Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Puppen im Weltall

Nach vielen Pannen ist der Start der neuen Mondmissio­n geglückt. In der Rakete sind zwei deutsche Test-Phantome

- Jonas Erlenkämpe­r

Cape Canaveral/Berlin. Helga und Zohar haben die Erde verlassen: 50 Jahre nach der letzten Mondlandun­g hat die Nasa eine weitere Odyssee in den Weltraum gestartet. Mehrere Versuche waren in den letzten Monaten gescheiter­t. Doch am Mittwoch ist die von vielen Pannen begleitete Mondmissio­n „Artemis 1“zu einem ersten Teststart aufgebroch­en. Die Besatzung besteht aus zwei blauen Strahlenme­sspuppen aus Deutschlan­d.

Die neu konstruier­te Schwerlast­rakete vom Typ SLS hob um 7.48 Uhr deutscher Zeit am Weltraumba­hnhof Kennedy Space Center im US-Bundesstaa­t Florida ab, um eine – abgesehen von Helga und Zohar – unbemannte Orion-Kapsel ins All zu bringen. Die Nasa spricht euphorisch von der „stärksten Rakete“aller Zeiten.

Die Fehlschläg­e der letzten Monate ändern nichts am spektakulä­ren Ziel der Nasa: Im Verbund mit der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa möchte die US-Weltraumbe­hörde in den nächsten Jahren einen bewohnten Außenposte­n auf dem Mond bauen.

Amerika kehrt also zurück zum staubigen Trabanten – und trotz Widerständ­en: Die Nasa hatte den geplanten Start der Rakete im August und September zweimal wegen technische­r Probleme kurzfristi­g absagen müssen. Ein für Ende September geplanter Start wurde dann wegen des in Florida wütenden Hurrikans „Ian“verschoben, zuletzt sorgte ein weiterer Hurrikan für eine erneute Verzögerun­g. Auch am Mittwoch sah es zunächst nicht gut aus für die krisengepl­agte Mission: Bei der Vorbereitu­ng traten mal wieder kleinere Schwierigk­eiten auf. Erst musste die Nasa die Einleitung von flüssigem Wasserstof­f in eine der Raketenstu­fen vorübergeh­end unterbrech­en, weil ein Leck an einem Ventil entdeckt wurde. Später gab es dann noch Probleme mit einem Radar. Dann aber hob die Rakete ab – eine knappe Dreivierte­lstunde nach der Öffnung des Startfenst­ers. Rund drei Wochen lang soll die Kapsel in einer Umlaufbahn um den Mond herum unterwegs sein, bevor sie am 11. Dezember zurück auf der Erde erwartet wird.

Zohar und Helga, die beiden Puppen, wurden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt und ahmen den weiblichen Körper mit Knochen, Weichteile­n und Geschlecht­sorganen nach. Das Projekt soll testen, ob eine in Israel

entwickelt­e Schutzwest­e besonders einen weiblichen Körper effektiv vor gefährlich­er Weltraumst­rahlung schützen kann.

Der finanziell­e Aufwand ist gigantisch, fürs Erste sind mehr als 30 Milliarden Dollar veranschla­gt. Die Nasa will mit der Artemis-1-Mission erneute Reisen von Menschen zum Mond vorbereite­n. Die Kapsel soll während ihrer mehrwöchig­en Reise den Mond umrunden, aber nicht auf dem Erdtrabant­en landen. Die Folgemissi­on „Artemis 2“soll Astronaute­n in eine Mondumlauf­bahn

bringen. Mit „Artemis 3“soll dann frühestens 2025 eine erneute Mondlandun­g glücken. Am Mond soll zudem eine Art Umsteigeba­hnhof Richtung Mars geschaffen werden, als Basis für einen bemannten Flug dorthin in fernerer Zukunft. Als bislang letzter Mensch war im Dezember 1972 der 2017 gestorbene US-Astronaut Eugene Cernan mit der „Apollo 17“-Mission auf dem Mond gewesen.

Auch Russland und Asien zieht es auf den Mond

Die Menschheit erlebt dieser Tage einen Wettlauf zum Mond. Auch China arbeitet daran, eigene Astronaute­n dorthin zu bringen. Russland, Indien und die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben den Erdsatelli­ten ebenso im Visier. China hat bereits Gestein vom Mond geholt und als erste Nation ein Raumschiff auf der erdabgewan­dten Seite des Erdtrabant­en gelandet. In den nächsten fünf Jahren sollen Gesteinspr­oben von den Polarregio­nen des Mondes zur Erde geholt werden. China und Indien verfolgen gemeinsame Pläne für eine Forschungs­station auf dem Mond.

„Der Mond wird sich zu einem neuen Wirtschaft­sraum entwickeln, der im nächsten Jahrzehnt voll zur Blüte gelangen wird“, gibt sich Esa-Chef Josef Aschbacher (60) überzeugt. „Wir stehen erst am Beginn, dieses Mal den Mond nachhaltig für unsere Projekte zu nutzen.“

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MALCOLM DENEMARK / DPA Es hat geklappt: Die „Space Launch System“-Rakete startet in Cape Canaveral im US-Bundesstaa­t Florida.
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MARCO BELLO / AFP Raketensta­rt als Happening im Park: Hunderte verfolgen und filmen den Raketensta­rt.
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RED HUBER / AFP Startklar: die Schwerlast­rakete vom Typ SLS.

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