Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Weltreise durchs Eis
Europas größtes Eisskulpturenfestival findet in Zwolle statt
Louis Armstrong spielt auf der Trompete. Ein Indigener führt nicht weit davon einen Tanz auf und eine Sami-Frau nähert sich vorsichtig einem Rentier. Nur Schritte von den ägyptischen Pharaonen, der Sphinx und der rötlich angestrahlten Fassade der berühmten Sagrada Família vermittelt Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“einen Eindruck von niederländischer Barockmalerei.
Allerdings nicht als Ölgemälde, sondern als imposante Eisskulptur. Dabei befindet sich die frostige Version des berühmten Kunstwerks in bester Gesellschaft. Denn beim Ijsbeelden Festival im niederländischen Zwolle zeigen 45 Eiskünstler aus allen Teilen der Welt noch bis zum 5. März 2023 ihr Können.
Die Eisblöcke werden komplett aus Regenwasser hergestellt
Binnen 14 Tagen haben die Künstler mit Hammer und Meißel, Kettensäge und Gasbrenner filigrane Kunstwerke aus insgesamt 275 Tonnen Eis und noch mal so viel Schnee gefertigt. Auf 1200 Quadratmetern Fläche sind die imposanten Skulpturen und Bauwerke mit dem passenden Licht stimmungsvoll in Szene gesetzt.
Ungeachtet der Temperaturen von minus zwölf Grad Celsius in den Ijshallen der Hansestadt Zwolle wird jedem beim Anblick der Skulpturen warm ums Herz. Vo
rausgesetzt, die obligatorische Winterjacke, eine Mütze, ein Schal und Handschuhe fehlen nicht. Denn sonst dürfte schnell das Lächeln im Gesicht gefrieren.
Unter dem Motto „What a wonderful World“(„Was für eine wunderbare Welt“) lädt das Ijsbeelden Festival zu einer Weltreise entlang alter Kulturen, beeindruckender Denkmäler, architektonischer Meisterwerke und gewaltiger Naturphänomene ein. Dabei spannt sich der Bogen des Rundgangs vom chinesischen Neujahrsfest über Karneval in Venedig und Brasilien bis zum mexikanischen Dia de los Muertos. Daneben glitzern bis zu sechs Meter hohe Bauwerke aus Eis um die Wette. Rio de Janeiros Jesusstatue steht in Zwolle neben dem Taj Mahal und dem Schatzhaus aus dem jordanischen Petra.
Auch tierische Elemente, von majestätischen Löwen über eine Ele
fantenmutter mit Kalb und eine mächtige Gorilla-Familie bis hin zu gigantisch großen Insekten und dem Great Barrier Reef fehlen nicht
Wichtigster Bestandteil der Kunstwerke ist natürlich gefrorenes Wasser. Das Eis wird komplett aus Regenwasser hergestellt. Um die transparenten Blöcke zu fertigen, wird das Wasser mehrfach gefiltert und so von Salzen, Mineralien, Eisen und Kalk befreit. Die Blöcke, die mit Hilfe von Solarkollektoren auf dem Dach der Eisfabrik eingefroren werden, sind jeweils knapp zwei Meter hoch, 1,20 Meter breit und 50 Zentimeter tief.
Je nach Motiv, werden mehrere Eisblöcke verbunden, ehe die Künstler mit ihrer Arbeit beginnen. Viele Fehler können sie sich schon wegen der kurzen Schaffensperiode und der begrenzten Zahl an Eisblöcken nicht erlauben. Aber das lässt die meisten, nun ja, ziemlich kalt.