Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„So dürfen wir bei der WM nicht spielen“
Das letzte Testspiel offenbart Schwächen beim DFB-Team. Füllkrug aber macht Hoffnung auf mehr
Maskat. Niclas Füllkrug hatte es eilig, schnellen Schrittes verließ er die Mannschaftskabine im Sultan Qaboos Sports Complex von Maskat, eilte durch die auch kurz vor Mitternacht noch immer feuchtwarme Luft in der omanischen Hauptstadt hinein in den klimatisierten Mannschaftsbus. Der Stürmer wusste, dass ein enggetaktetes Programm bevorsteht: Schon am Donnerstag ging es für die deutsche Nationalmannschaft weiter, aus dem Oman nach Katar ins Zulal Wellness Resort, wo die Mannschaft um 14.12 Uhr Ortszeit ankam und von singenden und trommelnden Hotelangestellten mit Deutschlandfähnchen empfangen wurde. Vorher, noch in der Nacht, hatte der 29-Jährige im Nobelhotel Kempinski die obligatorische Medaille für Länderspielneulinge überreicht bekommen und eine kurze Rede gehalten.
„Ich hätte auch nichts dagegen, dass er etwas singt“, hatte sein Mitspieler Jonas Hofmann vorher gewitzelt. „Aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“War es nicht, fand zumindest Füllkrug selbst. Der Stürmer hatte ja vorher schon einiges für eine gute Stimmung getan, hatte zum Ende des zähen Testspiels gegen den Oman das 1:0 geschossen – und so ein peinliches Unentschieden vermieden beim 75. der Fifa-Weltrangliste.
Füllkrug sorgte nach seiner Einwechslung für Youssoufa Moukoko, den zweiten Debütanten des Abends, für erheblich mehr Präsenz vor dem gegnerischen Tor. „Er gibt uns etwas, was wir vorher nicht so hatten, er ist ein richtiger Strafraumstürmer“, lobte Hofmann. „Er hat ein gutes Gefühl im Strafraum und er wird wichtig sein für uns“, meinte Kapitän Manuel Neuer. Und Bundestrainer Hansi Flick verriet: „Ich habe gesagt: Zeigt, dass ihr bereit seid für die WM. Er hat es gezeigt! Er war sehr präsent vorne im Sturmzentrum.“
Was prompt die Frage aufwarf, ob man diese Präsenz nicht auch im WM-Auftaktspiel gegen Japan am Mittwoch gebrauchen kann. „Ich will da nicht zu viel verraten“, wich Flick aus. „Wir lassen alles mit einfließen, deswegen haben wir noch ein paar Tage Zeit und können das
in Ruhe entscheiden.“Doch Füllkrug dürfte eher der Mann für die speziellen Momente bleiben. Der kommt, wenn sich die vielen Tempowuseler wieder und wieder im
gegnerischen Abwehrdickicht verfangen, wenn die Mannschaft dringend ein Tor braucht, egal wie.
„Ich bin nicht happy, wie wir verteidigt haben“, haderte Flick. „So dürfen wir bei der WM nicht spielen.“Und dann wies der Trainer gleich darauf hin, warum man bei der WM auch mit ziemlicher Sicherheit nicht so spielen werde: Es war ja eine reichlich zusammengewürfelte Mannschaft angetreten, die nur ein gemeinsames Training in den Beinen hatte, die das schwülwarme Klima noch nicht gewöhnt war und in der die Spieler als großes Ziel hatten, sich bloß nicht noch zu verletzen so kurz vor der WM.
Gladbacher Jonas Hofmann rechnet WM-Turnier vor
Aber man hatte ja gewonnen, immerhin, und Hofmann rechnete vor: „Wenn wir jedes Spiel 1:0 gewinnen, sind wir Weltmeister. Und wenn wir dabei schlecht spielen, würde mich das überhaupt nicht jucken und Fußballdeutschland sicher auch nicht.“Der Gladbacher weiß aber auch, dass besserer Fußball schon hilfreich wäre gegen die Gruppengegner Japan, Spanien und Costa Rica.
Viel Zeit ist nicht mehr bis zum WM-Auftakt, dafür einiges an Arbeit. „Klar ist, in allen Abläufen, ob das defensiv oder offensiv ist, brauchen wir noch Trainingseinheiten“, sagte Flick. Dennoch spendierte er der Mannschaft erst einmal einen freien Tag. „Nochmal runter von den Füßen, keine große Belastung, einfach nochmal runterfahren“, gab der Bundestrainer vor. Auf den ersten Blick ein Widerspruch, doch es passt zu Flicks Maxime: Selbstsicherheit und Ruhe ausstrahlen und nicht nach einem Testspiel alles umwerfen. „Ich bin ganz zuversichtlich“, verkündete der Bundestrainer. „Wenn wir uns auf Japan vorbereiten, dann hat jeder Einzelne das Spiel im Blick und jeder wird absolut fokussiert sein. Daher bin ich überzeugt, dass wir
da eine andere Mannschaft sehen, auch eine andere Körperlichkeit.“
Noch kürzer, noch prägnanter brachte es Armel Bella Kotchap auf den Punkt, der nach 30 Minuten für Lukas Klostermann gekommen war: „Wir nehmen das Positive mit und versuchen einfach, bei der WM alles besser zu machen.“
Alles besser machen – leicht gesagt, aber deutlich weniger leicht umgesetzt.