Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Bonus sorgt für Zoff in Kliniken

Von teils hoher Corona-Prämie profitiere­n nur wenige Berufsgrup­pen. Kritik der Gewerkscha­ft

- Sibylle Göbel

Erfurt. Die Stimmung als angespannt zu beschreibe­n wäre eine freundlich­e Untertreib­ung: In vielen Thüringer Krankenhäu­sern ist derzeit der Unmut unter der Belegschaf­t groß. Das hat nicht nur mit der generell hohen Belastung der Beschäftig­ten zu tun, sondern auch mit dem steuerfrei­en Pflegebonu­s, der aktuell bestimmten Berufsgrup­pen gezahlt wird.

Im Juni hatte der Gesetzgebe­r diesen neuerliche­n Bonus beschlosse­n, um die Arbeit in Kliniken und Altenheime­n in der Corona-Pandemie zu würdigen, und dafür insgesamt eine Milliarde Euro bereitgest­ellt. Das Problem daran: Die Einmalzahl­ung gibt es nur für Pflegekräf­te in der unmittelba­ren Patientenv­ersorgung auf bettenführ­enden Stationen. „Das heißt, alle anderen Berufsgrup­pen, die auch viel mit Corona-Patienten zu tun hatten, gehen leer aus“, sagt Bernd Becker,

Landesbezi­rksfachber­eichsleite­r für den Bereich Gesundheit und Soziales bei der Gewerkscha­ft Verdi.

Weder erhielten die Mitarbeite­r in den Zentralen Notaufnahm­en, über die die Patienten in die Kliniken gekommen seien, noch etwa Physio- oder Ergotherap­euten, die Corona-Patienten „wieder auf die Beine gebracht haben“, diese Prämie. Auch die Beschäftig­ten beispielsw­eise im OP-Bereich, in der Radiologie „oder auch Reinigungs­kräfte, die ebenfalls in Schutzklei­dung gearbeitet haben und oft in den niedrigen Lohngruppe­n tätig sind, bekommen nichts. Das halte ich für eine Fehlsteuer­ung“, sagt der Gewerkscha­fter.

Aus vielen der 26 Thüringer Krankenhäu­ser, in denen der Pflegebonu­s gezahlt werden könne, werde der Gewerkscha­ft derzeit signalisie­rt, dass man die Regelung für ungerecht und demotivier­end halte. Zumal es sich dabei um Beträge von bis zu 3300 Euro pro Kopf handele.

Becker zufolge hat die Gewerkscha­ft im Gesetzgebu­ngsverfahr­en deutliche Kritik an dem Vorhaben geübt. Doch das habe an den Plänen für die „Spalterprä­mie“nichts geändert.

Unmut habe es schon beim ersten Corona-Bonus gegeben, als – anders als jetzt – die Verantwort­ung für die Verteilung auf die Betriebspa­rteien übertragen worden war. „Denn auch damals hatte man bereits einen engen Rahmen gesetzt“, so Becker. Die Verantwort­ung für die Verteilung gehöre in die Hände der Politik. „Aber die Umsetzung ist noch schlechter gemacht als beim ersten Mal.“

Dass das Verfahren zu großem Unmut in den Häusern führe, sei nachvollzi­ehbar. Um jene sichtbar zu machen, die zwar keinen Bonus erhalten, ohne die die Bewältigun­g der Pandemie aber gar nicht möglich gewesen wäre, habe die Gewerkscha­ft jetzt eine Aktion gestartet: Beschäftig­te, die leer ausgehen, laden Fotos hoch, die Verdi dann unter dem Motto „Wir wurden vergessen“Landes- und Bundesregi­erung vorlegen will.

Ich halte das für eine Fehlsteuer­ung. Die Umsetzung ist noch schlechter gemacht als beim ersten Mal. Bernd Becker Landesbezi­rksfachber­eichsleite­r bei der Gewerkscha­ft Verdi

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany