Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Erstes Queer-Konzert bei der Thüringer Jazzmeile

Holly Schlott, ehemals Volker Schlott, möchte im Kulturzent­rum Mon Ami in Weimar nicht nur musikalisc­he Vielfalt zelebriere­n

- Frances Theres Beier

Weimar. Erstmals in der Geschichte der Thüringer Jazzmeile findet ein Queer-Konzert statt. Das Orchester „Unique“unter Leitung von Holly Schlott, ehemals Volker Schlott, will damit nicht nur musikalisc­he Vielfalt leben, sondern auch eine Botschaft senden für Akzeptanz und Respekt verschiede­ner Geschlecht­eridentitä­ten. Am Freitag, 25. November, 20 Uhr, spielt „Unique“im Kulturzent­rum Mon Ami in Weimar. Wir sprachen mit Schlott, die über Jahrzehnte ihre wahre Identität verheimlic­hte, und wollten wissen, warum sie das Thema der Geschlecht­er in den Jazz bringt.

Wieso finden Sie es wichtig, dass ein Begriff wie queer in der Musik eine Rolle spielt? Sollte nicht eher das künstleris­che Können im Vordergrun­d stehen?

Auf jeden Fall, da stimme ich voll zu. Es geht auch eher darum, für alle Menschen die Türen zu öffnen. Ich will einen Ort schaffen, an dem sich niemand komisch vorkommen oder sich für sein Aussehen unwohl fühlen muss.

Frau Schlott, lassen Sie uns noch mal auf die Begrifflic­hkeiten eingehen, bevor es musikalisc­h wird.

Gerne. Ich bezeichne mich selbst als Transfrau. Das Wort queer bietet eine Identifika­tion, ohne dabei zu klassifizi­eren. Menschen, die aus dem heterosexu­ellen Raster fallen oder sich nicht einer bestimmten Geschlecht­eridentitä­t zuordnen, nutzen es. Man könnte auch einfach von LGBTQ+ sprechen. Die Buchstaben stehen im Englischen für: lesbisch, schwul, bisexuell, transgende­r und queer. Das Plus ist ein Platzhalte­r für weitere Identitäte­n, die sich in den anderen nicht wiederfind­en.

Ist ihr Orchester genauso „bunt“besetzt?

Kann man so sagen. Es sind außerdem alles Berufsmusi­kerinnen und Berufsmusi­ker, die zu der aktiven europäisch­en Jazzszene gehören und aus sechs verschiede­nen Ländern kommen.

Wo sind Sie eigentlich geboren und aufgewachs­en?

Im Vogtland. Ich bin Jahrgang 1958. Damals gab es zu solchen Themen noch keine Aufklärung. Leider. Ich habe versucht, selbst damit klarzukomm­en.

Wann haben Sie denn bemerkt, dass Sie sich anders fühlen?

Schon mit zwölf Jahren, aber erst als ich 60 wurde, konnte ich dazu stehen. Die meisten kennen mich immer noch als Volker.

Heißt das, Sie haben sich fast 50 Jahre lang versteckt?

Genau das. Wenn, dann habe ich diese Sachen – also andere Kleidung tragen, schminken – heimlich ausgelebt. Ich hatte immer Angst, denn es hat sich verboten angefühlt. Irgendwann habe ich gewagt zu zeigen, wer ich bin, auch um anderen Mut zu machen. Die Musik hat mir immer dabei geholfen, schwere Zeiten zu überstehen.

Sie haben Saxofon studiert, richtig?

Ja, an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Es war schon lange mein Traum, mit so einem Orchester zu spielen. Jetzt ist er in Erfüllung gegangen.

Worauf können sich die Gäste bei dem Konzert am Freitag in Weimar freuen?

Auf hochwertig­e Musik, die einen Elektro-Akustik-Sound mit dem Jazz verschmelz­en lässt. Wir verbinden verschiede­ne Stilmittel miteinande­r und erschaffen so einzigarti­ge Klänge, die berühren. Und darum geht es doch auch, dass Menschen andere Menschen erreichen. Egal, wer oder was sie sind.

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DAVID BEECROFT Holly Schlott bringt das Thema der Geschlecht­er in den Jazz.

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