Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Letzte Chance für die Dickhäuter

Artenschut­zkonferenz will gefährdete Wildtiere retten. Es geht um viele Spezies

- Jonas Erlenkämpe­r

Panama-Stadt/Berlin. Gegen 3D-Sonargerät­e und Satelliten­navigation haben die Fische keine Chance. Mit immer raffiniert­eren Fangmethod­en spüren Hochseefis­cher ihre Beute weit draußen auf dem Meer auf, werfen ihre Netze aus, ziehen ganze Schwärme an Bord. Und hinterlass­en leere Wasserwüst­en.

Die Fische, die Schiffe Jahr für Jahr aus den Ozeanen holen, wiegen nach Angaben der Welternähr­ungsorgani­sation zusammen rund 90 Millionen Tonnen. Die Umweltstif­tung WWF warnt eindringli­ch vor „dem bisherigen Höhepunkt der Artenkrise“. Sie betrifft nicht nur Speisefisc­he: Schätzunge­n gehen von 150 Arten aus, die pro Tag für immer von der Erde verschwind­en. Nie waren Fauna und Flora dermaßen bedroht wie heute. Die internatio­nale Gemeinscha­ft will nun gegensteue­rn.

In Panama treffen sich seit dieser Woche Vertreter von 184 Staaten zu einem Mammutkong­ress: Bis zum 25. November diskutiere­n mehr als 2500 Delegierte, Experten und Vertreter von Nichtregie­rungsorgan­isationen während der 19. Weltartens­chutzkonfe­renz – kurz Cites – darüber, wie das weltweite Massenster­ben gestoppt werden kann. Die Teilnehmer haben ehrgeizige Pläne. In Panama sollen 52 Anträge zum besseren Schutz von 600 Wildarten diskutiert werden. Zu Beginn machte die aus Panama stammende Cites-Generalsek­retärin Ivonne Higuero deutlich, dass davon der ganze Planet profitiere­n würde – nicht nur die Länder, in denen die bedrohten Wildarten leben: „Die Vorteile des Artenschut­zes sind global.“

Trophäenjä­ger setzen den Beständen zu

Es geht um große Elefanten mit ihren Stoßzähnen aus Elfenbein und winzige Glasfrösch­e mit durchsicht­igem Bauch, um platte Rochen und Seegurken, die als „Staubsauge­r der Meere“gelten. Allein bei 36 Haiarten ist der Bestand so stark zurückgega­ngen, dass sie laut WWF bedroht sind – Haifischfl­ossen gelten in manchen Ländern als Delikatess­e. Viele Arten dürften im Zuge der Konferenz erstmals unter Schutz gestellt werden. Das Treffen soll eine Trendwende markieren. Doch die Aufgabe erscheint gewaltig.

Viele Wildtiere landen gar nicht in Suppentöpf­en und auf Tellern, sondern fallen Trophäenjä­gern zum Opfer. Der seit Jahren boomende Elfenbeinh­andel bedeutet das Todesurtei­l für etwa 30.000 Elefanten, die pro Jahr von Wilderern in Afrika getötet werden. Dabei spielen die „als Gärtner des Waldes eine zentrale Rolle für den Erhalt der Regenwälde­r“, sagt Arnulf Köhncke, der als Leiter der Abteilung Artenschut­z beim WWF Deutschlan­d regelmäßig in den natürliche­n Lebensraum der Rüsseltier­e reist.

In Panama zeichnet sich bereits nach zwei Tagen ein Streit über den Umgang mit Elefanten ab. Es stehen sich zwei Lager gegenüber: die Länder, die ein totales Handelsver­bot für Elfenbein fordern – und diejenigen, die sich weniger Beschränku­ngen wünschen. „Einige Staaten im Süden von Afrika wollen für den Schutz ihrer Elefanten und deren gestiegene Anzahl belohnt werden, indem sie mit Elefantenp­rodukten handeln können, vor allem natürlich mit Elfenbein,“so Davis Morgan, wissenscha­ftlicher Leiter bei Cites. Ländern wie Namibia und Südafrika geht es darum, Stoßzähne von natürlich verendeten Tieren verkaufen zu dürfen. Der Gewinn soll dann in den Artenschut­z fließen. Nur: Naturschut­zorganisat­ionen

wie Pro Wildlife warnen vor einem „Deckmantel für den illegalen Handel“, weil es schwer zu kontrollie­ren sei, woher Elfenbein tatsächlic­h stamme. „Der Elfenbeinh­andel ist fest in der Hand global organisier­ter kriminelle­r Netzwerke“, so Daniela Freyer von Pro Wildlife. Boko Haram im Norden Nigerias und andere Terrorgrup­pen sollen sich darüber finanziere­n.

Die Weltmeere sind überfischt

Seit 1970 sind die Bestände von Säugetiere­n, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien nach Angaben des WWF um durchschni­ttlich 69 Prozent zurückgega­ngen. Wie angespannt die Situation ist, wird mitunter erst auf den zweiten Blick klar. So ist die Menge der gefangenen Meeresfisc­he in den letzten vier Jahrzehnte­n zwar relativ stabil geblieben. Experten werten das aber als Indiz für die weltweite Überfischu­ng. Denn mit ihrer Spezialtec­hnik müssten moderne Fischer eigentlich mehr Fische fangen als je zuvor. Die Fachleute fordern daher anders geformte Haken und Fluchtfens­ter in Netzen, um wenigstens zu verhindern, dass Haie oder Delfine als Beifang sinnlos verenden.

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PICTURE ALLIANCE / BLICKWINKE­L Der Umgang mit Elefanten – hier vor dem Kilimandsc­haro in Kenia – ist bei dem Kongress ein Streitthem­a.

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