Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Das Ende einer blau-weißen Ära
Die Volleyballerinnen des VC Gebesee haben über 20 Jahre das Geschehen in der Thüringenliga mitbestimmt, wurden zweimal Meister und stiegen einmal auf. Am Samstag bestreiten sie ihre vorerst letzten Heimspiele
Am Samstag werden Tränen fließen, da ist sich Annika Müller sicher. Unabhängig von den Ergebnissen. Auch bei ihr selbst. Denn auch wenn sie zwischenzeitlich beim SWE Volley-Team deutlich höherklassig Volleyball spielte, hat kein Verein ihr Leben so sehr geprägt wie der VC Blau-Weiß Gebesee. Am Samstag werden die Gebeseerinnen um Spielertrainerin Müller in der Sporthalle des OskarGründler-Gymnasiums ab 11 Uhr ihre letzten beiden Heimspiele bestreiten. Vermutlich mit einer Niederlage gegen den klaren Spitzenreiter VV 70 Meiningen und einem Sieg gegen Abstiegskandidat 1. Sonneberger VC. Doch das wird zweitrangig sein.
In der Halle werden wie immer 50, 60 treue Fans mitfiebern, vielleicht diesmal wegen des besonderen Anlasses noch ein paar mehr. Auch Annika Müllers Papa, HansJoachim „Henner“Lüttge, wird mit einer Träne im Knopfloch dabei sein. Er ist der Gründervater des Gebeseer Volleyballs, begeisterte in den 1970er-Jahren – lange bevor es einen Spielbetrieb gab – als Sportlehrer bereits Schüler an der Polytechnischen Oberschule Gebesee von dem Spiel übers Netz. Freizeitmannschaften trainierten regelmäßig und nahmen viele Jahre an diversen Turnieren teil.
Nach der Wende baute Lüttge am neu gegründeten Gymnasium eine Mädchenmannschaft auf, unter anderem mit seiner Tochter Annika. Gleich im ersten Jahr wurde sie Kreismeister und stieg in die Landesklasse auf, später ging es hoch in die Thüringenliga.
Die 2001 eröffnete Mehrzweckhalle ist seitdem fest mit den Heimspielen der Gebeseerinnen in Thüringens höchster Spielklasse verbunden. Auch, weil Annika Müller als Lehrerin mit einigen anderen die von ihrem Vater angefangene Rekrutierung von talentierten Schülerinnen in den Volleyballverein fortsetzte – selbst, als sie zwischenzeitlich sechs Jahre in Erfurt spielte. Mit Erfolg: Noch unter Lüttge wagten die Gebeseer Damen 2007 den Aufstieg in die Regionalliga, auch wenn es nur ein einjähriges Abenteuer wurde. Nach ihrer Rückkehr aus Erfurt, wo sie 2. und 1. Liga spielte,
führte Müller das Team 2016 unter Spielertrainerin Anja Horlitz und 2019 selbst als Spielertrainerin zum Meistertitel in der Thüringenliga.
Rückzug hat diverse personelle Gründe
Dass nun, nach so vielen Jahren in dieser Liga, ein Einschnitt erfolgt, hat personelle Gründe. „Wir haben zwar noch Nachwuchs, der thüringenligareif wäre. Die Mädels trainieren auch total gerne und spielen unter der Woche Kreisklasse, aber am Wochenende wollen sie keine Spiele machen, da geht halt immer ein ganzer Tag drauf“, erklärt Müller.
Da zudem mit Angelina Sann, Wiebke Schmidt und ihr selbst drei Routiniers schon vor der Saison sagten, dass es ihre letzte wird, und zudem vier Studentinnen aus Jena künftig nicht mehr dreimal pro Woche zum Training und Spiel kommen können, reicht es nicht mehr für eine spielfähige ThüringenligaMannschaft.
Müller selbst freut sich auf die Zeit ohne Spielstress am Wochenende: „Das war schon sehr zeitintensiv, und meine Zwillinge sind mit zweieinhalb jetzt in einem Alter, wo sie einiges mit Mama machen können und wollen.“Deshalb lehnte sie
auch eine Anfrage von Drittligist Erfurt electronic ab, möchte vorerst ausschließlich trainieren. „Das Team wird bestehen bleiben und freitags weiterhin trainieren, und ich werde auch den Nachwuchs als Lehrerin und vielleicht als Trainerin weiter fördern“, blickt die 36-Jährige voraus.
Und in einem ist sie sich ziemlich sicher: „Es wird bestimmt auch wieder Kinder geben, die höher als Kreisklasse spielen wollen.“Das Kapitel Thüringenliga ist für den VC Blau-Weiß Gebesee also wahrscheinlich nur vorübergehend beendet.