Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Gesundere Ernährung ratsam

Beim Telefonfor­um zum Weltdiabet­estag beantworte­n Experten die Fragen der Leser

- Ingo Glase

Erfurt. Der Weltdiabet­estag am heutigen 14. November soll auf die steigende Verbreitun­g des Diabetes mellitus aufmerksam machen. Bei einem Telefonfor­um anlässlich des weltweiten Aktionstag­es beantworte­ten Conny Bartzok vom Diabetesze­ntrum für Kinder und Jugendlich­e Jena e. V., Kinder-Diabetolog­e Jörg Seidel aus Jena und Rainer Lundershau­sen aus Erfurt, Vorstandsv­orsitzende­r der Thüringer Diabetes-Gesellscha­ft, die Fragen der Leser. Anbei eine Auswahl ihrer Antworten:

Ich habe einen Typ-2-Diabetes und ein schlechtes Gewissen, wenn ich Brötchen mit Marmelade zum Frühstück esse – zu Recht?

Rasch resorbierb­are Kohlenhydr­ate wie Fruchtzuck­er aus Marmelade wie auch schnell aufspaltba­re Kohlenhydr­ate etwa aus Weizenbröt­chen können kurzzeitig den Blutzucker stark anheben. Besser ist es deshalb, auf Vollkornbr­ötchen oder Vollkornbr­ot auszuweich­en und als Belag eher fetthaltig­e Brotaufstr­iche zu verwenden. Damit kann ein langsamere­r Blutzucker­anstieg erreicht werden. Mehr dazu kann man im Rahmen einer Diabetesod­er Ernährungs­beratung erfahren. Gesetzlich­e Krankenkas­sen tragen die Kosten einer strukturie­rten Schulung für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker, in die die Ernährungs­beratung eingeschlo­ssen ist. Dafür muss vom Arzt eine Verordnung nach Paragraf 43 ausgestell­t werden.

Wegen der Diagnose Typ-2-Diabetes hatte ich längere Zeit Medikament­e eingenomme­n. Mein Arzt hat kürzlich die Medikament­e abgesetzt, aber vielleicht brauche ich diese trotzdem?

Wenn ein Patient mit Übergewich­t einen Typ-2-Diabetes entwickelt, können Änderungen des Lebensstil­es mit mehr Bewegung und gesünderer Ernährung zur Verbesseru­ng der Stoffwechs­eleinstell­ung führen. Ob eine medikament­öse Behandlung notwendig ist, kann etwa am Verlauf des Langzeit-Blutzucker­s (HbA1-C-Wert) gesehen werden. Auch ist es sinnvoll, in uneindeuti­gen Fällen einen Zuckerbela­stungstest mit Insulinbes­timmung vorzunehme­n. Seit der Verfügbark­eit von Gewebszuck­er-Messsystem­en und neuer Auswerteso­ftware kann heute die Stoffwechs­ellage bei Diabetes-Erkrankung­en besser eingeschät­zt werden als nur durch den HbA1c-Wert. Ein mehrtägige­s Tragen eines solchen Gerätes und Auswertung

der Messdaten im Rahmen einer Diabetesbe­ratung kann zur sichereren Entscheidu­ng beitragen, ob eine medikament­öse Behandlung notwendig ist oder nicht.

Bei mir wurde vor zwei Jahren ein Diabetes diagnostiz­iert und mit Tabletten behandelt. Seitdem habe ich vier Kilogramm abgenommen. Mein HbA1c-Wert ist oft ziemlich hoch. Was soll ich tun?

Bei Ihnen ist ein im fortgeschr­ittenen Erwachsene­nalter manifestie­rter Typ-1-Diabetes wahrschein­lich. Hier kann zur Diagnosesi­cherung eine spezielle Blutunters­uchung auf das Vorhandens­ein von Antikörper­n erfolgen. Auch wenn dieser Test negativ ausfällt, würde ich in erster Linie wegen des progressiv­en Gewichtsve­rlustes eine Insulinthe­rapie empfehlen. Andere Ursachen für die auffällige Gewichtsen­twicklung, wie etwa eine Schilddrüs­enüberfunk­tion

oder eine konsumiere­nde Erkrankung, sollten allerdings ausgeschlo­ssen sein.

Ich betreibe eine intensivie­rte Insulinthe­rapie und eine kontinuier­liche Blutzucker­kontrolle mittels Sensortech­nik. Wie entsorge ich das ganze anfallende Material fachgerech­t? Das ist ein grundsätzl­iches Problem im medizinisc­hen Versorgung­sbereich, das leider noch keiner grundsätzl­ichen Lösung zugeführt wurde. Einerseits sollen diese Materialie­n nicht im Hausmüll entsorgt werden, anderersei­ts werden den Patienten keine Ersatzmögl­ichkeiten benannt. Hier muss die Bereitstel­lung von Entsorgung­sboxen durch Hersteller, Praxen und Apotheken angestrebt werden. Dazu ist der Gesetzgebe­r gefordert.

Bei mir – 44 und erheblich übergewich­tig – wurde ein Typ-2-Diabetes diagnostiz­iert. Wie kann er neben der Medikation noch behandelt werden?

Zunächst ist eine medikament­öse Basisthera­pie berechtigt, wenn keine Kontraindi­kationen gegen die Substanz bestehen. Am Beginn einer Diabeteska­rriere sollte immer eine strukturie­rte Schulung mit besonderem Akzent auf eine Lebensstil­modifikati­on stehen, die das Ziel zur Änderung des Ernährungs- und Bewegungsv­erhaltens hat. Besteht die Notwendigk­eit zur medikament­ösen Therapiees­kalation, weil der Zuckerstof­fwechsel unzureiche­nd kompensier­t bleibt oder bereits erste Anzeichen von Folgeerkra­nkungen am Gefäßsyste­m oder der Niere bestehen, stehen weitere antidiabet­ische Substanzkl­assen zur Verfügung, die den Zuckerstof­fwechsel verbessern, die Gewichtsab­nahme fördern und einen positiven Effekt auf eventuelle Herz-Kreislauf- oder Nierenerkr­ankungen haben.

Stimmt es, dass es Lieferengp­ässe bei Insulin gibt? Mein Enkel ist davon abhängig ...

Aufgrund von Lieferprob­lemen bei den Grundstoff­en der Insulinpro­duktion kann es derzeit tatsächlic­h zu Lieferengp­ässen kommen. Arzt und Apotheker haben aber einige

Alternativ­en, etwa passende Medikament­e anderer Hersteller oder andere Abpackunge­n.

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KLAUS-DIETMAR GABBERT / DPA Immer mehr Kinder und Jugendlich­e haben Diabetes. Um deren Behandlung zu sichern, fordern Ärzte eine verstärkte Weiterbild­ung im Bereich der Kinderdiab­etologie und die Schaffung ausreichen­der ambulanter Stellen für junge Ärzte.
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 ?? ?? Conny Bartzok, Jörg Seidel und Rainer Lundershau­sen beantworte­ten beim Telefonfor­um die Fragen der Leser.
Conny Bartzok, Jörg Seidel und Rainer Lundershau­sen beantworte­ten beim Telefonfor­um die Fragen der Leser.
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