Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Alphatierische Brieffreunde
Das bisschen Haushalt macht sich von allein. Von wegen. Der 70-erJahre-Hit gilt in Thüringen schon lange nicht mehr.
Johanna von Koczian nahm damals ironisch reimend die männliche Sicht auf die seinerzeit geltende Rollenverteilung bei der Familienarbeit aufs Korn. Doch über die Protagonisten der freistaatlichen EtatFehde hätte sie sich sicherlich ebenso gut amüsieren können.
Dumm nur, dass die gegenseitige Blockade nicht lustig ist. Wird der Zeitplan gerissen und der Landeshaushalt nicht im Dezember verabschiedet, haben vor allem Kommunen, Unternehmen und Vereine nichts mehr zu lachen. Sie warten dann vergeblich auf dringend benötigte Landesgelder für 2023.
Inzwischen hat der Zwist um das grundlegende Zahlenwerk zu voradventlichen Depeschen zwischen CDU-Fraktionschef Mario Voigt und Ministerpräsident Bodo Ramelow geführt. Der Christdemokrat und der Linke verkehren zurzeit lieber schriftlich miteinander. In Zeiten von E-Mail und mobilen Kurznachrichten ist das beinahe die Rückkehr zu einer schönen alten Tradition. Zumindest dann, wenn man dem Testosteron gesteuerten
Trauerspiel der beiden, die 2024 um die Staatskanzlei konkurrieren wollen, etwas Positives abgewinnen möchte.
Es gibt Weggefährten, die die Disharmonie indes nicht mehr parteipolitisch begründen, sondern astrologisch. Voigt und Ramelow sind Sternzeichen Wassermann. Stärken: rasche Auffassungsgabe, Weitsicht. Schwächen: eigenwillig, unberechenbar.
Damit wird einiges klar.
So eine alphatierische Brieffreundschaft muss man sich natürlich erst verdienen. So weit ist Georg Maier noch nicht. Der Sozialdemokrat hat andere Sorgen. Maier war mal Banker, ist zurzeit Innenminister – unter Ramelow – und wäre in zwei Jahren gerne dessen Nachfolger als Regierungschef. Doch der gebürtige Baden-Württemberger muss nicht nur gegen den miesen Bundestrend seiner SPD ankämpfen. Er hadert auch immer noch oder neuerdings wieder (Man weiß es nicht genau) mit seiner westdeutschen Herkunft. Dabei lebt Maier seit Jahren in Thüringen, ist nahbar und hat trotz eines gewissen Hangs zur Selbstinszenierung politisch deutlich an Profil gewonnen.
„Immer häufiger, wenn es Streit gibt, wird es persönlich. Plötzlich bin ich dann wieder der Wessi“, hat er jüngst der „Zeit“gesagt. Und: Es gebe Momente, in denen seine Frau und er überlegten, aus Thüringen wegzuziehen.
Maier ist Sternzeichen Stier. Eine der Stärken: absolute Ehrlichkeit. Manche legen das als Schwäche aus.