Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Die Fische, die keine sind
Eine Betondeko an vielen Schulen geht als Fisch in die Geschichte ein. Der Erfinder dieser Form ist Erfurter und klärt das Rätsel auf
Erfurt. Wer eine DDR-NeubauSchule besucht hat, könnte sie gesehen haben oder in einem unbeobachteten Moment auch auf ihnen herumgeklettert sein: die Beton-Fische an den Hausfassaden. Als „Fisch“hat sich die dekorative Form im Gedächtnis der Menschen eingebrannt, doch der Lauf der Dinge zeigt, dass nicht alles ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Eine Frage nach dem Betonelement führte auf der Plattform Twitter zu einer regen Diskussion unter Bauhistorikern, Architekten und Instituten. Die Diskussion über das geplante oder zufällige Aussehen des Betonelements schaffte es nach Umwegen durch Berlin, Brandenburg und Co. schließlich wieder zurück nach Erfurt – zum Erfinder der Form. Der Architekt im Ruhestand war in den 1970er-Jahren mit der Projektierung von Schulen des Typs „Erfurt“betraut. Ab 1966 wurden Schulbauten entwickelt, die im Bezirk Erfurt und darüber hinaus in der Republik gebaut wurden. Bis 1975 waren die Fassaden mit drei waagerechten Balken über den Fenstern der Treppenhäuser zurückhaltend gestaltet. Mit dem Architekten, der sich mit anderen Fassadengestaltungen verdient gemacht hatte, sollte sich das ändern: „Ich habe mir etwas ausgedacht, damit die Schulen etwas lockerer gestaltet sind. Schließlich ist es ja kein Gefängnis, sondern eine Schule“, erklärt der gebürtige Greizer lachend, der in Erfurt nun ein zurückgezogeneres Leben bevorzugt.
Die Fisch-Form ist dabei laut dem Architekten reiner Zufall: „Es ist ein Betonelement, das in dieser Anordnung diese Form ergibt. Aber es war nie als Fisch geplant. Auch wenn es dann alle recht schnell so genannt haben“. Wie fest sich der Fisch als irrtümliches Bild in den Köpfen der Zeitzeugen eingeprägt hat, zeigt auch ein Vermerk auf der Internet-Seite der Stadtverwaltung, in dem es in einem Sanierungsprojekt um „die Fisch-Motive“geht.
Die Betonelemente wurden sogar an mehreren Orte in der Landeshauptstadt hergestellt und von dort aus in die Städte der Republik verschickt, die eine Schule des Typs Erfurt „bestellten“. Die Farbe war dann individuell wählbar. An der Puschkinschule sind sie rot, an der Astrid-Lindgren-Schule gelb und an der Bukarester Straße haben sie mit orange und grün sogar ein ganz neues Farbkonzept bekommen.
Mythos geht über die Stadt hinaus
Der Architekt, der sich früh für Künstlerisches und Gestalterisches interessierte und Ausbildung und Studium in Gotha und Weimar absolvierte, erinnert sich auch an andere Dekorationen, die es an Schulgebäude geschafft haben: „Eine Kollegin hatte den Auftrag, sich andere Formen zu überlegen. Da gab es auch Entwürfe, die in den 1970ern aber noch nicht gepasst haben“. Eben die wurden später doch umgesetzt – als halbrunde Formen an der Gemeinschaftsschule am Roten Berg, am Wiesenhügel oder als pfeilartige Form an der Grundschule in Urbich.
Dass seine Betongestaltung nun als Fisch in die Geschichte eingegangen ist, stimmt den Schöpfer aber eher heiter als pikiert: „Wenn es etwas Freundliches für ein Schulhaus ist, dann soll es eben so sein“. Egal, ob in Erfurt oder anderswo.