Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Schulminister Holter wird Gender-Beschluss nicht umsetzen
Keine Bestrafung für Sprachgebrauch. Uni Erfurt in Sorge um Forschungsfreiheit
Erfurt. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter will Schulen keine Vorgaben zum Benutzen von geschlechtergerechter Sprache machen. Er sei sehr dafür, geschlechtersensible Sprache anzuwenden, sagte der Linke-Politiker. „Ob sie angewendet wird und wie sie angewendet wird, muss aber jeder selbst entscheiden.“Der 69-Jährige weiß, dass sich gerade Kinder und Jugendliche sehr intensiv mit dem Thema befassten.
Die Lehrerinnen und Lehrer seien „gut beraten, sich dem Thema zu stellen – ohne jemanden dafür zu loben oder zu bestrafen, wenn er die eine oder die andere Sprachform anwendet“, sagte Holter. Er wies darauf hin, dass der von der CDUFraktion initiierte Landtagsbeschluss zur Gender-Sprache keine Bindung habe. Bei gendergerechter Sprache geht es um einen Sprachgebrauch, der die Gleichbehandlung aller Geschlechter und Identitäten ausdrücken soll.
Die Thüringer CDU-Fraktion hatte vergangene Woche mit Hilfe von Stimmen der AfD und der „Bürger für Thüringen“im Parlament einen
Antrag gegen gendergerechte Sprache durchgesetzt und dafür breite Kritik erhalten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Erfurt regierten in einem offenen Brief besorgt. „Zu den Grundlagen einer weltoffenen, den Grund- und Bürgerrechten aller Menschen verpflichteten Gesellschaft gehört es, alle Menschen in ihren Geschlechtsidentitäten sprachlich sichtbar werden zu lassen und ansprechen zu können“, schreiben Forschende in dem Brief, den sie am Dienstag verbreiteten. Dies werde in nicht akzeptabler Weise durch den Appell an die Landtagspräsidentin
eingeschränkt. Im CDU-Antrag heißt es unter anderem, die Landtagspräsidentin solle dafür Sorge tragen, dass etwa im internen und externen Schriftverkehr des Parlaments, in Publikationen und in der Öffentlichkeitsarbeit „keine grammatisch falsche Gendersprache verwendet wird“. Außerdem wird in dem Antrag die rot-rot-grüne Landesregierung aufgefordert, „in schulischen Einrichtungen einen einheitlichen Sprachgebrauch auf der Grundlage des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung ohne Anwendung der sogenannten Gendersprache konsequent umzusetzen“.
Der offene Brief gegen den CDUAntrag wurde von 145 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterzeichnet. Darunter ist auch die Professorin für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch, die als Expertin in der Corona-Pandemie bundesweit bekannt wurde.
„Fataler noch wäre es, wenn die Landesregierung versuchte, mit sprachpolitischen Maßnahmen in die Freiheit von Lehre und Forschung an den Universitäten einzugreifen“, schreiben die Autoren des Briefes. Auch dies werde in dem Antrag gefordert. Die Forscherinnen und Forscher zeigten sich in dem Brief zudem besorgt darüber, dass der CDU-Antrag mit Stimmen der „Bürger für Thüringen“und der AfD beschlossen wurde. Dies sei ein Verstoß gegen das Prinzip, nicht mit vom Verfassungsschutz als extremistisch bezeichneten Parteien zu kooperieren.
Holter sprach von einem „weiteren Tabubruch in Thüringen“.