Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Lektionen in Größenwahn
kleckern, sondern klotzen war schon immer der Anspruch von Guns n’ Roses an das eigene Werk. Doch was die Band aus Los Angeles Anfang der Neunzigerjahre auf den Markt wirft, sprengt Dimensionen. Statt eines Doppelalbums veröffentlichen die Gunners 1991 mal eben zwei Alben – an einem Tag.
„Use your Illusion I“und „Use your Illusion II“ziert als Albumcover ein bearbeiteter Ausschnitt des Gemäldes „Die Schule von Athen“von Raffael. Der Doppelschlag vereint 30 Songs, mindestens zehn wurden als Singles ausgekoppelt.
Die Erste, „You could be mine“, ist ein PR-Coup: der Song gehört zum Soundtrack des SchwarzeneggerStreifens „Terminator 2“. Auf „The Garden“singt Alice Cooper mit und die Coverversionen stammen von
Paul McCartney und seinen Wings („Live and let die“) sowie Bob Dylan („Knockin‘ on Heaven’s Door“) – Axl Rose, Slash, Duff McKagan und Co. stellen sich selbstbewusst auf die Schultern von Giganten.
„Don’t cry“stammt aus der Zeit der Bandgründung, mit „November Rain“setzt sie sich gegen ihre Plattenfirma durch und veröffentlicht die Powerballade mit Überlänge (fast neun Minuten) als Single. – Es wird ein Hit, wie die meisten (siehe auch „Yesterdays“oder „Civil War“) und wenn nicht, sorgen die markanten Videos in Dauerrotation auf MTV für einen Evergreen-Effekt.
Guns n’ Roses werden mit den beiden Alben massentauglicher, sie öffnen ihren Hard-Rock für EleNicht mente aus Blues, Punk und der Klassik. Auf dem gut zehnminütigen „Coma“kommt sogar ein Defibrillator als, nun ja, Musik-Instrument zum Einsatz. Nach diesem Kraftakt scheint die Band kreativ erst mal blank zu sein, nach einem Cover-Album folgt die Trennung.
Den Eindruck erwecken auch die remasterten Editionen zum leicht verspäteten 30-Jährigen, mit der die berühmten Zwillingsalben der Rockmusik um 67 Songs erweitert werden. Jedoch nicht mit Demos, Outtakes oder unveröffentlichten Songs. Alle zusätzlichen Tracks sind Live-Aufnahmen: zwei komplette Konzerte (New York auch auf BluRay und Las Vegas) gibt es in der Super-Deluxe-Box plus Buch und Merchandise-Artikeln. Die Varianten als Doppel-CD/Vierfach-LP haben wieder andere, ausgewählte Live-Songs. Und „November Rain“bekommt statt Keyboardstreichern ein 50-köpfiges Orchester.
Die beiden Lektionen in Größenwahn machten sich auf lange Sicht bezahlt: Guns n’ Roses waren für eine kurze Zeit die Band der Stunde. Von diesen Meriten lebt die inzwischen wiedervereinte und tourende Band immer noch.