Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Ostern in Thüringen: Von Brauchtum und Wandel
Pfarrer eröffnen die Messe mit einem Witz. Viele Gemeinden richten Feuer aus. Kronen auf Brunnen locken Besucher in Reisebussen
In der öffentlichen Wahrnehmung hat Weihnachten dem höchsten Fest im Christentum mittlerweile den Rang abgelaufen. Trotzdem hat Ostern in Thüringen nach wie vor einen zentralen Stellenwert.
„Im Allgemeinen wird Ostern als ein Fest mit mehr Leichtigkeit wahrgenommen – und als nicht so anstrengend wie etwa Weihnachten“, erklärt Juliane Stückrad von der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle.
Ob ein Besuch in der Ostermesse, ein gemeinsames Osterfrühstück oder ein Osterspaziergang, ob Eiersuche
mit den Kindern oder ein Osterfeuer für die ganze Gemeinde: Insgesamt seien die Osterbräuche vielfältiger, flexibler und weniger festgelegt.
Grundsätzlich stünden die meisten Bräuche in einer christlichen Tradition, aber auch ältere oder weltliche Motive seien eingeflossen. So sei eine der ersten in Thüringen historisch belegten Eiersuchen seinerzeit von Johann Wolfgang Goethe in Weimar organisiert worden.
Themen wie der Sieg des Lebens über den Tod, Auferstehung und Neubeginn erfüllten ein zentrales Bedürfnis der Menschen. Das Ende des Fastens und der Beginn des Frühlings seien Motive, die schon seit Jahrhunderten gefeiert würden. „Je länger ich mich damit beschäftige, umso klarer wird mir aber, dass vor allem das Thema Freude an Ostern eine sehr zentrale Rolle spielt.“An Beispielen wie den Osterfeuern, die in vielen Gemeinden einen neuen Zulauf erhalten haben, zeige sich auch die soziale Rolle solcher Bräuche.
„Nicht zuletzt aufgrund seiner Lage ist Thüringen extrem vielfältig, was das Osterbrauchtum angeht“, sagt Stückrad. So sei etwa in Nordthüringen bis heute in vielen Gemeinden das „Kohleschlagen“lebendig. Dabei wetteifern Teams darum, wer am schnellsten ein Stück Kohle einmal um die Gemeindegrenzen befördern kann. In vielen Regionen sei es üblich, dass der Pfarrer zu Beginn der Messe der Gemeinde einen Witz erzähle, um das „Ostergelächter“und die Freude nach der dunklen Jahreszeit zu betonen.
In Thüringen weit verbreitet sei auch das „Borneshegen“– also die gemeinsame Reinigung und das Schmücken des örtlichen Brunnens. Vielerorts würden die Brunnen auch mit einer sogenannten Osterkrone verziert. Dieser Brauch habe sich erst in den 1990er-Jahren im Freistaat verbreitet und sei somit einer der jüngsten, so Stückrad.
In Ost-Thüringen hat sich diese Tradition mittlerweile zu einem wahren Besuchermagnet entwickelt: Dort haben sich elf Gemeinden zum „Osterpfad Vogtland“zusammengeschlossen. Zwischen dem 23. März und dem 6. April dreht sich dort alles um Ostern, unter anderem mit der größten Osterkrone Thüringens, in die rund 16 500 handbemalte Eier eingearbeitet wurden, erklärt Initiatorin Ingrid Wiese. Mittlerweile kämen jedes Jahr unter anderem 35 Reisebusse aus ganz Deutschland, um sich den Osterpfad anzusehen.