Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Rente beziehen und Vollzeit arbeiten

Die Kombinatio­n aus vorzeitige­m Ruhestand und normaler Beschäftig­ung kann besonders lukrativ sein

- Wolfgang Mulke

Viele Arbeitsplä­tze sind anscheinen­d wenig attraktiv oder verschleiß­en die Beschäftig­ten frühzeitig. Das könnte eine Erklärung für den Trend zur Frühverren­tung sein. Ein Viertel der Neurentner­innen und Neurentner ist nach Zahlen der Deutschen Rentenvers­icherung im vergangene­n Jahr in den Ruhestand gegangen, bevor die Altersgren­ze erreicht wurde. Dafür nahmen sie deutlich weniger Rente in Kauf.

Andere Arbeitnehm­er halten dagegen durch, weil sie auf das Einkommen und die volle Höhe der späteren Rente angewiesen sind. Doch es gibt Gestaltung­smöglichke­iten für den Übergang ins Rentenalte­r.

Die Bundesregi­erung will mit der Abschaffun­g der Zuverdiens­tgrenze bei einem vorzeitige­n Ruhestand den Übergang vom Arbeits- ins Rentenlebe­n flexibilis­ieren. Das schafft in der Praxis den Raum für eine neue Strategie: Rente kassieren – und trotzdem weiter Vollzeit arbeiten.

Frührente: So stark sinkt der Rentenansp­ruch

So können Versichert­e zum frühestmög­lichen Zeitpunkt in Rente gehen. Das ist der Fall, wenn sie 35 Jahre lang Pflichtbei­träge entrichtet haben und mindestens 63 Jahre alt sind. Dann müssten sie eigentlich bis zu 14,4 Prozent Abschläge auf ihre Rente hinnehmen. Doch wenn sie die Abschläge durch freiwillig­e Beiträge ausgleiche­n, entfällt dieser Malus.

In diesem Fall arbeiten sie ganz normal in ihrem Beruf weiter, bekommen aber schon Rente. Das muss dem Arbeitgebe­r nicht einmal gemeldet werden. Denn der Betrieb überweist ja weiterhin die regulären Rentenbeit­räge für den Lohn oder das Gehalt. Damit steigt auch die Rente weiter an, die nach dem Erreichen der Regelalter­sgrenze gezahlt wird.

In der Zwischenze­it erhalten die „Teilrentne­r“monatlich neben ihrem Arbeitsent­gelt schon mal eine Rente und bekommen später auch noch mehr heraus.

Wie lukrativ diese Strategie in Euro und Cent ist, hängt vom Einzelfall ab. Möglich ist dieser Weg auch ohne freiwillig­e Ausgleichs­zahlungen. Ob es dann auch ein finanziell­er Vorteil ist, hängt von der Lebensdaue­r ab. Stirbt jemand vergleichs­weise früh, fährt er mit dieser Strategie besser, bei einer langen Lebensdaue­r schlechter.

Ein Problem für die älteren Beschäftig­ten sind die hohen Abschläge bei der Frührente. Für jeden Monat vor der Regelalter­sgrenze zieht die Rentenvers­icherung 0,3 Prozent von der Rente ab. Wer also drei Jahre früher aufhören will, bekommt 10,8 Prozent weniger heraus. Aus einem Rentenansp­ruch von 1200 Euro wird einer von 1070 Euro.

Abschläge lassen sich durch Beitragsza­hlungen ausgleiche­n

Schon länger gibt es allerdings die Möglichkei­t, die Abschläge durch freiwillig­e Beitragsza­hlungen auszugleic­hen. Das ist ab einem Alter von 50 Jahren möglich, sodass die vergleichs­weise hohe Zahlung auch scheibchen­weise eingezahlt werden kann.

Die Regelung ist nicht nur für jene Beschäftig­ten geeignet, die tatsächlic­h früher in Rente gehen wollen. Sie ist auch für jene attraktiv, die bis zur Regelalter­sgrenze von – je nach Jahrgang – bis zu 67 Jahren im Berufslebe­n bleiben wollen. Für sie erhöht sich der Anspruch durch die freiwillig­e Beitragsza­hlung. Aus 1200 Euro werden im Beispielfa­ll rund 1330 Euro.

Dafür müssten die Betreffend­en aktuell laut der Rentenvers­icherung 29.200 Euro extra bezahlen. Wie teuer der Ausgleich von Abschlägen tatsächlic­h ist, errechnet die Rentenvers­icherung individuel­l auf Antrag. Das entspreche­nde Formular kann unter der Webadresse www.deutsche-rentenvers­icherung.de/SharedDocs/Formulare/

DE/_pdf/V0210.html herunterge­laden werden.

Die Höhe der Sondereinz­ahlungen entpuppt sich bei genauer Berechnung als gar nicht mehr so hoch. Denn die Beitragsza­hlung kann von der Steuer abgesetzt werden. Angenommen, ein Versichert­er verteilt die Gesamtsumm­e auf drei Jahre und überweist in diesem Jahr freiwillig­e Beiträge in Höhe von 10.000 Euro an die Rentenkass­e. Dann spart er oder sie je nach individuel­lem Tarif zwischen 1316 Euro und 3948 Euro bei der Einkommens­teuer.

Für die Altersvors­orge gilt in diesem Jahr der Höchstbetr­ag von 25.639 Euro. Davon geht noch die reguläre Aufwendung für die Rentenbeit­räge ab. Und das Finanzamt erkennt 2022 nur 94 Prozent der Sonderzahl­ung steuermind­ernd an. Erst ab 2023 kann der volle Betrag geltend gemacht werden.

Wer freiwillig­e Beiträge leisten will, kann dies im Jahr 2022 besonders günstig tun. Denn der Wert eines für die Rentenbere­chnung maßgeblich­en Entgeltpun­ktes ist aufgrund der schlechten Lohnentwic­klung im Corona-Jahr 2020 besonders günstig. Er beträgt in diesem Jahr 7235,59 Euro. Im kommenden Jahr kostet ein Entgeltpun­kt mit 8063,29 Euro gut 800 Euro mehr.

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ISTOCK Lukrative Kombinatio­n: Der Wegfall der Zuverdiens­tgrenze macht neue Modelle beim Übergang vom Arbeitsleb­en in die Rente möglich.

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