Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Der ehrlichste und härteste Vergleich“
Schwimm-Landestrainer Erik Hanold über die Kurzbahnmeisterschaft, kälteres Wasser, Corona und ein besonderes Etwas
Erfurt. Aufgewachsen in Berlin, zum Studium nach Magdeburg; zurück in die Bundeshauptstadt, Hildesheim, Hamburg und Kempten. Erik Hanold, 53, widmete sich an vielen Orten der Entwicklung von jungen Schwimmern. Im Allgäu war er am längsten als Cheftrainer aktiv, über 13 Jahre. Seit 2019 ist der Berliner beim Thüringer Schwimmverband als Landestrainer tätig. Er schätzt den enormen Wert durch die Verbindung mit dem Sportgymnasium, spricht vor der heute beginnenden Kurzbahn-Meisterschaft über einzigartige Chancen, Schaden durch Corona, seine größte Sorge und darüber, weshalb mehr ins Schwimmen investiert werden sollte.
Blacky Cup und Kurzbahn-Landesmeisterschaft liegen zurück. In Wuppertal wartet auf den 25-Meter-Bahnen eine erste große Bewährungsprobe des neuen Schuljahres. Mit welchen Erwartungen fahren Sie zur deutschen Meisterschaft?
Wir haben mit Oskar Schildknecht nur einen Schwimmer am Start. Die anderen qualifizierten Sportler fallen leider verletzungsbedingt aus. Oskar gehört in seiner Altersklasse zu den Top 16 Europas. Ziel ist, dass er sich erneut für die Junioren-EM im Sommer qualifiziert. Deswegen sollte er in Wuppertal in seiner Klasse Platz eins oder zwei erreichen. Der Blick geht aber auch dahin, trotz seiner erst 17 Jahre den Anschluss an die offene Klasse zu finden und dort in die Top acht zu schwimmen, also ins Männerfinale.
Wie viel Grad wird das Wasser in Wuppertal haben?
27.
Wärmer als in Erfurt. Wie stellt sich die Situation für die Schwimm-Talente dar, nachdem die Temperatur aus Energiespargründen um ein, zwei Grad gesenkt wurde?
Zuletzt hatten sich einige eine Grippe eingefangen.
Durch das kältere Wasser?
Auch. Nun ist Erkältungszeit. Und die Sportler stehen unter Belastung. Wenn das Immunsystem belastet wird, steigt die Erkältungsgefahr. Das können wir nicht ändern. Im Moment können wir damit aber leben, solange es kein Dauerzustand wird. Es war schon schlimmer.
Schlimmer?
Vor den Herbstferien wurde die Wassertemperatur weiter gesenkt,
auf 24 Grad, weil an der Anlage etwas defekt war. Das ist öffentlich diskutiert worden. Bei der Temperatur können unsere Sportler nicht mehr schwimmen. Die Muskeln ziehen sich zusammen. Es wird versucht, 25, 26 Grad zu halten. Das ist grenzwertig, aber wir können trainieren. Unsere Angst ist, dass die Hallen zugemacht werden.
Wie groß ist die Angst?
Sie ist da. Ob sie begründet ist, kann ich aber nur schwer einschätzen. Diese Entscheidungen werden an anderer Stelle getroffen. Es wäre einfach wichtig, die Hallen offenzulassen. Der Schaden durch die Schließung während der CoronaZeit ist enorm und nicht wiedergutzumachen.
Wo sehen Sie das Schwimmen in Thüringen aktuell?
Es sind wenige Leute, die in den Vereinen oder hier am Stützpunkt aktiv sind. Dafür wird sehr viel herausgeholt, finde ich. Corona hat alles heruntergedrückt. Die Trainingsbedingungen am Stützpunkt sind für Vereinssportler ein Traum.
Oft wurde gesprochen, dass es besserer Bedingungen bedarf?
Die Frage ist, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Wenn ich
davon ausgehe, dass es früher mehr Trainingszeiten gab, dann haben sich die Bedingungen verschlechtert. Aber die Verbindung Sport und Schule etwa, die gibt es vielerorts so nicht. Dadurch ist etwas Einzigartiges gegeben. Das habe ich in Kempten mühsam versucht aufzubauen. Wenn man Talente entwickeln will, braucht es diese Symbiose.
Müsste man aus dem Grund bessere Ergebnisse erwarten?
Das kommt darauf an. Die Bedingungen an der Basis sind im Moment schlecht. Den Kindern fehlt durch Corona extrem viel Training. Das merken wir bei denjenigen, die bei uns am Leistungszentrum ankommen.
Dafür können die Leute nichts. Dafür können nur die etwas, die Schwimmhallen geschlossen haben. Hinzu kommt die allgemeine Stimmung.
In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl an Einschulungen an das Sportgymnasium stark zurückgegangen. Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Wir haben zurzeit drei Mädchen in der fünften Klasse.
So wenige?
Ja, leider. Jetzt kann man behaupten: Wir machen schlechte Arbeit. Aber ich möchte das weder sagen noch so stehen lassen. Die Gründe sind anderer Natur.
Die wären?
Wenn wir das so genau wüssten. Alles müsste darauf ausgerichtet sein, hier nach Erfurt an den Stützpunkt zu kommen. Manchmal fehlt der Mut, Kindern mehr zuzutrauen. Mein Eindruck ist, dass eher darauf geachtet wird, Sicherheit zu wahren. Es wird gedacht, oh je, ich gebe mein Kind weg. Der Grundgedanke müsste sein: Du hast hier am Landesleistungszentrum eine einzigartige Chance, nutze sie, wir unterstützen dich. Kinder profitieren von diesem Weg enorm. Sie lernen etwa früh, mit Niederlagen umzugehen und dass Erfolg Ergebnis von Fleiß ist. Der macht im Schwimmen sehr viel aus.
Also leidet Schwimmen unter der gesellschaftlichen Entwicklung? Darüber klagt der gesamte Leistungssport.
Schwimmen hat noch den Nachteil, dass es wie Eissport kostenintensiv ist. Wasserfläche zu unterhalten ist teuer. Durch die Gaspreise kostet alles noch viel mehr. Dafür können wir nichts, aber die Folgen spüren wir direkt. Würde man mehr investieren, gäbe es garantiert mehr Möglichkeiten.
„Es wäre einfach wichtig, die Hallen offenzulassen. Der Schaden durch die Schließung während der Corona-Zeit ist enorm und nicht wiedergutzumachen.“Erik Hanold, Landestrainer
Warum sollte ins Schwimmen investiert werden?
Schwimmen ist eine ganz besondere Sportart. Wir bewegen uns in einem Element, das für den Menschen zwar überlebenswichtig, aber trotzdem nicht sein natürlicher Bewegungsraum ist. Es geht darum, eine Schwäche in eine Stärke zu wandeln. Und die Frage: Wie bringe ich dabei mein bestes Ergebnis? Wer physisch und mental am besten vorbereitet ist, gewinnt. Schwimmen ist der ehrlichste und der härteste Vergleich. Und es besitzt nebenbei Riesenpotenzial. Eine Fußballmannschaft kann zum Beispiel eine olympische Medaille gewinnen, ein Schwimmer drei, vier, fünf.