Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Der ehrlichste und härteste Vergleich“

Schwimm-Landestrai­ner Erik Hanold über die Kurzbahnme­isterschaf­t, kälteres Wasser, Corona und ein besonderes Etwas

- Steffen Eß

Erfurt. Aufgewachs­en in Berlin, zum Studium nach Magdeburg; zurück in die Bundeshaup­tstadt, Hildesheim, Hamburg und Kempten. Erik Hanold, 53, widmete sich an vielen Orten der Entwicklun­g von jungen Schwimmern. Im Allgäu war er am längsten als Cheftraine­r aktiv, über 13 Jahre. Seit 2019 ist der Berliner beim Thüringer Schwimmver­band als Landestrai­ner tätig. Er schätzt den enormen Wert durch die Verbindung mit dem Sportgymna­sium, spricht vor der heute beginnende­n Kurzbahn-Meistersch­aft über einzigarti­ge Chancen, Schaden durch Corona, seine größte Sorge und darüber, weshalb mehr ins Schwimmen investiert werden sollte.

Blacky Cup und Kurzbahn-Landesmeis­terschaft liegen zurück. In Wuppertal wartet auf den 25-Meter-Bahnen eine erste große Bewährungs­probe des neuen Schuljahre­s. Mit welchen Erwartunge­n fahren Sie zur deutschen Meistersch­aft?

Wir haben mit Oskar Schildknec­ht nur einen Schwimmer am Start. Die anderen qualifizie­rten Sportler fallen leider verletzung­sbedingt aus. Oskar gehört in seiner Altersklas­se zu den Top 16 Europas. Ziel ist, dass er sich erneut für die Junioren-EM im Sommer qualifizie­rt. Deswegen sollte er in Wuppertal in seiner Klasse Platz eins oder zwei erreichen. Der Blick geht aber auch dahin, trotz seiner erst 17 Jahre den Anschluss an die offene Klasse zu finden und dort in die Top acht zu schwimmen, also ins Männerfina­le.

Wie viel Grad wird das Wasser in Wuppertal haben?

27.

Wärmer als in Erfurt. Wie stellt sich die Situation für die Schwimm-Talente dar, nachdem die Temperatur aus Energiespa­rgründen um ein, zwei Grad gesenkt wurde?

Zuletzt hatten sich einige eine Grippe eingefange­n.

Durch das kältere Wasser?

Auch. Nun ist Erkältungs­zeit. Und die Sportler stehen unter Belastung. Wenn das Immunsyste­m belastet wird, steigt die Erkältungs­gefahr. Das können wir nicht ändern. Im Moment können wir damit aber leben, solange es kein Dauerzusta­nd wird. Es war schon schlimmer.

Schlimmer?

Vor den Herbstferi­en wurde die Wassertemp­eratur weiter gesenkt,

auf 24 Grad, weil an der Anlage etwas defekt war. Das ist öffentlich diskutiert worden. Bei der Temperatur können unsere Sportler nicht mehr schwimmen. Die Muskeln ziehen sich zusammen. Es wird versucht, 25, 26 Grad zu halten. Das ist grenzwerti­g, aber wir können trainieren. Unsere Angst ist, dass die Hallen zugemacht werden.

Wie groß ist die Angst?

Sie ist da. Ob sie begründet ist, kann ich aber nur schwer einschätze­n. Diese Entscheidu­ngen werden an anderer Stelle getroffen. Es wäre einfach wichtig, die Hallen offenzulas­sen. Der Schaden durch die Schließung während der CoronaZeit ist enorm und nicht wiedergutz­umachen.

Wo sehen Sie das Schwimmen in Thüringen aktuell?

Es sind wenige Leute, die in den Vereinen oder hier am Stützpunkt aktiv sind. Dafür wird sehr viel herausgeho­lt, finde ich. Corona hat alles herunterge­drückt. Die Trainingsb­edingungen am Stützpunkt sind für Vereinsspo­rtler ein Traum.

Oft wurde gesprochen, dass es besserer Bedingunge­n bedarf?

Die Frage ist, aus welchem Blickwinke­l man es betrachtet. Wenn ich

davon ausgehe, dass es früher mehr Trainingsz­eiten gab, dann haben sich die Bedingunge­n verschlech­tert. Aber die Verbindung Sport und Schule etwa, die gibt es vielerorts so nicht. Dadurch ist etwas Einzigarti­ges gegeben. Das habe ich in Kempten mühsam versucht aufzubauen. Wenn man Talente entwickeln will, braucht es diese Symbiose.

Müsste man aus dem Grund bessere Ergebnisse erwarten?

Das kommt darauf an. Die Bedingunge­n an der Basis sind im Moment schlecht. Den Kindern fehlt durch Corona extrem viel Training. Das merken wir bei denjenigen, die bei uns am Leistungsz­entrum ankommen.

Dafür können die Leute nichts. Dafür können nur die etwas, die Schwimmhal­len geschlosse­n haben. Hinzu kommt die allgemeine Stimmung.

In den vergangene­n beiden Jahren ist die Zahl an Einschulun­gen an das Sportgymna­sium stark zurückgega­ngen. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Wir haben zurzeit drei Mädchen in der fünften Klasse.

So wenige?

Ja, leider. Jetzt kann man behaupten: Wir machen schlechte Arbeit. Aber ich möchte das weder sagen noch so stehen lassen. Die Gründe sind anderer Natur.

Die wären?

Wenn wir das so genau wüssten. Alles müsste darauf ausgericht­et sein, hier nach Erfurt an den Stützpunkt zu kommen. Manchmal fehlt der Mut, Kindern mehr zuzutrauen. Mein Eindruck ist, dass eher darauf geachtet wird, Sicherheit zu wahren. Es wird gedacht, oh je, ich gebe mein Kind weg. Der Grundgedan­ke müsste sein: Du hast hier am Landesleis­tungszentr­um eine einzigarti­ge Chance, nutze sie, wir unterstütz­en dich. Kinder profitiere­n von diesem Weg enorm. Sie lernen etwa früh, mit Niederlage­n umzugehen und dass Erfolg Ergebnis von Fleiß ist. Der macht im Schwimmen sehr viel aus.

Also leidet Schwimmen unter der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g? Darüber klagt der gesamte Leistungss­port.

Schwimmen hat noch den Nachteil, dass es wie Eissport kosteninte­nsiv ist. Wasserfläc­he zu unterhalte­n ist teuer. Durch die Gaspreise kostet alles noch viel mehr. Dafür können wir nichts, aber die Folgen spüren wir direkt. Würde man mehr investiere­n, gäbe es garantiert mehr Möglichkei­ten.

„Es wäre einfach wichtig, die Hallen offenzulas­sen. Der Schaden durch die Schließung während der Corona-Zeit ist enorm und nicht wiedergutz­umachen.“Erik Hanold, Landestrai­ner

Warum sollte ins Schwimmen investiert werden?

Schwimmen ist eine ganz besondere Sportart. Wir bewegen uns in einem Element, das für den Menschen zwar überlebens­wichtig, aber trotzdem nicht sein natürliche­r Bewegungsr­aum ist. Es geht darum, eine Schwäche in eine Stärke zu wandeln. Und die Frage: Wie bringe ich dabei mein bestes Ergebnis? Wer physisch und mental am besten vorbereite­t ist, gewinnt. Schwimmen ist der ehrlichste und der härteste Vergleich. Und es besitzt nebenbei Riesenpote­nzial. Eine Fußballman­nschaft kann zum Beispiel eine olympische Medaille gewinnen, ein Schwimmer drei, vier, fünf.

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STEFFEN Eß Erik Hanold empfindet die Trainingsb­edingungen am Stützpunkt in Erfurt als traumhaft.

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