Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Hinten runtergefallen
Thüringens Musikschulgesetz produziert offenbar auch Verlierer. Betroffen sind fünf Einrichtungen in Jena, Erfurt und Weimar
Erfurt. Gegen das im Juli einstimmig verabschiedete Musik- und Jugendkunstschulgesetz schien, außer der Regierung, im Grunde kaum jemand was einzuwenden. Schon gar nicht der Landesmusikrat. Gilt er doch als einer der vier Autoren des Entwurfes, den die CDU ein Jahr zuvor im Landtag einbrachte (neben Verbänden der Musik- und Jugendkunstschulen sowie dem Kulturrat).
Und doch äußerte der Landesmusikrat jetzt „Befremden und Unverständnis“, spricht vom „großen und nachhaltigen Schaden für den Fortbestand der Amateurmusik.“Auf der Jahresversammlung in Weimar war bekannt geworden, dass Musikvereine mit speziell ausgerichteter Instrumentalausbildung wohl Verlierer des Gesetzes sind. Die Staatskanzlei, die sie bislang förderte, bat sie unter Verweis aufs Gesetz, für 2023 keine Anträge mehr zu stellen.
Betroffen sind der Blasmusikverein Carl Zeiss Jena und „Musik macht schlau“in Erfurt sowie in Weimar die „Klasse(n)streicher“, das Jugendblas- und Schauorchester und die privat getragene, aber gemeinnützige Allegro Musikschule. Sie erhielten demnach, meist seit 2020, insgesamt bis zu 200.000 Euro aus jenem Projektfördertopf, den Rot-Rot-Grün für Musik- und Jugendkunstschulen einrichtete.
Er umfasste zunächst knapp fünf, auf Initiative der CDU dann seit 2021 sechs Millionen Euro. „Zum
Zwecke der Qualitätssicherung und -entwicklung“ging davon auch, laut Staatskanzlei, insgesamt rund eine halbe Million verbindlich an zwei Landesverbände für eigene Projekte sowie an freie Musikschulen. Das gesamte Geld aber wandert nunmehr
ins neue Gesetz, wo es ausschließlich zertifizierten Musikund Jugendkunstschulen zur Verfügung stehe, so die Staatskanzlei. Andere könnten aber Projekte nach der Richtlinie für Kultur und Kunst beantragen, „auch wenn diese Förderung
erfahrungsgemäß stark ausgeschöpft und überzeichnet ist.“
Beim Gesetzgeber wundert man sich, dass ihnen die Staatskanzlei bislang überhaupt für Musik- und Jugendkunstschulen geplante Mittel ausreichte. Das sind doch Musikvereine,
heißt es, für die ohnehin der allgemeine Fördertopf gelte. Sie sind allerdings mit musikpädagogischen Angeboten unterwegs, auch in allgemeinbildenden Schulen, wo etwa „Musik macht schlau“Bläseroder Bigbandklassen betreut.
Die Rede ist oft von „Spartenmusikschulen“, ein umstrittener Begriff. Doch trifft auf sie ja zumindest zu, was das Gesetz definiert: musikalische und künstlerische Bildung vorrangig für Kinder und Jugendliche, musikalische und künstlerische Grundversorgung der Region.
In den Anhörungen zum Gesetz tauchte das Thema offenbar nie auf. „Auf die Problematik, dass künftig Förderungen einzelner Institutionen wegfallen könnten, wenn man die Kriterien im Gesetz eng formuliert, wurde verschiedentlich hingewiesen“, sagt aber die Staatskanzlei.
Die Folgen sind unterschiedlich. Für den Blasmusikverein in Jena bedeute das spürbare Einbußen, aber keinen Nackenschlag, so Vereinschef Norbert Goldhardt: „Wir sind hinten runtergefallen, das ist unglücklich gelaufen.“Man werde die Erwachsenenfortbildung und mehr im „Brass Band Kompetenzzentrum“massiv zurückfahren müssen.
Die „Klasse(n)streicher“finanzierten mit dem Geld eineinhalb Stellen und stockten Honorare für freie Lehrer auf. Letzteres wurde bereits zurückgenommen, weshalb Vereinschefin Ute Adler Abwanderung an staatliche Musikschulen befürchtet. Dem Weimarer Jugendblasorchester kam die Förderung 2020 gerade recht. „Wir wären sonst insolvent gewesen“, so Stefan Krauß. Man müsste jetzt wohl, ähnlich wie die „Klasse(n)streicher“, Gebühren anheben. Dann ginge der Nachwuchs aber von der Stange.