Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Astronomie als eigenes Fach gestrichen
Ab August soll Himmelskunde ab Klasse 7 nur noch gemeinsam mit Physik unterrichtet werden
Für das Thüringer Bildungsministerium steht die Entscheidung offenbar fest: Das Fach Astronomie, das derzeit in Thüringen mit einer Wochenstunde nur in der Klassenstufe 10 unterrichtet und nicht mit einer Prüfung abgeschlossen wird, soll als eigenständiges Fach wegfallen. Bereits vom nächsten Schuljahr an soll es mit dem Fach Physik zusammengelegt und in dieser Kombination schon ab der 7. Klassenstufe gelehrt werden. Der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags hat sich zwar noch nicht abschließend mit einer Petition befasst, die zu dieser Änderung in der Thüringer Schulordnung gestartet und mehr als 4000-mal unterzeichnet worden war. Bildungsstaatssekretär Winfried Speitkamp sagte aber jetzt in einer Ausschusssitzung, dass das Ministerium nicht auf den Wunsch in der Petition eingehe, Astronomie als eigenständiges Fach zu belassen.
In einem anderen Punkt aber sei das nach massiver Kritik auch von Vertretern anderer Disziplinen geschehen: Auf die Wahlmöglichkeit vor dem Wechsel in die 10. Klasse werde verzichtet. Nach den ursprünglichen Plänen sollten Schüler je zwei Fächer aus dem naturund dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich wählen können und sich außerdem zwischen Kunst und Musik entscheiden.
Fachlehrermangel nicht bedacht
Mario Koch, Astronomielehrer am Weimarer Schillergymnasium und Initiator der Petition, ist davon überzeugt, dass das Ministerium die Sache nicht bis zum Ende bedacht hat. Nicht nur, weil das Fach Astronomie bei etlichen Schülern die Leidenschaft für die Naturwissenschaften wecke und aus seiner Sicht nun unter die Räder kommen werde. Astronomie werde derzeit auch von vielen Lehrern unterrichtet, die als zweites Fach etwa Biologie oder Geographie haben. „Schon jetzt haben wir viel zu wenige Physiklehrer“, sagte Koch im Petitionsausschuss. Diejenigen unter ihnen, die bisher kein Astronomie unterrichtet hätten, müssten nun im Eiltempo für dieses Fach fit gemacht werden, während den anderen Fachlehrern, die bisher Astronomie lehrten, ein Teil ihrer Arbeit verlustig gehe. „Im Traumland mag das funktionieren, in der Realität leider nicht“, wurde Koch deutlich.
Der Weimarer Lehrer glaubt zudem, dass Thüringen eine ähnliche
Im März 2023 wurde die neue Übersichtskarte „Astronomie in Thüringen“von Olaf Kretzer, Leiter der Sternwarte Suhl, Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij sowie TLBG-Präsident Uwe Köhler (von links) vorgestellt. Während es zahlreiche Astronomie-Einrichtungen in Thüringen gibt, droht das Unterrichtsfach an Bedeutung zu verlieren.
Entwicklung nehmen wird wie Sachsen: Dort waren die Fächer Astronomie und Physik schon vor Jahren zusammengelegt worden. „Und dort ist Astronomie bis auf wenige Ausnahmen so gut wie tot. Wollen Sie das?“Von sächsischen Kollegen wisse er, so Koch, dass Astronomie infolge etwa von Unterrichtsausfällen stets ins Hintertreffen gerate und die Lehrer dann vorrangig Physik unterrichten würden.
Staatssekretär Speitkamp ist indes davon überzeugt, dass das Fach durch die Zusammenlegung mit
Physik „nicht geschluckt wird“, sondern eine Aufwertung erfährt. „Astronomie wird sogar gestärkt, weil dieses Fach Schülern früher als jetzt nahegebracht wird.“
Zudem verwies Speitkamp darauf, dass der Kern der AstronomieForschung in Thüringen die Physikalisch-astronomische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität sei, also auch die Forschung beide Themen verbinde. Daran habe sich das Ministerium orientiert. „Das eine Fach ist ohne das andere nicht denkbar“, so Speitkamp. Ab dem
Schuljahr 2024/2025 solle die Fächerkombination mit jeweils vier Stunden in den Klassen 7 und 8 und mit zwei Stunden in den Klassen 9 und 10 unterrichtet werden.
Hintergrund der Änderung der Schulordnung sind Vorgaben der Kultusministerkonferenz, wozu die bundesweite Vereinheitlichung des Abiturs gehört, sowie die Einführung des neuen Unterrichtsfachs „Medienkunde und Informatik“. Sie würde die Zahl der Fächer in der 10. Klasse von derzeit 18 auf 19 erhöhen. Die Zahl der zu belegenden Fächer müsse aber reduziert werden, um die Schüler zu entlasten: Künftig sollen es nur noch 15 sein, „ohne den Fächerkanon im Grundsatz zu reduzieren“.
Derzeit befinde sich der Verwaltungsentwurf zwar noch in der rechtsförmlichen Prüfung. Parallel werde aber bereits an den Lehrplänen für das künftige Doppelfach gearbeitet. Für Ausschussmitglied Thomas Gottweiss (CDU) grenzt es indes an „Respektlosigkeit gegenüber dem Ausschuss“, dass das Ministerium schon jetzt abschließend entschieden hat, ohne das Ausschussvotum abzuwarten. Die Begründung des Staatssekretärs für die Streichung von Astronomie als eigenständiges Fach bezeichnete er als „Argumentationspirouetten“.