Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Wenn der Nachbar Ruhe verlangt
Zu Rechten und Pflichten beim häuslichen Musizieren gibt Pascal Charles Amann Auskunft
Weimar. „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“So dichtete Wilhelm Busch. Und tatsächlich kann es wegen häuslichen Musizierens Ärger mit Vermieter und Nachbar geben. Antworten gibt Pascal Charles Amann, der Rechtsanwalt ist und als Professor an der Weimarer Musikhochschule Franz Liszt unterrichtet.
Was muss beachtet werden bei der Hausmusik, die ja vor allem abends in Wohnungen stattfindet? Muss um 22 Uhr Schluss sein?
Der Vermieter kann das Musizieren nicht pauschal verbieten. Eine derartige Regelung in einem Mietvertrag wäre in der Regel unwirksam. Ein Verbot zu bestimmten Ruhezeiten ist dagegen zulässig. Für das Musizieren in den eigenen vier Wänden sind Ruhezeiten zu beachten: zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten darf die Zimmerlautstärke nicht überschritten werden. Die allgemeine Nachtruhe wird durch einige Landesimmissionsschutzgesetze, im Bundesimmissionsschutzgesetz sowie in der europäischen Richtlinie zum Umgebungslärm geregelt.
In Thüringen gilt bei Musiklärm der Bundesimmissionsschutz
Wann ist denn Nachtruhe?
Für die Nachtruhe können auf kommunaler Ebene abweichende Zeiten festgeschrieben werden. Weitgehend identisch ist dies: werktags 22 Uhr bis 6 Uhr, sonn- und feiertags ganztags. Bei der Nachtruhe im Mietshaus ist zudem die Hausordnung zu beachten. Hier können die Regelungen strenger gefasst sein. Der Mieterbund sowie Haus und Grund thematisieren das auf ihren Homepages.
Und was gilt in Thüringen?
Thüringen bezieht sich auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz und hat keine abweichenden Regelungen festgelegt.
Was raten Sie Studierenden beim Musizieren in der Wohnung, die etwa mittags üben wollen?
Ruhezeiten zur Mittagszeit sind nicht bundesweit geregelt. Mehrere Bundesländer haben diesbezüglich keine feste Verordnung mehr. Deshalb ist es meist Sache der Gemeinden, Ruhezeiten festzulegen. So gilt beispielsweise in Kurorten im Allgemeinen eine Mittagsruhe von 12 oder 13 Uhr bis 15 Uhr. Aber Vorsicht:
Auch wenn es keine entsprechende Vorschrift gibt, können mittägliche Ruhezeiten vom Vermieter in der Hausordnung festgelegt sein.
Gibt es ein rechtliches Problem, wenn Hausmusiker bei einer Benefizveranstaltung quasi öffentlich auftreten? Was muss mit Blick auf Gema und Musikrechte beachtet werden?
Eine Wiedergabe ist gemäß Urhebergesetz (UrhG) § 15 Absatz 3 dann öffentlich, „wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.“Werden also nur Bekannte und Freunde eingeladen, dann ist das kein „öffentliches Konzert“. Hauskonzerte sind oftmals nur für ein handverlesenes, dem Gastgeber bekanntes Publikum zugänglich. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Werden klassische Werke von Hausmusikern dargeboten, bestehen urheberrechtlich keinerlei Probleme, auch
nicht mit der Gema. Handelt es sich um „neuere“Stücke oder ist der Urheber noch keine 70 Jahre tot, ist die Gema zu beachten, insbesondere wenn es sich um übliche Konzerte und Veranstaltungen mit einem „breiteren Publikum“handelt.
Es gibt klare Festlegungen beim Covern berühmter Songs Gesetzt den Fall, eine Schülerband will sich auf YouTube präsentieren. Auf was müssen die jungen Menschen achten?
Grundsätzlich bestehen an Musikwerken Urheberrechte und der Urheber hat das Recht zu entscheiden, was mit seinem Werk gemacht wird. Das gilt für ganz junge Musiker, wie auch für „alte Hasen“und unabhängig vom Bekanntheitsgrad. Werden von einer Schülerband eigene Songs erschaffen, gespielt und aufgenommen, genießen diese Werke mit ihrem Entstehen (wenn sie also wahrnehmbar sind) urheberrechtlichen Schutz zugunsten der entsprechenden Musiker und Komponisten.
Es ist durchaus empfehlenswert, dass die jeweiligen Urheber sich und ihre eigenen Werke bei der Gema anmelden und registrieren.
Was ist mit dem Nachspielen berühmter Songs?
Viele junge Künstler veröffentlichen Coverversionen berühmter Songs auf YouTube und zeigen so ihr Können: Das ist zulässig. Werden bekannte Werke nachgespielt, spricht man von einem „Cover“. Das ist genehmigungsfrei. Urheberrechtlich ist ein „Cover“eine Vervielfältigung, die entsprechend über die Gema für den Originalautor vergütet wird. Da nicht in die musikalische Substanz eingegriffen wird, weil nur nachgespielt, braucht es keine Zustimmung. Wird aber in die Substanz eines Musikwerkes eingegriffen, der Text verändert, die Melodie gestreckt, das ganze Werk vielleicht verändert – dann haben wir eine Bearbeitung gem. § 23 UrhG. Eine solche Bearbeitung darf nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht werden. Wird das Originalwerk unverändert neu aufgenommen, liegt keine Bearbeitung gem. § 23 UrhG vor – die Zustimmungspflicht des Urhebers entfällt. Es ist nur das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht betroffen, welches bei der Gema einzuholen ist, wenn der Urheber diese Rechte zur Wahrnehmung übertragen hat.
Musik und Jura: Wie kam das bei Ihnen zusammen?
Meine Eltern haben in Paris klassische Musik studiert, Klavier und Klarinette. Ich bin daher in einem sehr musikalischen Haushalt aufgewachsen. Musik und deren Auswertung, insbesondere der Weg bis zu einer Veröffentlichung, das heißt die Planung, die Produktion von Aufnahmen inklusive aller Beteiligten und auch die strategische Positionierung von Künstlern sowie Unternehmen der Musikindustrie haben mich immer fasziniert. Und ich bin ein passionierter Konzertgänger von Klassik bis hin zu Pop und Rock.
Musik und die strategische Positionierung von Künstlern sowie Unternehmen der Musikindustrie faszinieren mich. Pascal Charles Amann, Rechtsanwalt und Professor, der sich mit Musikrechten beschäftigt
Ihre Liedempfehlungen zum Tag der Hausmusik?
Schumann-Liszt: Widmung (Liebeslied), Schumann: Dichterliebe, Maurice Ravel: Gaspard de la nuit, M. 55 -- I. Ondine
Freikarten gewinnen für das TLZ-Klubkonzert am Dienstag, 22. November, 18 Uhr, in der Weimarer Jakobskirche, mit Live Music Now noch bis 17. November unter www.tlz.de/klubkonzert