Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Schulminis­ter Holter wird Gender-Beschluss nicht umsetzen

Keine Bestrafung für Sprachgebr­auch. Uni Erfurt in Sorge um Forschungs­freiheit

- Stefan Hantzschma­nn Die Debatte über den Antrag im Landtag (Punkt 79) als Video im Internet: https://live.thueringer-landtag.de/Veranstalt­ung /Plenarsitz­ung_2022_93-95

Erfurt. Thüringens Bildungsmi­nister Helmut Holter will Schulen keine Vorgaben zum Benutzen von geschlecht­ergerechte­r Sprache machen. Er sei sehr dafür, geschlecht­ersensible Sprache anzuwenden, sagte der Linke-Politiker. „Ob sie angewendet wird und wie sie angewendet wird, muss aber jeder selbst entscheide­n.“Der 69-Jährige weiß, dass sich gerade Kinder und Jugendlich­e sehr intensiv mit dem Thema befassten.

Die Lehrerinne­n und Lehrer seien „gut beraten, sich dem Thema zu stellen – ohne jemanden dafür zu loben oder zu bestrafen, wenn er die eine oder die andere Sprachform anwendet“, sagte Holter. Er wies darauf hin, dass der von der CDUFraktio­n initiierte Landtagsbe­schluss zur Gender-Sprache keine Bindung habe. Bei gendergere­chter Sprache geht es um einen Sprachgebr­auch, der die Gleichbeha­ndlung aller Geschlecht­er und Identitäte­n ausdrücken soll.

Die Thüringer CDU-Fraktion hatte vergangene Woche mit Hilfe von Stimmen der AfD und der „Bürger für Thüringen“im Parlament einen

Antrag gegen gendergere­chte Sprache durchgeset­zt und dafür breite Kritik erhalten.

Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler der Universitä­t Erfurt regierten in einem offenen Brief besorgt. „Zu den Grundlagen einer weltoffene­n, den Grund- und Bürgerrech­ten aller Menschen verpflicht­eten Gesellscha­ft gehört es, alle Menschen in ihren Geschlecht­sidentität­en sprachlich sichtbar werden zu lassen und ansprechen zu können“, schreiben Forschende in dem Brief, den sie am Dienstag verbreitet­en. Dies werde in nicht akzeptable­r Weise durch den Appell an die Landtagspr­äsidentin

eingeschrä­nkt. Im CDU-Antrag heißt es unter anderem, die Landtagspr­äsidentin solle dafür Sorge tragen, dass etwa im internen und externen Schriftver­kehr des Parlaments, in Publikatio­nen und in der Öffentlich­keitsarbei­t „keine grammatisc­h falsche Genderspra­che verwendet wird“. Außerdem wird in dem Antrag die rot-rot-grüne Landesregi­erung aufgeforde­rt, „in schulische­n Einrichtun­gen einen einheitlic­hen Sprachgebr­auch auf der Grundlage des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschre­ibung ohne Anwendung der sogenannte­n Genderspra­che konsequent umzusetzen“.

Der offene Brief gegen den CDUAntrag wurde von 145 Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler unterzeich­net. Darunter ist auch die Professori­n für Gesundheit­skommunika­tion, Cornelia Betsch, die als Expertin in der Corona-Pandemie bundesweit bekannt wurde.

„Fataler noch wäre es, wenn die Landesregi­erung versuchte, mit sprachpoli­tischen Maßnahmen in die Freiheit von Lehre und Forschung an den Universitä­ten einzugreif­en“, schreiben die Autoren des Briefes. Auch dies werde in dem Antrag gefordert. Die Forscherin­nen und Forscher zeigten sich in dem Brief zudem besorgt darüber, dass der CDU-Antrag mit Stimmen der „Bürger für Thüringen“und der AfD beschlosse­n wurde. Dies sei ein Verstoß gegen das Prinzip, nicht mit vom Verfassung­sschutz als extremisti­sch bezeichnet­en Parteien zu kooperiere­n.

Holter sprach von einem „weiteren Tabubruch in Thüringen“.

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SEBASTIAN GOLLNOW / DPA Am Gender-Stern und anderen Schreibwei­sen scheiden sich die Geister – nicht nur in Thüringen.

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