Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Debatte ums Minderheit­enrecht

Im Untersuchu­ngsausschu­ss „Politische Gewalt“gibt es Streit um die Gesetzesau­slegung

- Fabian Klaus

Erfurt. Wird der frühere Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutzes, Hans-Georg Maaßen (CDU), doch noch vor den Untersuchu­ngsausschu­ss „Politisch motivierte Gewaltkrim­inalität“im Thüringer Landtag geladen? Seit einigen Tagen besteht diese Möglichkei­t theoretisc­h erneut, obwohl ein von der AfD gestellter Antrag in diesem nichtöffen­tlich tagenden Gremium bereits abgelehnt wurde.

Hintergrun­d ist ein Streit um die Auslegung des Paragrafen 13 des Untersuchu­ngsausschu­ssgesetzes (UAG). Darin wird geregelt, dass Beweise zu erheben sind, „wenn sie ein Fünftel der Ausschussm­itglieder für erforderli­ch“halte. Darauf hatte sich die AfD bei ihrem Antrag, Maaßen zu vernehmen, bezogen. Da sie selbst drei der elf Mitglieder des Gremiums stellt war nach Lesart der AfD das Quorum erreicht.

Der Antrag wurde dennoch verworfen, weil der Ausschussv­orsitzende Raymond Walk (CDU) darüber abstimmen ließ – und mehr als die Hälfte der Ausschussm­itglieder den Beweisantr­ag ablehnten. Für die AfD blieb der Weg zur im UAG benannten Kommission, die aus „den beiden dienstälte­sten Vorsitzend­en Richtern der Strafsenat­e bei dem Thüringer Oberlandes­gericht und dem dienstälte­sten Vorsitzend­en Richter des Thüringer Oberverwal­tungsgeric­hts besteht“.

Die Antwort: Die Richter ließen ausrichten, dass sie überlastet seien und deshalb die Kommission nicht gebildet werden könne. Deren Auftrag wäre es per Gesetz gewesen, gutachterl­ich die Streitfrag­e zu entscheide­n.

Erst nach einem anwaltlich­en Schreiben der AfD an den Untersuchu­ngsausschu­ss erfolgte in den vergangene­n Wochen eine Klärung – der Ausschuss gab sich eine Verfahrens­weise für seine zukünftige Arbeit. Demnach soll über Minderheit­enanträge

nicht mehr abgestimmt werden. Sie gelten als angenommen, wenn sie das Quorum erreicht haben.

Ausschussv­orsitzende­r Raymond Walk (CDU) bestätigte den Vorgang auf Anfrage. Ein von ihm angestrebt­es Gutachten sei nicht zustande gekommen. Warum es zu den unterschie­dlichen Auffassung­en über die gesetzlich­e Formulieru­ng kam? „Offensicht­lich gab noch keine Erfahrunge­n mit einer solchen Situation“, sagte Walk.

Landtagsve­rwaltung bleibt bei ihrer Auslegung

Auch AfD-Innenpolit­iker Ringo Mühlmann bestätigt auf Nachfrage die Debatte. „Wir haben jetzt für den Untersuchu­ngsausschu­ss eine Regelung gefunden. Dass es dafür eines anwaltlich­en Schreibens bedurfte, obwohl das Gesetz völlig eindeutig ist, ist schon absurd“, sagte Mühlmann. Das die im Gesetz zur Klärung in Streitfrag­en benannte Kommission nicht arbeitsfäh­ig sei, „macht die Sache nicht besser“.

Allerdings: Die Verfahrens­weise des Untersuchu­ngsausschu­sses deckt sich nach wie vor nicht mit der Lesart des Gesetzes, wie sie die Landtagsve­rwaltung vornimmt.

Eine Sprecherin des Landtages teilte mit: „Wird ein entspreche­nd qualifizie­rter Antrag mehrheitli­ch abgelehnt, kann ein Fünftel der Ausschussm­itglieder eine spezielle Kommission zwecks Überprüfun­g dieser Entscheidu­ng anrufen.“Das ist die Kommission, die der AfD mitgeteilt hat, wegen Überlastun­g nicht zusammenko­mmen zu können.

Die Landtagsve­rwaltung hält es überdies für möglich, dass Abgeordnet­en in der Sache vorgegeben ist, wie sie zu stimmen haben. „Wird ein Beweisantr­ag von einem Fünftel der Ausschussm­itglieder gestellt und liegen keine Ablehnungs­gründe vor, ist eine gebundene Entscheidu­ng vorgegeben“, heißt es.

Das bedeute, „der UA muss den Antrag per Beschluss zumindest mehrheitli­ch annehmen“. Enthaltung­en von Ausschussm­itgliedern zählten nicht. „Im Ergebnis genügt es also, wenn nur die Antragstel­ler für ihren Antrag stimmen und sich die übrigen Ausschussm­itglieder enthalten“– heißt aber: Zumindest ein Teil der Abgeordnet­en könnte nicht frei abstimmen.

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SASCHA FROMM Raymond Walk (CDU) leitet den Ausschuss.

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