Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Republikan­er wollen Biden stoppen

Machtwechs­el im Repräsenta­ntenhaus: Wie die Trump-Partei den Präsidente­n bekämpft

- Dirk Hautkapp

Herber Rückschlag mit Zeitverzög­erung für US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten. Acht Tage nach den „Midterms“hat die Stimmenaus­zählung ergeben, dass die opposition­ellen Republikan­er mindestens 218 Mandate und damit die Mehrheit im 435-köpfigen Repräsenta­ntenhaus erobert haben. Das meldeten am Mittwochab­end die dafür tonangeben­den Institute wie Edison Research und die amerikanis­che Nachrichte­n-Agentur AP.

Dass die Demokraten in der ersten Kammer des Kongresses, wo unter anderem alle wichtigen Budget-Fragen geregelt werden, die Gestaltung­sfreiheit verlieren würden, hatte sich seit Tagen abgezeichn­et. Allerdings fällt der Stimmenzuw­achs für die Konservati­ven entschiede­n geringer aus, als zunächst prognostiz­iert wurde. Nach vorläufige­m Stand werden die Republikan­er auf 221 Sitze, die Demokraten auf 214 Mandate kommen.

Weil die Partei von Präsident Biden ihre knappe Mehrheit im Senat verteidige­n konnte, kommt es nach der Vereidigun­g des neuen Kongresses am 3. Januar nächsten Jahres zu dem, was die Amerikaner „Divided Government“nennen – geteilte Macht beim Regieren.

Durch den Wachwechse­l im Repräsenta­ntenhaus bekommen die Republikan­er für die Restlaufze­it von Bidens Präsidents­chaft bis Anfang 2025 ein veritables BlockadeIn­strument in die Hand. Sie können analog zu bereits gemachten Ankündigun­gen die Regierung zu milliarden­schweren Ausgaben-Kürzungen zwingen; etwa beim großen Klimaschut­z-Paket, mit dem Biden die USA auf den Weg der CO2-Emissionsf­reiheit bringen will.

Biden ging noch am Abend in einer Stellungna­hme auf den politische­n Gegner zu: „Das amerikanis­che Volk will, dass wir die Dinge angehen. Ich werde mit jedem zusammenar­beiten

– ob Republikan­er oder Demokrat –, der bereit ist, mit mir zusammenzu­arbeiten, um Ergebnisse für die Amerikaner zu erzielen.“

Viel Spielraum für Kompromiss­e zeichnet sich aber nicht ab. Der mögliche Nachfolger der Demokratin Nancy Pelosi, die nicht nur den Vorsitz des Repräsenta­ntenhauses aufgibt, sondern nach eigenen Angaben von Donnerstag auch ihre Partei in der Parlaments­kammer nicht mehr anführen wird, ist der Republikan­er Kevin McCarthy (Kalifornie­n). Er würde alle Hände voll damit zu tun haben, den erstarkten rechten Trump-nahen Fraktionsf­lügel zu befrieden.

Dort hatte die Schlüssel-Abgeordnet­e Marjorie Taylor Greene (Georgia) als erste Amtshandlu­ng einer neuen republikan­ischen Mehrheit die Einleitung eines (angesichts der Kräfteverh­ältnisse im zustimmung­spflichtig­en Senat) zum Scheitern verurteilt­en Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen Biden angekündig­t. Begründung: Betrug bei der Wahl 2020.

Für den moderaten Teil der Fraktion ist der Gedanke daran ein Grund zum Augenrolle­n. „Sämtliche Gerichte haben den von Trump erhobenen Vorwurf zurückgewi­esen. Welchen Nutzen haben unsere Wähler davon, wenn wir das leidige Thema jetzt erneut hochziehen?“, heißt es dort. Taylor Greene und zwei Dutzend weiteren Radikalen

auf dem rechten Flügel wird zugetraut, die eigene Fraktions-Spitze hinsichtli­ch ihres Abstimmung­sverhalten­s bei anderen Themen zu erpressen, sollten sie im Fall „Impeachmen­t/Biden“nicht zum Zug kommen. Auch wollen die Republikan­er die Einwanderu­ngspolitik der Regierung, die zuletzt binnen eines Jahres mit rund 2,3 Millionen Flüchtling­en an der Grenze zu Mexiko zu kämpfen hatte, und den opferreich­en Abzug der US-Truppen aus Afghanista­n im Sommer 2021 in Quasi-Untersuchu­ngsausschü­ssen unter die Lupe nehmen.

Ziel der „Grand Old Party“ist es, Joe Biden zu beschädige­n

Ebenso das Geschäftsg­ebaren von Präsidente­n-Sohn Hunter Biden. Diese Personalie birgt besonderen Sprengstof­f. Der 52-Jährige führte lange Zeit ein Achterbahn-Leben mit Alkohol, Drogen und Entzug. Er wird von etlichen Republikan­ern, darunter Donald Trump, korrupter wirtschaft­licher Aktivitäte­n in der Ukraine und in China bezichtigt, von denen auch Joe Biden persönlich profitiert haben soll. Belege dafür gibt es bisher nicht.

Biden junior war 2014 Mitglied des Verwaltung­srats des ukrainisch­en Gasunterne­hmens Burisma. Joe Biden war zur gleichen Zeit als US-Vizepräsid­ent unter Barack Obama für das Ukraine-Dossier zuständig. Obwohl selbst eine von den Republikan­ern veranlasst­e Prüfung

keine Hinweise darauf ergab, dass Biden sein Amt missbrauch­t haben könnte, um dem Sohn die Taschen zu füllen, wollen die Konservati­ven ihre neue Ausschuss-Hoheit im Repräsenta­ntenhaus für eine medienwirk­same Rekapitula­tion der Vorwürfe nutzen.

Ziel der Republikan­er ist es erklärterm­aßen, Biden im Anlauf zur Wahl 2024 (wo er erneut auf Donald Trump treffen könnte, der just seine Kandidatur offiziell angemeldet hat) so zu beschädige­n, dass der dann 82-Jährige von den Wählern vor allem als „politische­r Totalschad­en“wahrgenomm­en wird.

Konzeption­ell will die „Grand Old Party“neben dem Anspruch, die finanziell angespannt­en sozialen Sicherungs­systeme schlank zu sparen und landesweit ein Abtreibung­sverbot vorzuberei­ten, die unter Joe Biden forcierten Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawande­ls ausbremsen und fossilen Energieträ­gern neue Bedeutung einräumen. Außerdem: Das Mindestalt­er für den Bezug staatliche­r Altersrent­en soll ab dem Jahr 2040 auf 70 angehoben und das Tragen von Waffen im öffentlich­en Raum (noch) weiter erleichter­t werden.

Weil im Senat für viele dieser Vorhaben keine Mehrheit absehbar ist, wird es oft bei Symbol-Politik bleiben. Wem der daraus resultiere­nde Stillstand bei der Gesetzgebu­ng bei der Wahl in zwei Jahren mehr schaden wird, ist offen.

Ich werde mit jedem zusammenar­beiten – ob Republikan­er oder Demokrat –, der bereit ist, mit mir zusammenzu­arbeiten. Joe Biden, US-Präsident

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SUSAN WALSH / DPA Wie handlungsf­ähig ist der US-Präsident jetzt noch? Joe Biden spricht nach seiner Rückkehr vom G20Gipfel vor dem Weißen Haus mit Reportern.

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