Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Der Ursprung aller Musik
Christian König bringt sich als neuer Popkantor bei der evangelischen Kirche in die gottesdienstliche Bandarbeit ein
Erfurt/Eisenach. Am 1. September startete Christian König seinen Dienst als Landeskantor für Popularmusik der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Die 50-Prozent-Stelle wurde neu geschaffen, mit einer zweiten 50-Prozent-Stelle will er als Popkantor in Erfurt ein neues Chorprojekt aufbauen und sich in die gottesdienstliche Bandarbeit einbringen. Der gebürtige Eisenacher soll neue Lieder für Gottesdienste und andere geistliche Formate einbringen und Coachings für Kirchenbands sowie Seminare für Gospelpiano, PopchorLeitung, Beschallungstechnik, Solo-Gesang und Cajon anbieten.
Viele Menschen stellen sich unter Kirchenmusik vor allem Orgelklang vor. Sie holen Jazz, Pop und Gospel in die Kirche. Welche Instrumente kommen zum Einsatz?
Poptypisch sind Schlagzeug, EBass, Gitarre und Keyboard. Aber es ist natürlich jedes Instrument einsetzbar. Auch auf einer Orgel kann man jazzige Stücke spielen. Es gibt wunderbare Crossover-Musik, wo Chor, Band und Orchester zusammen spielen.
Wie reagieren Gottesdienstbesucher auf Pop in der Kirche?
Das ist unterschiedlich, je nachdem, was die Gemeinden gewohnt sind. Für sehr traditionelle Gottesdienstbesucher ist es oft überraschend, wenn sie eine Band in der Kirche hören. Für andere ist es völlig normal, dass Lieder mit Gitarren und Schlagzeug begleitet werden. Auf schwungvolle Musik reagieren die Leute stets mit einem Lächeln.
Gibt es zwischen dem, was Sie machen und anregen und den legendären Bluesmessen zu DDR-Zeiten eine Verbindung?
Bei den Bluesmessen in der DDR war Popmusik in der Kirche noch etwas Revolutionäres und in gewisser Weise auch provozierend. Da ging es auch sehr stark um die politische Ebene.
Und heute?
Bei unserer jetzigen populären Kirchenmusik geht es nicht um Politik, sondern um den Ausdruck von Glaubensinhalten in der uns vertrauten Klangwelt. Den meisten Menschen ist der Klang von Rock, Pop, Folkmusic und Gospel näher als die traditionelle Kirchenmusik. Blues ist aber auch eine mögliche Ausdrucksform, die ja, wie der Name
schon sagt, eine gewisse Wehmut hat.
Inwiefern können sich die Gottesdienstbesucher heutzutage einbringen?
Im öffentlichen Leben wird heutzutage kaum noch gesungen, außer im Fußballstadion. Die Kirchen bildeten da schon immer eine Ausnahme. Gemeinsames Singen ist essenzieller Bestandteil des geistlichen Lebens. Das gilt für alte wie auch für neue Kirchenmusik. Mitsingen und Mitklatschen ist ausdrücklich erwünscht. Bei Gospelchören gehören auch Bewegungen und Schritte dazu. Bei einem mitreißenden Rhythmus geht das gar nicht anders. Gottesdienstbesucher sind ja nicht nur Zuschauer, sondern erleben die Veranstaltung als eine Gemeinschaft. Dass man in Kirchen nicht klatschen darf, halte ich für eine Legende.
Wer macht eigentlich in der Kirche abseits der Orgel Musik? Sind das ausgebildete Musikerinnen und Musiker oder auch Menschen, die sonst nie auf eine Bühne zu hören sind?
Eine wichtige Säule der Kirchenmusik sind die ehrenamtlichen Instrumentalisten
und Sänger. In einigen Gemeinden gibt es Singteams mit kleiner Besetzung, die die Gottesdienste begleiten. Also auch eine Besetzung aus Gitarre, Flöte, Akkordeon und Cajon (Rhythmusinstrument) kann wunderbar den Gemeindegesang anführen. Die Aufgabe der Profimusiker ist vor allem, die ehrenamtlichen Sänger und Bands anzuleiten.
Und wo wird das gelehrt?
In Erfurt wird am Zentrum für Kirchenmusik eine C-Ausbildung angeboten, wo Laien sich zum nebenberuflichen Chorleiter oder Organisten ausbilden lassen können. Ab nächstem Jahr gibt es diese Ausbildung auch im Popbereich für Bandleitung und Popchorleitung.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Musik im Zusammenhang mit Religion?
Alle Musik hat ihren Ursprung in der Religionsausübung. Schon in vorchristlicher Zeit gab es Psalmgesänge, wie sie in der Bibel zu finden sind. Diese wurden über die Jahrhunderte immer wieder neu vertont. Die Musik ist ein großer Schatz in unserer christlichen Tradition. Und sie entwickelt sich immer weiter und findet neue Ausdrucksformen und Instrumente. Zu allen Zeiten hatten die Menschen das Bedürfnis, ihre Glaubens- und Lebenserfahrungen musikalisch auszudrücken.
Gibt es ein womöglich noch nicht so bekanntes Lied, das Sie unseren Leserinnen und Lesern zum Tag der Hausmusik am Dienstag, 22. November, besonders ans Herz legen möchten in diesen Zeiten?
Da fällt mir spontan das Lied „Selbst in der tiefsten aller Krisen“von Clemens Bittlinger ein. Zur Zeit scheint ja eine Krise nach der anderen uns zu verunsichern. Und hier heißt es, nicht zu verzagen und das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Denn alles hat seine Zeit.