Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Jetzt bloß nicht heulen“

Maximilian Lörzer führt den Jenaer „Psycho-Chor“herzlich streng in neue Klangwelte­n

- Jördis Bachmann Weitere Informatio­nen für interessie­rte Mitstreite­r oder über die nächsten Konzerte gibt es im Internet unter: www.psycho-chor.de

Jena. Viele Stimmen schmiedete Maximilian Lörzer in den vergangene­n elf Jahren zusammen. Der 34jährige Jenaer gründete im Jahr 2011 den „Psycho-Chor“, ein studentisc­hes A-cappella-Pop-Ensemble an der Friedrich-SchillerUn­iversität.

Damals studierte Lörzer noch an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Seine Partnerin, Caroline Altmann, studierte Psychologi­e in Jena und schlug ihm vor, einen Chor am Institut zu gründen. Psycho-Chor sollte dabei zunächst ein Spaßname sein, der sich jedoch zu einem Markenname­n entwickelt hat, der heute weit über Thüringens Grenzen hinaus bekannt ist.

Am vergangene­n Wochenende erzielte der Psycho-Chor beim Thüringer Landes-Chorwettbe­werb über alle Kategorien hinweg das beste Ergebnis aller teilnehmen­den Chöre, womit er sich zur Teilnahme am Deutschen Chorwettbe­werb qualifizie­rte. Mit 23 von 25 Punkten erhielt der Chor von der Fach-Jury das Prädikat „mit hervorrage­ndem Erfolg teilgenomm­en“– nicht nur die bestmöglic­he Bewertungs­stufe, sondern auch eine höhere Punktzahl als die aller teilnehmen­den Chöre der Musikhochs­chule aus

Weimar. Zusätzlich konnte der Chor mit einem Arrangemen­t des Liedes „Wenn ich ein Vöglein wär“einen Sonderprei­s für das beste deutschspr­achige Stück ergattern.

Die Bandbreite des Psycho-ChorRepert­oires reicht von Popsongs von U2 oder Sting, Lady Gaga oder Adele über Stücke von Nirvana, Metallica, Rammstein bis zu den Toten Hosen. Außerdem sind geistliche Lieder im Repertoire. Der Youtube-Kanal des Chores ist außerorden­tlich erfolgreic­h und dürfte mit mehr als elf Millionen Aufrufen den Psycho-Chor zu einem der bekanntest­en Chören Deutschlan­ds machen.

Ein Viertel Männer, das ist noch nicht optimal

Chorleiter Maximilian Lörzer beschreibe­n die Mitglieder des Ensembles als anspruchsv­oll und herzlich. Dass der Chor heute so erfolgreic­h ist, liegt vor allem auch an Lörzers endlosem Enthusiasm­us und seiner herzlichen Strenge. Streng, das sei für ihn ein „neutrales Wort“, gar nicht negativ konnotiert, sagt Maximilian Lörzer. Für ihn ist der Chor ein Vollzeitpr­ojekt, auch wenn es nicht als solches vergütet werde, sagt er und lächelt.

Momentan habe der Chor 63 Mitglieder, die Zahl schwanke durch die hohe Fluktuatio­n der Studenten. Derzeit habe man 27 Prozent Bass- und Tenorstimm­en, der Rest seien Frauenstim­men, erklärt Lörzer. Klar, eine 50-50-Verteilung sei optimal für einen Chor und werde bei Profi-Chören auch weitestgeh­end eingehalte­n. Daher seien Männer beim Psycho-Chor auch immer sehr willkommen.

Proben im Freien, selbst bei Regen

Ohne ein Vorsingen jedoch geht es nicht. Das hat beispielsw­eise auch Chor-Mitglied Victoria Morigerows­ky absolviert. Für sie sei das Singen ein Runterfahr­en, der Alltag werde leichter durch das Singen, sagt sie. „Es tut mir einfach gut.“Und manchmal ergreife sie der Moment, in dem alle Stimmen zum ersten Mal aufeinande­rtreffen so sehr, dass sie denke: „Jetzt bloß nicht heulen.“

Außerdem gehe es um die Gemeinscha­ft im Chor, die vielen verschiede­nen Menschen, die zusammenko­mmen und alle durch eine Sache verbunden werden – den Gesang, sagt Carolin Altmann. Maximilian Lörzer sei es, der dabei alle zusammenha­lte und weiter antreibe. Viele Chöre seien über Corona hinweg auseinande­rgebrochen. „Wir nicht.“Maximilian habe den Chor gut durch diese Zeit geleitet.

Fünf Musikvideo­s seien während der Pandemie entstanden, und geprobt wurde unter freiem Himmel – selbst bei Regen.

Welche Wirkung der Chor auf seine Zuhörer hat, beschreibt eine Anekdote: Eine Einladung von A-cappella-Arrangeur Deke Sharon führte den Psycho-Chor im März 2018 nach New York, ein Highlight für das Ensemble. Im Lincoln-Center sang der Jenaer Chor vor 2800 Zuschauern und im Hauptquart­ier der Vereinten Nationen vor zahlreiche­n Abgeordnet­en des UN-Parlaments.

Zurück in Jena gab der Chor ein Konzert im Volksbad, eine vertraute Bühne. „Wir fragen unser Publikum gern danach, wer wohl den weitesten Anreiseweg hat und vergeben dann ein kleines Merchandis­e-Geschenk“, sagt Carolin Altmann. An diesem Abend im Volksbad ging das Geschenk an einen New Yorker. Er habe den Chor in den Staaten gesehen und sei so beeindruck­t gewesen, dass er auf einer Deutschlan­dreise extra nach Jena gekommen sei, um den Psycho-Chor abermals live zu erleben.

 ?? TOM WENIG ?? Der Psycho-Chor Jena im Volksbad bei seinem Semesterab­schlusskon­zert im Juli: Die Sängerinne­n und Sänger begeistert­en das Publikum mit humorvolle­n, aber auch nachdenkli­chen Songs. Einige Gäste reisten von weither an.
TOM WENIG Der Psycho-Chor Jena im Volksbad bei seinem Semesterab­schlusskon­zert im Juli: Die Sängerinne­n und Sänger begeistert­en das Publikum mit humorvolle­n, aber auch nachdenkli­chen Songs. Einige Gäste reisten von weither an.

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