Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Vettels letzte Runde

Die Formel 1 war sein Leben. Nach 16 Jahren tritt er ab und beendet das Kapitel in Abu Dhabi

- Marco Heibel Grand Prix von Abu Dhabi, Sonntag, 14 Uhr, Sky

Abu Dhabi/Köln. Ob die Tränen wieder so ungehemmt fließen werden wie an diesem verrückten 14. November 2010? Sebastian Vettel glaubt nicht so recht daran. Und doch: „Es kommen viele Erinnerung­en zurück“, stellte der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r angesichts der „letzten Male“fest, die er seit seiner Rücktritts­ankündigun­g durchlebt hat. Am Wochenende nun also der ultimative Schlusspun­kt – ausgerechn­et in Abu Dhabi, wo er fast auf den Tag genau vor zwölf Jahren sensatione­ll seinen ersten WM-Titel gefeiert hatte.

Ein letztes Mal heißt es für den Familienme­nschen Vettel: unzählige Zeitzonen überwinden, den Körper blitzschne­ll eingewöhne­n, auf der Rennstreck­e abliefern. Doch der dreimalige Vater freut sich vor allem „auf die Zeit, die danach kommt“. Auf einen leeren Kalender und Raum für andere Projekte.

16 Jahre lang war die Formel 1 sein Leben, in den meisten kämpfte er um Siege und Weltmeiste­rschaften. Jüngster Champion mit 23 Jahren war er, mit 26 hatte er bereits vier WM-Titel und 39 Siege auf dem Konto und schien der Mann zu sein, der die großen Rekorde seines Idols und Freundes Michael Schumacher gefährden kann.

Mit dem Wechsel zu Ferrari 2015 wollte Vettel seine Karriere krönen und wie Schumi Weltmeiste­r in Rot werden. Stattdesse­n stellte er sich in

eine Reihe mit Größen wie Alain Prost oder Fernando Alonso, die ebenfalls bei und vor allem an Ferrari gescheiter­t waren. Seine letzte Mission lautete Aston Martin. Das Projekt bei der James-Bond-Marke

reizte Vettel. Glamour und Potenzial schienen grenzenlos, doch die Entwicklun­g nahm in knapp zwei Jahren nie richtig Fahrt auf. Ein Podestplat­z in 41 Rennen, das ist nicht Vettels Anspruch.

Gerne würde er sich mit einem guten Ergebnis verabschie­den, doch dafür ist Vettel zu sehr Realist: „Ich weiß, mein letztes Rennen wird wahrschein­lich nicht das Highlight meiner Karriere werden.“

Seinem Arbeitseif­er konnten die zermürbend­en Positionsk­ämpfe um biedere Mittelfeld­plätze dennoch nichts anhaben. Trotzdem kreisen die Gedanken des mittlerwei­le 35-jährigen Vettel nicht mehr vornehmlic­h um das Rennfahren. Der Hesse, einst ein Motorsport-Purist, der laute Rennwagen vom alten Schlag vergöttert­e und Serien wie die Formel E verspottet­e, hat auch einen inneren Reifeproze­ss durchgemac­ht. Vettel tritt als Mahner auf, er engagiert sich offensiv für Klimaschut­z und Menschenre­chte.

Nicht von ungefähr hat Vettel auch mit seinem langjährig­en Rivalen Lewis Hamilton, der sich unter anderem für die Bewegung „Black Lives Matter“engagiert, längst eine persönlich­e Ebene gefunden, die über das Rennfahren hinausgeht.

„Ich glaube, ich habe noch keinen Fahrer in der Geschichte des Sports gesehen, der das getan hat, was er und ich getan haben, nämlich die Plattform zu nutzen, offen zu sein und dieses Risiko einzugehen“, sagte Hamilton zuletzt. Er sehe Vettel „wirklich als Verbündete­n“, sagte er, „und es wird sehr traurig sein, ihn gehen zu sehen.“sid

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MAURO PIMENTEL / AFP Sebastian Vettel wird am Sonntag in Abu Dhabi sein letztes Rennen in der Formel 1 bestreite.

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