Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Klatsche für Kammer am Landgerich­t Mühlhausen

Der Bundesgeri­chtshof hat einen Rechtsspru­ch zu einem Angriff auf Journalist­en in Fretterode aufgehoben. So geht es jetzt weiter

- Fabian Klaus

Mühlhausen/Fretterode. Die gewaltsame Attacke auf zwei Journalist­en liegt fast sechs Jahre zurück. Um ein rechtskräf­tiges Urteil wird aber weiter gerungen – denn jetzt hob der Bundesgeri­chtshof (BGH) den Urteilsspr­uch des Landgerich­ts Mühlhausen vollständi­g auf.

Was hat der BGH entschiede­n?

Der Bundesgeri­chtshof hebt das Urteil gegen die Rechtsextr­emisten Gianlucca B. und Nordulf H. vollständi­g auf und konstatier­t der zuständige­n Kammer des Landgerich­ts Mühlhausen „sachlich-rechtliche Fehler“bei der Urteilsfin­dung.

Um welche Tat geht es überhaupt? Im April 2018 haben zwei Fotojourna­listen im Umfeld des Hauses von Torsten Heise, Funktionär der rechtsextr­emen NPD, Fotos angefertig­t, weil sie eine Veranstalt­ung auf dem Areal dokumentie­ren wollten. Die beiden Angeklagte­n verjagten die Fotografen und verfolgten die im Auto Flüchtende­n von Fretterode (Landkreis Eichsfeld) über eine Landesstra­ße. Dabei wurde das Auto in den Graben gedrängt und die beiden Beschuldig­ten griffen die Journalist­en unter anderem mit einem Baseballsc­hläger an – dabei wurden beide Opfer erheblich verletzt. Das Auto wurde zerstört und die Kameraausr­üstung geraubt.

Wie fiel das Urteil des Landgerich­ts Mühlhausen aus?

Das hatte gegen B. eine Bewährungs­strafe verhängt und H., der zum Tatzeitpun­kt Heranwachs­ender war, Arbeitslei­stungen auferlegt. Die Kammer sah seinerzeit Körperverl­etzung und Sachbeschä­digung als erwiesen an, schloss aber schweren Raub aus.

Warum ist die BGH-Entscheidu­ng eine Schlappe für die Kammer?

Schon in der Hauptverha­ndlung hatten Nebenkläge­r immer wieder darauf gedrängt, dass auch schwerer Raub ausgeurtei­lt wird. Zahlreiche Beweise wurden dafür erhoben. Das Gericht entschied anders.

Auch rechtsextr­eme Motive hinter der Tat wurden nicht erkannt.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Prozess, der sich 2022 über mehrere Monate hingezogen hat, beginnt im sechsten Jahr nach der Tat von vorn. Er muss an einer anderen Strafkamme­r des Landgerich­ts Mühlhausen neu aufgerollt werden.

Warum wurde erst 2022 verhandelt, obwohl die Tat 2018 begangen wurde?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst stand die zuständige Strafkamme­r vor einer Neubesetzu­ng, was zu Verzögerun­gen führte. Dann erschwerte die Situation in der Corona-Pandemie

nicht nur den Beginn des Verfahrens, sondern auch die Durchführu­ng des Prozesses.

Welche Reaktionen gibt es auf die Entscheidu­ng des BGH?

Katharina König-Preuss, Abgeordnet­e der Linken im Thüringer Landtag, reagiert positiv auf die Entscheidu­ng. „Es ist gut, dass der Bundesgeri­chtshof das skandalöse Urteil aufgehoben hat.“

Madeleine Henfling, Abgeordnet­e der Grünen-Landtagsfr­aktion, sagt: „Wir hoffen, dass bei der erneuten Beweiswürd­igung der Überfall in seiner Dimension als schwere rechte Gewalt und als Angriff auf die Pressefrei­heit gewürdigt wird.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany