Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Debatte ums Minderheitenrecht
Im Untersuchungsausschuss „Politische Gewalt“gibt es Streit um die Gesetzesauslegung
Erfurt. Wird der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen (CDU), doch noch vor den Untersuchungsausschuss „Politisch motivierte Gewaltkriminalität“im Thüringer Landtag geladen? Seit einigen Tagen besteht diese Möglichkeit theoretisch erneut, obwohl ein von der AfD gestellter Antrag in diesem nichtöffentlich tagenden Gremium bereits abgelehnt wurde.
Hintergrund ist ein Streit um die Auslegung des Paragrafen 13 des Untersuchungsausschussgesetzes (UAG). Darin wird geregelt, dass Beweise zu erheben sind, „wenn sie ein Fünftel der Ausschussmitglieder für erforderlich“halte. Darauf hatte sich die AfD bei ihrem Antrag, Maaßen zu vernehmen, bezogen. Da sie selbst drei der elf Mitglieder des Gremiums stellt war nach Lesart der AfD das Quorum erreicht.
Der Antrag wurde dennoch verworfen, weil der Ausschussvorsitzende Raymond Walk (CDU) darüber abstimmen ließ – und mehr als die Hälfte der Ausschussmitglieder den Beweisantrag ablehnten. Für die AfD blieb der Weg zur im UAG benannten Kommission, die aus „den beiden dienstältesten Vorsitzenden Richtern der Strafsenate bei dem Thüringer Oberlandesgericht und dem dienstältesten Vorsitzenden Richter des Thüringer Oberverwaltungsgerichts besteht“.
Die Antwort: Die Richter ließen ausrichten, dass sie überlastet seien und deshalb die Kommission nicht gebildet werden könne. Deren Auftrag wäre es per Gesetz gewesen, gutachterlich die Streitfrage zu entscheiden.
Erst nach einem anwaltlichen Schreiben der AfD an den Untersuchungsausschuss erfolgte in den vergangenen Wochen eine Klärung – der Ausschuss gab sich eine Verfahrensweise für seine zukünftige Arbeit. Demnach soll über Minderheitenanträge
nicht mehr abgestimmt werden. Sie gelten als angenommen, wenn sie das Quorum erreicht haben.
Ausschussvorsitzender Raymond Walk (CDU) bestätigte den Vorgang auf Anfrage. Ein von ihm angestrebtes Gutachten sei nicht zustande gekommen. Warum es zu den unterschiedlichen Auffassungen über die gesetzliche Formulierung kam? „Offensichtlich gab noch keine Erfahrungen mit einer solchen Situation“, sagte Walk.
Landtagsverwaltung bleibt bei ihrer Auslegung
Auch AfD-Innenpolitiker Ringo Mühlmann bestätigt auf Nachfrage die Debatte. „Wir haben jetzt für den Untersuchungsausschuss eine Regelung gefunden. Dass es dafür eines anwaltlichen Schreibens bedurfte, obwohl das Gesetz völlig eindeutig ist, ist schon absurd“, sagte Mühlmann. Das die im Gesetz zur Klärung in Streitfragen benannte Kommission nicht arbeitsfähig sei, „macht die Sache nicht besser“.
Allerdings: Die Verfahrensweise des Untersuchungsausschusses deckt sich nach wie vor nicht mit der Lesart des Gesetzes, wie sie die Landtagsverwaltung vornimmt.
Eine Sprecherin des Landtages teilte mit: „Wird ein entsprechend qualifizierter Antrag mehrheitlich abgelehnt, kann ein Fünftel der Ausschussmitglieder eine spezielle Kommission zwecks Überprüfung dieser Entscheidung anrufen.“Das ist die Kommission, die der AfD mitgeteilt hat, wegen Überlastung nicht zusammenkommen zu können.
Die Landtagsverwaltung hält es überdies für möglich, dass Abgeordneten in der Sache vorgegeben ist, wie sie zu stimmen haben. „Wird ein Beweisantrag von einem Fünftel der Ausschussmitglieder gestellt und liegen keine Ablehnungsgründe vor, ist eine gebundene Entscheidung vorgegeben“, heißt es.
Das bedeute, „der UA muss den Antrag per Beschluss zumindest mehrheitlich annehmen“. Enthaltungen von Ausschussmitgliedern zählten nicht. „Im Ergebnis genügt es also, wenn nur die Antragsteller für ihren Antrag stimmen und sich die übrigen Ausschussmitglieder enthalten“– heißt aber: Zumindest ein Teil der Abgeordneten könnte nicht frei abstimmen.