Die Hand weist den Weg

Mit der Entfaltung des freien Willens ist es in Katar bekanntlich nicht so einfach. Das beginnt schon mit der einfachen Frage, wohin man gerne laufen würde. Zumindest dann, wenn man sich einer Metrostation nähert, einem WM-Stadion, der Fanmeile in Katars Hauptstadt Doha, oder dem Souq Waqif – jenem Markt, der 2006 renoviert und so gestaltet wurde, dass er richtig alt und traditionell wirkt.

Der Souq Waqif ist das inoffizielle Zentrum der WM, hier treffen sich Fans aus aller Welt. Um die vielen Menschen zu steuern, gibt es Helfer. Viele Helfer. Sehr viele Helfer. Die meisten von ihnen haben exakt eine Aufgabe: die auf sie zulaufenden Fußgänger sehr bestimmt mit der immer gleichen Geste in die immer gleiche Richtung zu lenken. Manchmal haben sie dabei eine überdimensionierte und alberne Hand aus Schaumstoff mit ausgestrecktem Zeigefinger übergezogen. Weil man offenbar Sorge hat, dass diese grotesk großen Hände übersehen werden könnten, sind manche Helfer noch mit Megafonen ausgestattet, aus denen höchst monoton der Satz klingt: „To Metro this way! To Metro this way! To Metro this way!“Also: Zur Metro hier entlang! Klingt ein bisschen wie früher auf der Kirmes: RATATA, DIE NÄCHSTE RUNDE GEHT RÜCKWÄRTS!

Rückwärts aber geht in Katar gar nichts, es gibt immer nur die eine Richtung. Durchaus sinnvoll, wenn es wie am Souq richtig voll ist. Aber eher fragwürdig, wenn man morgens allein in einer gigantischen Metrostation unterwegs ist. Die linke Rolltreppe würde zum Ziel führen, aber davor wedelt eine Schaumstoffhand unerbittlich nach rechts. Dort hinunter bitte, den Bahnsteig entlang, die Rolltreppe gegenüber wieder hinauf, einmal rum und auf der anderen Seite runter. Aber es sind doch nur drei Schritte, und es ist doch weit und breit kein Mensch zu sehen, kann man nicht eben…?

Kann man nicht! So werden aus 20 Metern 200. Das braucht außer meinem Schrittzähler niemand.

Sebastian Weßling, WM-Reporter