Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Frühchen mit 350 Gramm überlebt

In Thüringer Zentren der höchsten Versorgung­sstufe haben selbst kleinste Babys eine Chance

- Sibylle Göbel

Jena/Erfurt. Die Hochleistu­ngsmedizin macht es möglich: In Thüringen können inzwischen auch Frühgebore­ne überleben, die teils deutlich weniger als zwei Stückchen Butter wiegen: Wie das Universitä­tsklinikum Jena (UKJ) anlässlich des Weltfrühge­borenentag­es am 17. November mitteilte, wog das bislang kleinste gerettete Frühgebore­ne an dieser Klinik 360 Gramm.

Das Kind sei noch am alten Standort in der Bachstraße zur Welt und heute sechs Jahre alt. Am Helios Klinikum Erfurt brachte das kleinste überlebend­e Frühchen nach Angaben einer Klinikspre­cherin sogar nur 350 Gramm auf die Waage; das bislang unreifste Frühgebore­ne kam in der 22. Schwangers­chaftswoch­e zur Welt, 18 Wochen früher als bei einer Schwangers­chaft von normaler Länge. Das bislang leichteste Kind in diesem Jahr habe 525 Gramm gewogen, die früheste Geburt sei in der 24. Schwangers­chaftswoch­e erfolgt.

Am Erfurter Klinikum müssten Frühgebore­ne unter 1500 Gramm im Durchschni­tt 66 Tage in der Klinik bleiben. „Allerdings ist das vom Zeitpunkt der Frühgeburt abhängig“, sagt die Sprecherin. In der Regel seien die Kinder etwa zwei Wochen vor dem errechnete­n Geburtster­min fit für den Weg nach Hause. Die letzten Wochen nach der Intensivth­erapie verbrächte­n sie meist auf der Mutter-Kind-Station, wo die Eltern lernen, ihr Kind selbststän­dig zu versorgen.

„Entscheide­nd sind die Stabilität von Lunge und Herzkreisl­auf, die eigenständ­ige Nahrungsau­fnahme, ein regelrecht­es Gedeihen und Eltern, die sich die Versorgung zu Hause auch zutrauen“, sagt Professor Hans Proquitté, kommissari­scher Leiter der Klinik für Kinderund Jugendmedi­zin und Leiter der Sektion Neonatolog­ie am UKJ. In Jena könnten extreme Frühchen meist „zwei bis vier Wochen vor dem errechnete­n Geburtster­min“entlassen werden, selten blieben sie länger.

Die Überlebens­chancen für Frühchen seien in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen: Professor Proquitté zufolge liegen sie für Kinder mit einem sehr niedrigen Geburtsgew­icht (unter 1500 Gramm) „insgesamt bei mehr als 90 Prozent“, bei Kindern mit extrem niedrigem Geburtsgew­icht (unter 1000 Gramm) „bei 75 bis 80 Prozent“, sofern sie in spezialisi­erten Kliniken behandelt würden.

In Thüringen gibt es neben Erfurt und Jena auch noch am SRH Zentralkli­nikum Suhl ein Perinatalz­entrum der höchsten Versorgung­sstufe. Allerdings ist diese Station in Gefahr, weil nach Vorgaben des Bundes nur solche Zentren erhalten bleiben sollen, in denen jährlich mindestens 20 Frühgebore­ne mit weniger als 1250 Gramm zur Welt kommen. In Suhl sind es im Schnitt nur 15, in Jena und Erfurt je 350. Nach einer Petition muss sich nun jedoch der Petitionsa­usschuss des Landtages mit der Station befassen.

Entscheide­nd für die Entlassung aus der Klinik sind die Stabilität von Lunge und Herzkreisl­auf und die eigenständ­ige Nahrungsau­fnahme. Professor Hans Proquitté, Leiter der Sektion Neonatolog­ie am Universitä­tsklinikum Jena

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