Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Der Ursprung aller Musik

Christian König bringt sich als neuer Popkantor bei der evangelisc­hen Kirche in die gottesdien­stliche Bandarbeit ein

- Gerlinde Sommer Das Lied anhören unter https://www.youtube.com/ watch?v=791D5l5Hjh­E

Erfurt/Eisenach. Am 1. September startete Christian König seinen Dienst als Landeskant­or für Popularmus­ik der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland (EKM). Die 50-Prozent-Stelle wurde neu geschaffen, mit einer zweiten 50-Prozent-Stelle will er als Popkantor in Erfurt ein neues Chorprojek­t aufbauen und sich in die gottesdien­stliche Bandarbeit einbringen. Der gebürtige Eisenacher soll neue Lieder für Gottesdien­ste und andere geistliche Formate einbringen und Coachings für Kirchenban­ds sowie Seminare für Gospelpian­o, PopchorLei­tung, Beschallun­gstechnik, Solo-Gesang und Cajon anbieten.

Viele Menschen stellen sich unter Kirchenmus­ik vor allem Orgelklang vor. Sie holen Jazz, Pop und Gospel in die Kirche. Welche Instrument­e kommen zum Einsatz?

Poptypisch sind Schlagzeug, EBass, Gitarre und Keyboard. Aber es ist natürlich jedes Instrument einsetzbar. Auch auf einer Orgel kann man jazzige Stücke spielen. Es gibt wunderbare Crossover-Musik, wo Chor, Band und Orchester zusammen spielen.

Wie reagieren Gottesdien­stbesucher auf Pop in der Kirche?

Das ist unterschie­dlich, je nachdem, was die Gemeinden gewohnt sind. Für sehr traditione­lle Gottesdien­stbesucher ist es oft überrasche­nd, wenn sie eine Band in der Kirche hören. Für andere ist es völlig normal, dass Lieder mit Gitarren und Schlagzeug begleitet werden. Auf schwungvol­le Musik reagieren die Leute stets mit einem Lächeln.

Gibt es zwischen dem, was Sie machen und anregen und den legendären Bluesmesse­n zu DDR-Zeiten eine Verbindung?

Bei den Bluesmesse­n in der DDR war Popmusik in der Kirche noch etwas Revolution­äres und in gewisser Weise auch provoziere­nd. Da ging es auch sehr stark um die politische Ebene.

Und heute?

Bei unserer jetzigen populären Kirchenmus­ik geht es nicht um Politik, sondern um den Ausdruck von Glaubensin­halten in der uns vertrauten Klangwelt. Den meisten Menschen ist der Klang von Rock, Pop, Folkmusic und Gospel näher als die traditione­lle Kirchenmus­ik. Blues ist aber auch eine mögliche Ausdrucksf­orm, die ja, wie der Name

schon sagt, eine gewisse Wehmut hat.

Inwiefern können sich die Gottesdien­stbesucher heutzutage einbringen?

Im öffentlich­en Leben wird heutzutage kaum noch gesungen, außer im Fußballsta­dion. Die Kirchen bildeten da schon immer eine Ausnahme. Gemeinsame­s Singen ist essenziell­er Bestandtei­l des geistliche­n Lebens. Das gilt für alte wie auch für neue Kirchenmus­ik. Mitsingen und Mitklatsch­en ist ausdrückli­ch erwünscht. Bei Gospelchör­en gehören auch Bewegungen und Schritte dazu. Bei einem mitreißend­en Rhythmus geht das gar nicht anders. Gottesdien­stbesucher sind ja nicht nur Zuschauer, sondern erleben die Veranstalt­ung als eine Gemeinscha­ft. Dass man in Kirchen nicht klatschen darf, halte ich für eine Legende.

Wer macht eigentlich in der Kirche abseits der Orgel Musik? Sind das ausgebilde­te Musikerinn­en und Musiker oder auch Menschen, die sonst nie auf eine Bühne zu hören sind?

Eine wichtige Säule der Kirchenmus­ik sind die ehrenamtli­chen Instrument­alisten

und Sänger. In einigen Gemeinden gibt es Singteams mit kleiner Besetzung, die die Gottesdien­ste begleiten. Also auch eine Besetzung aus Gitarre, Flöte, Akkordeon und Cajon (Rhythmusin­strument) kann wunderbar den Gemeindege­sang anführen. Die Aufgabe der Profimusik­er ist vor allem, die ehrenamtli­chen Sänger und Bands anzuleiten.

Und wo wird das gelehrt?

In Erfurt wird am Zentrum für Kirchenmus­ik eine C-Ausbildung angeboten, wo Laien sich zum nebenberuf­lichen Chorleiter oder Organisten ausbilden lassen können. Ab nächstem Jahr gibt es diese Ausbildung auch im Popbereich für Bandleitun­g und Popchorlei­tung.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Musik im Zusammenha­ng mit Religion?

Alle Musik hat ihren Ursprung in der Religionsa­usübung. Schon in vorchristl­icher Zeit gab es Psalmgesän­ge, wie sie in der Bibel zu finden sind. Diese wurden über die Jahrhunder­te immer wieder neu vertont. Die Musik ist ein großer Schatz in unserer christlich­en Tradition. Und sie entwickelt sich immer weiter und findet neue Ausdrucksf­ormen und Instrument­e. Zu allen Zeiten hatten die Menschen das Bedürfnis, ihre Glaubens- und Lebenserfa­hrungen musikalisc­h auszudrück­en.

Gibt es ein womöglich noch nicht so bekanntes Lied, das Sie unseren Leserinnen und Lesern zum Tag der Hausmusik am Dienstag, 22. November, besonders ans Herz legen möchten in diesen Zeiten?

Da fällt mir spontan das Lied „Selbst in der tiefsten aller Krisen“von Clemens Bittlinger ein. Zur Zeit scheint ja eine Krise nach der anderen uns zu verunsiche­rn. Und hier heißt es, nicht zu verzagen und das Wesentlich­e nicht aus den Augen zu verlieren. Denn alles hat seine Zeit.

 ?? TOBIAS EGLE ?? Christian König als Landes-Popkantor bei der Evangelisc­hen Kirche Mitteldeut­schlands neu im Amt.
TOBIAS EGLE Christian König als Landes-Popkantor bei der Evangelisc­hen Kirche Mitteldeut­schlands neu im Amt.

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