Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das Strahlen ist zurück

An die Junioren-WM in Japan hat Melissa Schäfer im Herbst kaum zu träumen gewagt. Nun ist die Erfurter Eisschnell­läuferin dort – und nicht allein

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Melissa Schäfer fuhr schon mal entspannt aus und schien eher Interesse am Smartphone zu haben als am letzten Quartett über 3000 Meter. Etwas mehr als anderthalb Sekunden Vorsprung vor der abschließe­nden vierten Strecke und eine weitere Bestzeit bildeten ein Polster für die Seele, um locker in die Pedale zu treten anstatt zu bangen. Das Flug-Ticket nach Japan war in dem Moment sicher – und Gold als Krönung nah. Doch was Gelassenhe­it erweckte, ließ die Erfurterin innerlich bangen.

„Es waren die schlimmste­n sieben Runden“, erzählte die Eisschnell­läuferin vom ESC. Umso glückliche­r fühlte sie sich, als die letzten Zeiten auf der Anzeigetaf­el standen – und ihr Vorsprung hielt. Vier Bestzeiten, vier Mal starke Zweite, am Ende ganz oben: Wie im Vorjahr holte Melissa Schäfer den Mehrkampf-Titel bei der deutschen Junioren-Meistersch­aft. Der ist Monate zuvor bestenfall­s ein Traum gewesen – und hing obendrein an einem Fädchen.

Verfolgeri­n und Teamgefähr­tin Sofie Adeberg hatte zwei von drei Strecken gewonnen. Im SchlussLau­f am Samstag wollte sie nachlegen, musste ihrem Turbostart in den letzte Runden aber Tribut zollen. So fehlten im Vierkampf 0,9 Punkte, um sich vor ihrer Teamgefähr­tin an die Spitze setzen zu können.

Die Junioren-WM ruft, und die Erfurter kommen

„Ich wollte zu viel. Ich hoffe, das passiert mir nicht noch einmal“, sagte die Zweite, ohne sich jedoch im Nachgang lange über den verpassten Mehrkampf-Sieg ärgern zu wollen. Ein Platz unter den ersten Dreien im Mehrkampf bedeutete das Ticket für die Junioren-WM. Nach Silber freute sich die 18-Jährige schon darauf.

„Unfassbar, dass wir nach Japan fliegen“, sagte die 2021 nach Erfurt gekommene Potsdameri­n vor dem Start am Mittwoch. Die WM im Norden der Insel Honshu rief bereits. Und die Erfurter Eisschnell­läufer kommen. Im Quartett werden sie dort sein und sind so etwas wie ein kleines Team im Team der zehnköpfig­en deutschen Mannschaft beim großen internatio­nalen Saison-Höhepunkt in Hachinohe.

Neben den zwei ESC-Juniorinne­n ist Tomy Nguyen nach seinem zweiten Platz am vergangene­n Wochenende mit nach Japan aufgebroch­en. Dort steht am Samstag und Sonntag als Kaltstart in Fernost zunächst der dritte Weltcup an.

Der Gedanke an die WM lässt Melissa Schäfer noch mehr strahlen. Der Kontakt zu Sportlern aus anderen Nationen, die Einordnung, was die eigene Leistung im globalen Vergleich wert ist. Das reizt die Einser-Schülerin. Zum zweiten Mal nach Inzell 2023 ist sie dabei, wenn die Weltbesten aufs Eis gehen. Diesmal nur freut sie sich umso mehr.

Finn Sonnekalb ist ein Grund. „Es ist schön, einen Freund wie ihn zu haben“, spricht sie aus dem Herzen. Sie und der dreimalige GoldGewinn­er der gerade zu Ende gegangenen olympische­n Jugendwint­erspiele in Südkorea sind zusammen. Er ist bereits dort, nachdem er von den Spielen angereist war. Japan ist für die Erfurter Sportschül­erin aber auch deshalb besonders, weil es vorm Winter fast unerreichb­ar schien.

„Eigentlich hatte ich die Saison schon abgehakt“, erzählte Melissa Schäfer. Der zweite Mehrkampf-Titel ist ein großes nachträgli­ches Geschenk zum 18. Geburtstag gewesen. Und mehr als das. Er belohnt für harte Arbeit, und viel Glaube und noch mehr Geduld. Ehe das Eistrainin­g im Frühherbst beginnen konnte, hatten sich sämtliche Hoffnungen auf einen erfolgreic­hen Winter auch schon zerschlage­n. Pfeiffersc­hes Drüsenfieb­er wurde bei ihr festgestel­lt. Hinzu kam eine Pause infolge einer OP.

Das gute Sommer-Training dahin, auch Tränen fließen

Während die anderen der Trainingsg­ruppe weiter eine Menge Kilometer auf dem Rad machten und Runden für einen langen Winter sammelten, musste Melissa Schäfer aussetzen, ging danach nur spazieren und fuhr leicht Rad.

Das gute Sommer-Training, alles dahin. Auch Tränen flossen. Doch das Strahlen, das alle um sie herum kennen, ist längst zurück.

Der geduldige Aufbau entwickelt­e sich zum goldenen Weg. Im Dezember ging’s wieder aufs Eis, von da steil bergauf. Vier Bestzeiten bei der DM im vierten Wettkampf, persönlich­er Bestwert im ersten Mehrkampf dieses Winters und eine ganze Menge Zuversicht, in Japan vielleicht noch einmal einen solchen Coup landen zu können wie im zurücklieg­enden Winter. Im TeamPursui­t war sie mit Maira Jasch (Inzell) und Josephine Schlörb (Dresden) zu Bronze gelaufen.

„Das war die Krönung“, denkt Melissa Schäfer gern an die erste WM zurück – und möchte sich ein wenig überrasche­n lassen, was Japan bringt. In dieser Saison ist sie damit schon sehr gut gefahren.

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SASCHA FROMM Geschafft: Melissa Schäfer (ESC Erfurt) freut sich über einen weiteren guten Lauf. der noch vergoldet wurde.

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