns dagegen entschieden. Das tut einfach weh.“
Auf ganz andere Weise bedrückend sind für den Bundestrainer die jüngsten Aussagen eines WMBotschafters zum Thema Homosexualität. „Was von Katar-Seite passiert ist, macht uns fassungslos“, betonte Flick, der sich auch während des Turniers positionieren will: „Wir wollen uns auf den Sport konzentrieren, aber auch ansprechen, was die Menschenrechtssituation ist.“
Am Montag reist das DFB-Team in den Oman, wo am Mittwoch noch ein Testspiel gegen den dortigen Gastgeber stattfindet. Einen Tag später geht es weiter nach Katar ins WM-Quartier.