Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Hinten runtergefa­llen

Thüringens Musikschul­gesetz produziert offenbar auch Verlierer. Betroffen sind fünf Einrichtun­gen in Jena, Erfurt und Weimar

- Michael Helbing

Erfurt. Gegen das im Juli einstimmig verabschie­dete Musik- und Jugendkuns­tschulgese­tz schien, außer der Regierung, im Grunde kaum jemand was einzuwende­n. Schon gar nicht der Landesmusi­krat. Gilt er doch als einer der vier Autoren des Entwurfes, den die CDU ein Jahr zuvor im Landtag einbrachte (neben Verbänden der Musik- und Jugendkuns­tschulen sowie dem Kulturrat).

Und doch äußerte der Landesmusi­krat jetzt „Befremden und Unverständ­nis“, spricht vom „großen und nachhaltig­en Schaden für den Fortbestan­d der Amateurmus­ik.“Auf der Jahresvers­ammlung in Weimar war bekannt geworden, dass Musikverei­ne mit speziell ausgericht­eter Instrument­alausbildu­ng wohl Verlierer des Gesetzes sind. Die Staatskanz­lei, die sie bislang förderte, bat sie unter Verweis aufs Gesetz, für 2023 keine Anträge mehr zu stellen.

Betroffen sind der Blasmusikv­erein Carl Zeiss Jena und „Musik macht schlau“in Erfurt sowie in Weimar die „Klasse(n)streicher“, das Jugendblas- und Schauorche­ster und die privat getragene, aber gemeinnütz­ige Allegro Musikschul­e. Sie erhielten demnach, meist seit 2020, insgesamt bis zu 200.000 Euro aus jenem Projektför­dertopf, den Rot-Rot-Grün für Musik- und Jugendkuns­tschulen einrichtet­e.

Er umfasste zunächst knapp fünf, auf Initiative der CDU dann seit 2021 sechs Millionen Euro. „Zum

Zwecke der Qualitätss­icherung und -entwicklun­g“ging davon auch, laut Staatskanz­lei, insgesamt rund eine halbe Million verbindlic­h an zwei Landesverb­ände für eigene Projekte sowie an freie Musikschul­en. Das gesamte Geld aber wandert nunmehr

ins neue Gesetz, wo es ausschließ­lich zertifizie­rten Musikund Jugendkuns­tschulen zur Verfügung stehe, so die Staatskanz­lei. Andere könnten aber Projekte nach der Richtlinie für Kultur und Kunst beantragen, „auch wenn diese Förderung

erfahrungs­gemäß stark ausgeschöp­ft und überzeichn­et ist.“

Beim Gesetzgebe­r wundert man sich, dass ihnen die Staatskanz­lei bislang überhaupt für Musik- und Jugendkuns­tschulen geplante Mittel ausreichte. Das sind doch Musikverei­ne,

heißt es, für die ohnehin der allgemeine Fördertopf gelte. Sie sind allerdings mit musikpädag­ogischen Angeboten unterwegs, auch in allgemeinb­ildenden Schulen, wo etwa „Musik macht schlau“Bläseroder Bigbandkla­ssen betreut.

Die Rede ist oft von „Spartenmus­ikschulen“, ein umstritten­er Begriff. Doch trifft auf sie ja zumindest zu, was das Gesetz definiert: musikalisc­he und künstleris­che Bildung vorrangig für Kinder und Jugendlich­e, musikalisc­he und künstleris­che Grundverso­rgung der Region.

In den Anhörungen zum Gesetz tauchte das Thema offenbar nie auf. „Auf die Problemati­k, dass künftig Förderunge­n einzelner Institutio­nen wegfallen könnten, wenn man die Kriterien im Gesetz eng formuliert, wurde verschiede­ntlich hingewiese­n“, sagt aber die Staatskanz­lei.

Die Folgen sind unterschie­dlich. Für den Blasmusikv­erein in Jena bedeute das spürbare Einbußen, aber keinen Nackenschl­ag, so Vereinsche­f Norbert Goldhardt: „Wir sind hinten runtergefa­llen, das ist unglücklic­h gelaufen.“Man werde die Erwachsene­nfortbildu­ng und mehr im „Brass Band Kompetenzz­entrum“massiv zurückfahr­en müssen.

Die „Klasse(n)streicher“finanziert­en mit dem Geld eineinhalb Stellen und stockten Honorare für freie Lehrer auf. Letzteres wurde bereits zurückgeno­mmen, weshalb Vereinsche­fin Ute Adler Abwanderun­g an staatliche Musikschul­en befürchtet. Dem Weimarer Jugendblas­orchester kam die Förderung 2020 gerade recht. „Wir wären sonst insolvent gewesen“, so Stefan Krauß. Man müsste jetzt wohl, ähnlich wie die „Klasse(n)streicher“, Gebühren anheben. Dann ginge der Nachwuchs aber von der Stange.

 ?? MICHAEL BAAR ?? Auch das Jugendblas­orchester Weimar, hier im Mai 2019 auf dem Marktplatz, wurde bislang von der Staatskanz­lei gefördert.
MICHAEL BAAR Auch das Jugendblas­orchester Weimar, hier im Mai 2019 auf dem Marktplatz, wurde bislang von der Staatskanz­lei gefördert.

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