Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Landesbehörden und Landtag gendern weiter
Parlamentspräsidentin lässt CDU-Antrag prüfen. Grundlagen von Gleichberechtigung und Teilhabe in Landesverfassung festgeschrieben
Erfurt. In Thüringer Landesbehörden und im Landtag wird ungeachtet eines Parlamentsbeschlusses weiter gegendert. „Die Vorschriften der Thüringer Verfassung kennen kein Recht des Landtages, die Landesregierung durch einen schlichten Parlamentsbeschluss rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten. Am Umgang der Landesregierung bei der Nutzung geschlechtergerechter Sprache wird sich in Folge des Landtagsbeschlusses nichts ändern“, teilt Regierungssprecher Falk Neubert auf Anfrage dieser Zeitung mit. Im Thüringer Gleichstellungsgesetz sei verankert, dass Behörden und Dienststellen bei Erlass von Rechtsvorschriften, Verwaltungsvorschriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben und bei Stellenausschreibungen soweit wie möglich geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu wählen haben.
Ende vergangener Woche hatte sich die CDU-Landtagfraktion mit dem umstrittenen Antrag „Gendern? Nein danke“durchgesetzt, der von der in Thüringen vom Verfassungsschutz beobachteten AfD und den Bürgern für Thüringen unterstützt wurde. Demnach sollen Landtag, Landesregierung, Behörden, Schulen und Hochschulen nicht gendern.
Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) hat nach Angaben ihrer Sprecherin inzwischen die Parlamentsverwaltung gebeten, eine Prüfung der Folgen des Antrags einzuleiten. Insbesondere müsse betrachtet werden, inwiefern die Entscheidung des Landtags mit Artikel 2 der Thüringer Verfassung übereingebracht werden kann. Pommer betont: „Als Präsidentin des Thüringer Landtags gehört es zu meinen Hauptaufgaben, gemeinsam mit dem Parlament die Thüringer Verfassung zu wahren und zu verteidigen. Dafür braucht es engagierte Menschen, die nicht wegsehen, wenn es darum geht, die Vielfalt unserer Gesellschaft zu bewahren.“
Stein des Anstoßes für die CDUFraktion war unter anderem ein Heft über die Arbeit des Landtags, in dem auf 20 Seiten Dutzende Male der Genderstern verwendet wird. Die Broschüre mit einer Auflage von 2200 Stück werde „im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit weiter eingesetzt, bis sie aufgebraucht ist“, so Pommers Sprecherin. Sie sei mit
Blick auf eine leicht verständliche, nichtdiskriminierende Ansprache überarbeitet worden.
Auch Forschende sowie Bildungsminister Helmut Holter (Linke) lehnen die CDU-Forderungen ab. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen davor, mit sprachpolitischen Maßnahmen in die Freiheit von Lehre und Forschung an den Universitäten einzugreifen. Er werde Schulen keine Vorgaben zum Benutzen von geschlechtergerechter Sprache machen, sagt Holter.
Julia Hohmann, Vorsitzende des Landesfrauenrats, kritisiert: „Das generische Maskulinum grenzt Menschen sprachlich aus.“