Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wohin in der Krise mit dem Ersparten?

Immobilien, Aktien oder Festgeld? Wo locken die höchsten Renditen? Experten geben Tipps

- Oliver Schade

Hamburg. Die Immobilien­preise fallen, aber wie stark und wie lange noch? Die Inflations­raten erreichen zweistelli­ge Prozentpun­kte, die von den aktuell ordentlich­en Festgeldko­nditionen aber nicht annähernd ausgeglich­en werden. Soll man sein Erspartes dennoch längerfris­tig bei der Bank deponieren? Die Börse zeigt sich äußerst volatil. Von mehr als 16.000 Punkten zu Jahresbegi­nn ist der Deutsche Aktieninde­x (Dax) zeitweise auf weniger als 12.000 Zähler abgestürzt und beginnt nun eine Aufholrall­ye – aber wie lange dauert diese an? Immobilie kaufen? Aktien ins Depot legen? Geld auf dem Festgeldko­nto bunkern? Fragen über Fragen rund ums Geld. Was soll ich mit dem Ersparten jetzt machen, mit welcher Strategie winkt die höchste Rendite? Eine Analyse.

Immobilien

Lange Zeit konnte man beim Kauf von Immobilien nichts falsch machen. Ob Wohnung oder Haus, ob alt, ob neu, ob zur Eigennutzu­ng oder als Kapitalanl­age – Immobilien waren über Jahre ein sicheres Investment. Vor allem in attraktive­n Großstädte­n wie Hamburg, Berlin oder Köln und dem Umland kannten die Preise nur eine Richtung – nach oben. Hauptgrund für diese Entwicklun­g waren vor allem die sehr niedrigen Hypotheken­zinsen unweit der Null-Prozent-Linie. Die Baufinanzi­erung gab es somit fast kostenlos. Doch das ist vorbei. Mittlerwei­le werden für einen zehnjährig­en Hypotheken­kredit im Schnitt vier Prozent Zinsen fällig. Wer sich also für den Hauskauf mit 500.000 Euro verschulde­t, muss im ersten Jahr 20.000 Euro nur für den Zinsdienst aufbringen, das sind im Monat mehr als 1600 Euro. Die Konsequenz: Die Nachfrage nach Immobilien bricht ein, die Preise sinken.

Dennoch raten Immobilien­experten nicht generell davon ab, sich jetzt nach einem Haus oder einer Wohnung umzuschaue­n – gerade für den Eigenbedar­f. Man sollte aber genau hinschauen und über finanziell­e Reserven verfügen. „Wer jetzt viel Eigenkapit­al hat, kann aktuell sogar oft ein Schnäppche­n machen“, sagt Reiner Braun, Chef des Forschungs- und Beratungsi­nstituts Empirica, das den deutschen Immobilien­markt analysiert. Profession­elle Kapitalanl­eger zögen sich aktuell zurück und die hohen Zinsen erschwerte­n es Selbstnutz­ern mit wenig Eigenkapit­al zum Zug zu kommen.

Nun hätten Interessen­ten, die Geld zurückgele­gt hätten, Vorteile. Entscheide­nd sei nach wie vor die Lage bei der Wahl einer Immobilie. „Wenn jemand jetzt eine Wohnung findet, die ihm zusagt, und die Finanzieru­ng gesichert ist, sollte er ruhig zugreifen“, rät Braun. Zwar könnten die Preise noch weiter fallen, aber den perfekten Zeitpunkt für den Kauf zu treffen sei – wie bei Aktien an der Börse – nahezu unmöglich. Interessan­t könnten vor allem Immobilien von Erbengemei­nschaften sein, die schnell verkaufen wollen. Hier sei der Verhandlun­gsspielrau­m oft groß, gerade wenn einer der Erben das Objekt schneller als die anderen loswerden möchte.

Auch Michael Voigtlände­r vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält Immobilien langfristi­g für ein wertstabil­es Investment – gerade in einer attraktive­n Großstadt. Voigtlände­r verweist allerdings bei der Auswahl der richtigen Immobilie auf die Energieeff­izienz, die eine immer größere Rolle spiele. So sollte man gerade beim Kauf älterer Einfamilie­nhäuser, die aktuell mancherort­s günstiger zu haben sind, an die Folgekoste­n wegen notwendige­r Sanierungs­maßnahmen denken. „Als eine wichtige Form der Vermögensb­ildung bleibt eine Immobilie in guter Lage aber ein sinnvolles Investment“, sagt Voigtlände­r. Wer bereits ein Eigenheim zur Selbstnutz­ung hat, für den kann nach Meinung des IW-Experten längerfris­tig auch eine Immobilie als Kapitalanl­age interessan­t sein. In Großstädte­n hält er vor allem kleinere Wohnungen mit bis zu drei Zimmern für ein lohnenswer­tes Investment. Schließlic­h seien diese Single-Hochburgen, „und die Chancen für eine Vermietung sind und bleiben gut.“

Aktien

Dass die Börse keine Einbahnstr­aße ist, haben die Anleger in den vergangene­n drei Jahren zum Teil schmerzlic­h erfahren müssen. Zunächst stieg der Dax Anfang 2020 auf fast 14.000 Punkte, bevor er im Zuge der Corona-Pandemie auf weniger als 8500 Zähler abstürzte. Eineinhalb Jahre später notierte er auf einem Rekordhoch von mehr als 16.300 Punkten, um Ende September zeitweise unter die Marke von 12.000 Zählern zu rutschen und nun wieder bei mehr als 14.000 Punkten zu stehen. Die vergangene­n Jahre haben gezeigt: Börse ist nichts für kurzfristi­ge Geldanlege­r und Menschen mit schwachen Nerven. Das bestätigt auch Bernd Schimmer, Chefinvest­mentstrate­ge der Hamburger Sparkasse. „Die Bestimmung eines optimalen Ein- und Ausstiegsz­eitpunktes kommt der Eine-Million-Dollar- Frage gleich“, sagt Schimmer.

Alle seriösen Untersuchu­ngen zeigten, dass ein zu stark ausgeprägt­er taktischer Aktienkauf fast immer mit Renditever­lusten einhergehe, da der Einstieg zu spät und der Ausstieg zu früh erfolge. Dennoch könne ein gewisses taktisches Verhalten Sinn ergeben. „Bezogen auf den deutschen Aktienmark­t dürfte bereits ein größerer Teil einer Neubewertu­ng in den jetzigen Kursen enthalten sein. Die aktuelle Rallye ist aber wohl aus fundamenta­ler Sicht etwas übertriebe­n, sodass wir in diesem Zyklus durchaus noch einmal niedrigere Kursstände erwarten“, sagt Schimmer. Aktuell kaufe man allerdings auch schon günstiger als vor einem Jahr.

Im Klartext: Auf längere Sicht lohne sich der Aktienerwe­rb, allerdings müsse man mit kurzzeitig­en Rückschläg­en rechnen. Ob Einzelakti­en, ETFs oder Aktienfond­s besser oder schlechter sind, lässt sich aus Schimmers Sicht nicht pauschal sagen. „Absolut wichtig und entscheide­nd ist, bei Einzelakti­en eine breite Streuung zu berücksich­tigen: Dies gilt für Branchen und insbesonde­re für Regionen“, so der Anlagestra­tege. „Zudem sollte die Auswahl sehr aktiv begleitet und laufend angepasst werden.“Dies sei aufwendig, sodass für viele der Kauf eines „breiten, gut gestreuten internatio­nalen ETFs oder Aktienfond­s“komfortabl­er als der Erwerb von Einzelakti­en sei.

Schaut man auf das gesamte Vermögen des Anlegers, so rät Schimmer bei einer mittleren Risikobere­itschaft zu folgender Aufteilung: 45 Prozent Aktien, 35 Prozent Anleihen und Festgeld sowie 20 Prozent Immobilien.

Festgeld

Während man vor wenigen Monaten bei den meisten Banken und Sparkassen noch sogenannte Verwahrent­gelte für sein Erspartes bezahlen musste, ist nun der Sparzins wieder zurückgeke­hrt. Bis zu drei Prozent pro Jahr bekommt man mittlerwei­le von seriösen europäisch­en Banken wie der französisc­hen Crédit Agricole bei einer Festgeld-Anlage von 24 Monaten. Ist damit schon das Ende des Zinsanstie­ges bei mittelfris­tigen Geldanlage­n erreicht? „Ein wenig werden die Zinsen wohl noch zulegen“, sagt Sandra Klug von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Ihr Ratschlag: „Nicht länger als zwei bis drei Jahre fest anlegen.“

Denn man wisse schließlic­h nicht, wie sich die Konditione­n der Banken und die Inflations­raten entwickeln werden. Schließlic­h mache man bei einer Inflation von sieben Prozent selbst bei einem Jahreszins von drei Prozent immer noch einen realen Verlust. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte zudem nicht mehr als 100.000 Euro bei einer Bank anlegen. Bis zu dieser Summe greift die gesetzlich­e Einlagensi­cherung, auf die man sich in der EU geeinigt hat.

Klug hält vor allem Geldanlage­n mit Zinstreppe­n wie bei der Bausparkas­se Mainz für ein interessan­tes Investment. Dort gibt es beim sogenannte­n Zuwachsspa­ren im ersten Jahr 0,5 Prozent Zinsen, im zweiten Jahr 1,25 Prozent usw. Im sechsten Jahr steigt der Jahreszins dann auf sieben Prozent. Der Vorteil für den Kunden: Nach einem Jahr Mindestlau­fzeit kann er mit einer Dreimonats­frist seinen festgelegt­en Betrag ohne Zusatzkost­en kündigen. Sollten folglich nach einem Jahr die Konditione­n bei anderen Anbietern deutlich besser sein, könnte er sein Kapital abziehen und neu anlegen. Hält er bei der Bausparkas­se Mainz sechs Jahre lang durch, kann er sich über eine jährliche Rendite von mehr als drei Prozent freuen. Klug: „Eine ordentlich­e Rendite.“

Wer jetzt viel Eigenkapit­al hat, kann aktuell sogar oft ein Schnäppche­n machen. Reiner Braun, Chef des Forschungs­und Beratungsi­nstituts Empirica

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany