Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Wir verbrennen an der Frontlinie“
Dramatische Appelle bei der Weltklimakonferenz – eigentlich soll Freitag Schluss sein, doch bei einem Punkt hakt es noch
Scharm el-Scheich. Vor Beginn der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich hatte es unter Beobachtern die Sorge gegeben, dass der Kampf gegen den Klimawandel zwischen dem Krieg in der Ukraine und den geopolitischen Spannungen zwischen USA und China hintenanstehen könnte. Zumindest diese Befürchtungen, das lässt sich kurz vor dem geplanten Ende des Treffens am Freitag sagen, haben sich nicht bestätigt.
Doch wie viele weitere Erfolge es aus Scharm el-Scheich zu verkünden geben wird, war noch offen. Vor allem dort, wo es ums Geld geht, liegen die Positionen noch weit auseinander. Vertreter besonders vom Klimawandel getroffener Länder hatten es als großen Fortschritt gefeiert, dass Schäden und Verluste, die durch die Auswirkungen des Klimawandels entstehen, es in Scharm el-Scheich erstmals auf die Tagesordnung geschafft hatten.
Doch wer am Ende für diese Schäden aufkommen und wie schnell es gehen soll, darüber gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Druck machen vor allem die Vertreter der Staaten, die die Auswirkungen der Erderhitzung schon jetzt in aller Härte spüren, etwa die Gruppe der kleinen Inselstaaten. „Wir haben keine Zeit mehr und wir haben kein
Geld mehr und keine Geduld mehr“, sagte der Klimaminister des Inselstaats Vanuatu, Ralph Regenvanu am Donnerstag. Daher müsse noch auf dieser Konferenz ein Finanzinstrument für Schäden und Verluste vereinbart werden.
„Wir verbrennen an der Frontlinie“des Klimawandels, so formulierte es die Klimaministerin Pakistans, Sherry Rehman, deren Land in diesem Jahr von verheerenden Überflutungen betroffen war. Allein diese Katastrophe habe das Land 30 Milliarden Dollar gekostet. Pakistan ist Teil der G77, einer Verhandlungsgruppe von mehr als 100 Entwicklungsund Schwellenländern, mit der auch China assoziiert ist.
Doch die Volksrepublik als einen der größten Emittenten wollen Deutschland und Europa auf der Seite der Verursacher des Problems in die Pflicht nehmen. „Alle großen Emittenten von heute tragen die Verantwortung für die Klimaschäden der Zukunft“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag. „Wichtig, dass wir dieses Instrument nicht nach den Realitäten von vor 40 Jahren bauen, sondern für die Realitäten der nächsten 40 Jahre.“Sie fordert klare Definitionen, wer einzahlen und wer Geld bekommen soll, auch wenn das erst einmal bedeuten könnte, dass bei dieser Konferenz kein neuer Fonds entsteht.
In der Zwischenzeit verweist Baerbock auf die Initiative des globalen Schutzschirms, die Deutschland gemeinsam mit der Gruppe der V20 angestoßen hatte, Ländern wie Ghana, die besonders verwundbar sind gegenüber Klimaschäden. Der Schutzschirm ist eine Art Versicherungslösung, über die im Katastrophenfall schnell Geld an Betroffene ausgezahlt werden soll. Das Projekt sei „Teil eines Mosaiks für Loss and Damage“, sagte Baerbock, denn es brauche jetzt Lösungen, die den vulnerabelsten Staaten „jetzt unmittelbar helfen“.