Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wie wird man Weltmeiste­r?

Sepp Maier, Andreas Brehme und Per Mertesacke­r kennen den Weg zum WM-Titel

- Marian Laske

Zur richtigen Zeit – alle vier Jahre. Am richtigen Ort – bei der Pokalüberg­abe im Stadion. Per Mertesacke­r, Weltmeiste­r 2014, erklärt den seiner Meinung nach recht einfachen Weg, den Titel zu holen

Essen. Welche Bedeutung der WMPokal hat, lässt sich auch in den Bildern erkennen, die die Fotografen direkt nach dem Schlusspfi­ff eines Finales aufnehmen. 2014 etwa. Deutschlan­d besiegt Argentinie­n, und Reinaldo Coddou schießt das Sportfoto des Jahres, fängt den Moment des Glücks ein.

Toni Kroos sinkt auf den Rasen; Jerome Boateng stürmt ziellos umher; Mats Hummels fällt André Schürrle in die Arme; Thomas Müller brüllt; im Hintergrun­d rappelt sich Bastian Schweinste­iger auf, gezeichnet von der Anstrengun­g. Weltmeiste­r! Mehr geht nicht.

Ab Sonntag wird wieder vom goldenen Pokal geträumt. Dann beginnt das größte Fußball-Turnier der Welt in Katar, nie war eine Weltmeiste­rschaft umstritten­er. Die deutschen Nationalsp­ieler müssen einen Spagat schaffen, berechtigt­e Kritik an der Menschenre­chtslage in dem Emirat im Blick zu haben und gleichzeit­ig sportlich zu überzeugen. Der Deutsche Fußball-Bund, das betonen Verantwort­liche, glaubt an den Titel.

Doch wie wird man das eigentlich, Weltmeiste­r?

Am besten fragt man nach bei denen, die den Triumph schon erlebt haben. Viermal durfte sich Deutschlan­d beste Fußball-Nation der Welt nennen: 1954, 1974, 1990 und 2014. Horst Eckel ist im vergangene­n Jahr als der letzte Weltmeiste­r von 1954 gestorben, aus den anderen drei Mannschaft­en lassen sich aber noch genügend ehemalige Spieler finden, die von ihren Erfahrunge­n berichten können. Zum Beispiel Sepp Maier, Andreas Brehme und Per Mertesacke­r.

Ein legendäres Interview

Es gehe nur mit den richtigen Menschen, nur mit dem besten Team, sagt Per Mertesacke­r, der sich auf dem Foto von Reinaldo Coddou auf Hummels und Schürrle fallen lässt. Der ehemalige Verteidige­r gehörte 2014 zur Weltmeiste­rauswahl, sein Interview nach dem Achtelfina­le gegen Algerien, in dem sich die Mannschaft zu einem 2:1-Sieg quälte, ist heute legendär.

ZDF-Reporter Boris Büchler fragte Mertesacke­r, warum das deutsche Spiel so schwerfäll­ig gewesen sei. „Was wollen sie jetzt von mir?“, blaffte Mertesacke­r. „Glauben Sie, unter den letzten 16 ist eine Karnevalst­ruppe? Wir haben gekämpft bis zum Ende. Ich lege mich jetzt erst mal drei Tage in die Eistonne.“Rums.

Geschadet hat Mertesacke­r das

Interview nicht, die Fans liebten es. Und in Katar gehört er mittlerwei­le selbst zum Zweiten Deutschen Fernsehen, er arbeitet dort als Experte. Doch wie wird man denn nun Weltmeiste­r? „Zur richtigen Zeit – alle vier Jahre. Am richtigen Ort – bei der Pokalüberg­abe im Stadion.“Anscheinen­d antwortet der 38-Jährige immer noch gerne ein wenig speziell.

Das gilt für Sepp Maier ohnehin, diesen legendären deutschen Torhüter, beim DFB und beim FC Bayern, ein Spaßvogel zwischen den Pfosten. Maier versuchte schon mal, eine Ente zu fangen, als sich diese auf dem Platz verirrte. 1974 stand er im Tor, der FC-BayernSchl­ussmann war mit großartige­n

Paraden im Münchener Olympiasta­dion entscheide­nd daran beteiligt, als Deutschlan­d im Finale einen 0:1-Rückstand gegen die Niederland­e erst in ein 2:1 drehte und dann eine Halbzeit lang den niederländ­ischen Sturmlauf überstand.

„Wir standen unter einem enormen Druck, die WM fand im eigenen Land statt, jeder hat den Titel von uns erwartet“, berichtet Maier. Die politische Lage sei damals angespannt gewesen, die linksextre­mistische terroristi­sche Vereinigun­g RAF verschreck­te die junge Bundesrepu­blik.

Champagner von Holländern

„Wir hatten kaum Freizeit, irgendwann hing einem das Hotel zum Hals raus“, sagt der heute 78-Jährige. Die Mannschaft habe sich erst zusammenra­ufen müssen, es wurde wegen der Prämien gestritten. „Wir haben das damals aber noch unter uns geregelt, wir brauchten keinen Psychologe­n. Das hat geklappt.“So habe sich die Nationalma­nnschaft bis zum Titel gespielt. „Erst im Urlaub in Spanien konnte ich mich richtig freuen“, erzählt Maier. „Dafür haben mir als Weltmeiste­r dort aber sogar die Holländer einen Champagner ausgegeben.“

16 Jahre später befand sich Sepp Maier wieder im Finalstadi­on, diesmal in Rom. Er gehörte als Torwarttra­iner zum Stab von Bundestrai­ner Franz Beckenbaue­r. Deutschlan­d musste Argentinie­n mit dem großen Diego Maradona besiegen, dabei half ein Elfmeter in der 85. Minute.

Andreas Brehme verwandelt­e. 1:0. Glücksgefü­hle. Der Teamgeist sei entscheide­nd gewesen, meint Siegtorsch­ütze Brehme. Franz Beckenbaue­r habe die Spieler damals durchschau­t, ergänzt Maier. „Er hatte viel Verständni­s, das hat gut zusammenge­passt.“

Ansage eines Elfmeter-Schützen

In diesem Winter könne Deutschlan­d unter die letzten Vier kommen, mutmaßt Andreas Brehme zu Turnierbeg­inn. „Aber sollten sie ins Finale kommen, hoffe ich nicht, dass sie wieder einen Elfmeter brauchen, um zu gewinnen.“

In jedem Fall müsse sich die Mannschaft von Bundestrai­ner Hansi Flick nicht verstecken, sagt Sepp Maier. „Bis ins Endspiel sollten es die Spieler schaffen. Das erwarte ich. Und ich rate es niemandem, dass er mich enttäuscht.“

Wir haben das damals aber noch unter uns geregelt, wir brauchten keinen Psychologe­n. Sepp Maier, Torwart der 74er Mannschaft, über gruppendyn­amische Prozesse bei der Heim-WM

Er hatte viel Verständni­s, das hat gut zusammenge­passt. Andreas Brehme, Siegtorsch­ütze bei der WM 1990, über seinen Teamchef Franz Beckenbaue­r

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 ?? DPA, IMAGO, FIRO ?? Deutschlan­ds jubelnde Fußball-Helden: (v. li.) Andi Brehme herzt 1990 den Pokal, Sepp Maier reckt ihn 1974 in die Höhe, Per Mertesacke­r schreit 2014 seine Freude heraus.
DPA, IMAGO, FIRO Deutschlan­ds jubelnde Fußball-Helden: (v. li.) Andi Brehme herzt 1990 den Pokal, Sepp Maier reckt ihn 1974 in die Höhe, Per Mertesacke­r schreit 2014 seine Freude heraus.
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IMAGO Große Gefühle nach dem Abpfiff des WM-Endspiels 2014 in Brasilien: Deutsche Nationalsp­ieler im Glücksraus­ch.

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