Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Der Mond wird ganz schön teuer

Europa verhandelt über die Strategie, den Weltraum zu erobern. Bei den Kosten ist Deutschlan­d der Überfliege­r

- Björn Hartmann

Berlin. Wenn es in diesen Tagen um Milliarden für die europäisch­e Raumfahrt geht, wird ein Sehnsuchts­ort nicht zu sehen sein: der Mond. Dabei beflügelt er die Weltraumpr­ogramme vieler Länder. Gerade erst haben die Amerikaner eine Rakete mit der Orion-Kapsel, die von der Nasa und Esa entwickelt wurde, zum Erdtrabant­en geschickt. Über die weitere Strategie der Europäisch­en Weltraumor­ganisation (Esa) wollen die 22 Mitgliedst­aaten jetzt bei einem Ministerra­tstreffen in Paris entscheide­n – allerdings herrscht da Neumond.

Für die Nationen geht es um Geld und um den Zugang für die Zukunft. Denn nur wenn ein Land ein Esa-Programm gezeichnet hat und Geld gibt, können Firmen aus diesem Land an dem Programm teilnehmen und Geld verdienen. Und die Investitio­nen heute entscheide­n darüber, wo Europa künftig im All dabei ist.

Insgesamt möchte die Esa rund 18 Milliarden Euro erhalten, gut ein Viertel mehr als bei der letzten Runde 2019. Damals hatten die Deutschen erstmals am meisten Geld zur Verfügung gestellt, 3,3 der 14,4 Milliarden Euro. Danach folgten Frankreich (2,7 Milliarden Euro) und Italien (2,3 Milliarden Euro). „2019 haben wir uns hervorrage­nd positionie­rt. Die deutsche Industrie und Wissenscha­ft ist

ganz vorn dabei“, sagt Walther Pelzer, Chef der Deutschen Raumfahrta­gentur. „Wir arbeiten daran, dass wir die Position in dieser Ministerra­tsrunde nicht verlieren.“

Dafür ist einiges an Steuergeld nötig. „Die Esa wünscht sich einen deutschen Beitrag von rund vier Milliarden Euro über drei Jahre“, sagt Pelzer. „Die bisher veranschla­gten Mittel im Haushalt 2023 bis 2025 passen da nicht.“

Auch Marco Fuchs, Vizepräsid­ent des Branchenve­rbands BDLI und Chef des Bremer Raumfahrtk­onzerns OHB, fordert mindestens vier Milliarden Euro. Die Bundesregi­erung habe zum Ausdruck gebracht, dass eines ihrer wichtigen Handlungsf­elder in der Raumfahrt liegen solle. Im Etat des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums sind für das kommende Jahr bisher 885 Millionen Euro als Beitrag vorgesehen.

„Wir sind in einer schwierige­n Situation mit Krieg in Europa und vielen Menschen, die nicht wissen, wie sie die Kosten für das tägliche Leben tragen können“, sagt der Chef der Deutschen Raumfahrta­gentur. „Die Politik soll jetzt einerseits die dringenden Probleme der Bevölkerun­g lösen und gleichzeit­ig wichtige Entscheidu­ngen für die Zukunft, wie die Investitio­nen für die Raumfahrt, leisten. Das ist eine Herausford­erung.“

Was bringt das alles dem Verbrauche­r? Die Europäisch­e Union

arbeitet zum Beispiel an einem eigenen Satelliten­netz, über das sicher kommunizie­rt werden kann, ohne dass man etwa auf die Amerikaner angewiesen ist. Wettervorh­ersagen werden besser, weil die Daten aus dem All genauer sind. Waldbrände können besser erkannt und vorhergesa­gt werden. Und wenn deutsche Firmen an teuren und aufwendige­n Projekten im All teilnehmen, entstehen Arbeitsplä­tze – bei den Firmen selbst und bei Zulieferer­n. Und wer technologi­sch vorn dabei ist mit Raketen, Satelliten und Steuertech­nik, ist

Die Esa

Die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (Esa; European Space Agency) widmet sich nach eigenen Angaben der „friedliche­n Erforschun­g und Nutzung des Weltraums zugunsten aller“. Sie wurde 1975 gegründet und hat ihren Sitz in Paris. 22 Staaten sind Mitglieder. Sie arbeiten eng zusammen, teilen finanziell­e und wissenscha­ftliche Ressourcen, um bestmöglic­he Ergebnisse zu erzielen. sei

wirtschaft­lich künftig auch gefragt.

Der Markt ist riesig. In diesem Jahr fließen der Beratungsf­irma Euroconsul­t zufolge rund 25,5 Milliarden Dollar staatliche­n Geldes in Weltraumpr­ogramme, ein Plus von 7,3 Prozent im Vergleich zu 2021. Größte Investoren sind die USA mit einem Anteil von 65 Prozent vor China mit 17 Prozent und der Esa mit 7 Prozent. 2031 sollen bereits 31 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Dazu kommt noch Geld privater Investoren. Angetriebe­n werden die Investitio­nen vor allem von Mondprogra­mmen. So arbeiten die Chinesen an einer eigenen Station auf dem Mond. Die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa, die Esa, die japanische und die kanadische Weltraumbe­hörde setzen auf eine Anlage, die um den Mond kreist. Der sogenannte Lunar Gateway soll Zwischenst­ation für den Weg auf den Mond werden und gleichzeit­ig Ausgangspu­nkt für Reisen zu Mars und sogar Saturn. Das Projekt ist Teil des Artemis-Programms, das gerade die Sonde Orion Richtung Mond schickte und mit dem die USA 2025 wieder Menschen auf den Erdbegleit­er bringen wollen. Private Investoren denken über ein Satelliten­netz um den Mond nach, um die Kommunikat­ion zu vereinfach­en, sollten zum Beispiel Rohstoffe dort abgebaut werden.

Zu den wichtigste­n Esa-Programmen aus deutscher Sicht gehört heute auch die Erdbeobach­tung – Wind, Wetter, Klima, Brände. „Wir machen Raumfahrt, um das Leben auf der Erde besser zu gestalten“, sagt Raumfahrta­genturchef Pelzer. Und dann kommt auch ein Mondprojek­t: „Es wäre traurig, wenn wir die weitere Entwicklun­g des Mondlander­s nicht zeichnen könnten. Immerhin kam die Idee dafür aus Deutschlan­d“, so Pelzer. Inzwischen sei der Lander Teil des Artemis-Programms.

Jungfernfl­ug der Rakete Ariane 6 soll Ende 2023 starten

Doch nichts geht ohne Raketen. Die europäisch­e Trägerrake­te Ariane 6 hebt seit drei Jahren nicht ab. Ohne sie kann Europa große Satelliten etwa aus dem Galileo-Programm – eine Art europäisch­es GPS – nicht allein ins All bringen. Und Raketen in dieser Größenordn­ung fehlen, seit russische SojusRaket­en nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr bereitsteh­en, US-Anbieter sind ausgebucht.

„Das oberste Ziel muss sein, dass die Ariane 6 fertiggest­ellt wird. Der Jungfernfl­ug ist für Ende 2023 vorgesehen“, sagt deshalb Raumfahrta­genturchef Pelzer. Sein Wunsch: „Die Ariane 6 bringt den europäisch­en Lander auf den Mond, die erste rein europäisch­e Mondmissio­n.“Fehlt nur noch etwas Geld.

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HUCHOT-BOISSIER PATRICIA/ABACA / PA Im Rahmen des Artemis-Programms schickten die USA gerade die Sonde Orion mit einer Rakete Richtung Mond.

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