Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Klatsche für Kammer am Landgericht Mühlhausen
Der Bundesgerichtshof hat einen Rechtsspruch zu einem Angriff auf Journalisten in Fretterode aufgehoben. So geht es jetzt weiter
Mühlhausen/Fretterode. Die gewaltsame Attacke auf zwei Journalisten liegt fast sechs Jahre zurück. Um ein rechtskräftiges Urteil wird aber weiter gerungen – denn jetzt hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Urteilsspruch des Landgerichts Mühlhausen vollständig auf.
Was hat der BGH entschieden?
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen die Rechtsextremisten Gianlucca B. und Nordulf H. vollständig auf und konstatiert der zuständigen Kammer des Landgerichts Mühlhausen „sachlich-rechtliche Fehler“bei der Urteilsfindung.
Um welche Tat geht es überhaupt? Im April 2018 haben zwei Fotojournalisten im Umfeld des Hauses von Torsten Heise, Funktionär der rechtsextremen NPD, Fotos angefertigt, weil sie eine Veranstaltung auf dem Areal dokumentieren wollten. Die beiden Angeklagten verjagten die Fotografen und verfolgten die im Auto Flüchtenden von Fretterode (Landkreis Eichsfeld) über eine Landesstraße. Dabei wurde das Auto in den Graben gedrängt und die beiden Beschuldigten griffen die Journalisten unter anderem mit einem Baseballschläger an – dabei wurden beide Opfer erheblich verletzt. Das Auto wurde zerstört und die Kameraausrüstung geraubt.
Wie fiel das Urteil des Landgerichts Mühlhausen aus?
Das hatte gegen B. eine Bewährungsstrafe verhängt und H., der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, Arbeitsleistungen auferlegt. Die Kammer sah seinerzeit Körperverletzung und Sachbeschädigung als erwiesen an, schloss aber schweren Raub aus.
Warum ist die BGH-Entscheidung eine Schlappe für die Kammer?
Schon in der Hauptverhandlung hatten Nebenkläger immer wieder darauf gedrängt, dass auch schwerer Raub ausgeurteilt wird. Zahlreiche Beweise wurden dafür erhoben. Das Gericht entschied anders.
Auch rechtsextreme Motive hinter der Tat wurden nicht erkannt.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Prozess, der sich 2022 über mehrere Monate hingezogen hat, beginnt im sechsten Jahr nach der Tat von vorn. Er muss an einer anderen Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen neu aufgerollt werden.
Warum wurde erst 2022 verhandelt, obwohl die Tat 2018 begangen wurde?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst stand die zuständige Strafkammer vor einer Neubesetzung, was zu Verzögerungen führte. Dann erschwerte die Situation in der Corona-Pandemie
nicht nur den Beginn des Verfahrens, sondern auch die Durchführung des Prozesses.
Welche Reaktionen gibt es auf die Entscheidung des BGH?
Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Linken im Thüringer Landtag, reagiert positiv auf die Entscheidung. „Es ist gut, dass der Bundesgerichtshof das skandalöse Urteil aufgehoben hat.“
Madeleine Henfling, Abgeordnete der Grünen-Landtagsfraktion, sagt: „Wir hoffen, dass bei der erneuten Beweiswürdigung der Überfall in seiner Dimension als schwere rechte Gewalt und als Angriff auf die Pressefreiheit gewürdigt wird.“