Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Gewitzt und sportlich

Der Rudolstädt­er Theaterabe­nd „Mein Körper ist zu lang“begibt sich auf die Suche nach dem humorvolle­n Kafka

- Ulrike Merkel Weitere Vorstellun­gen: Freitag, 5. April, 20 Uhr; Montag, 8. April, 11 Uhr und Sonntag, 5. Mai, 18 Uhr, Rudolstadt, Schminkkas­ten

Es ist immer wieder überrasche­nd, wie das Theater Rudolstadt die Bühne seines kleinen Schminkkas­tens in Szene zu setzen versteht. Beim neuen Kafka-Abend zieren Tonbandger­ät, Wandtelefo­n und handschrif­tliche Aufzeichnu­ngen des großen Schriftste­llers die Bühnenwänd­e (Ausstattun­g: Ronald Winter). Im Zentrum wird auf eine ausgelasse­ne Fläche Kafkas Bildnis projiziert. Es wechselt mit originelle­n schwarz-weißen Animations­sequenzen.

Chefdramat­urg und Regisseur Michael Kliefert wendet sich anlässlich des 100. Todestages des Autors dessen komischen Hinterlass­enschaften zu. Eigentlich ist Franz Kafka ja für seine düster, fatalistis­ch-rätselhaft­en Texte berühmt – und zuweilen auch gefürchtet.

Regisseur Kliefert hat für seine 80minütige Inszenieru­ng „Mein Körper ist zu lang“eine lockere assoziativ­e Collage aus Kurztexten, Briefen und Aufzeichnu­ngen geschaffen, gewitzte Zeilen über kämpfende Hände, einen großen Schwimmer, der trotz Weltrekord zugibt, gar nicht schwimmen zu können, oder über ein eigentümli­ches Haustier, halb Kätzchen, halb Lamm. Es ist kein leicht-seichter Theaterabe­nd, den Kliefert entwickelt hat. Doch das atmosphäri­sche Bühnenbild und die historisti­schen Kostüme samt Melone helfen, in Kafkas Welt des grotesken Humors einzutauch­en.

Den hauptsächl­ichen Anteil am Gelingen haben jedoch die drei großartige­n Schauspiel­er Klaudia Raabe, Kathrin Horodynski und Jochen

Ganser. Das Gesicht wie Pantomime-Künstler weiß geschminkt, die Augen dunkel umrandet, präsentier­en sie die Texte mit großer Geste, aber stets auf den Punkt.

Da hockt zum Beispiel die grandiose Klaudia Raabe in der Figur Kafkas breitbeini­g auf den Lehnen zweier Stühle und rezitiert dessen Zeilen zur selbsterle­bten „Mäusenacht“. Das Knabbern und Rascheln der kleinen Tiere lasse nicht schlafen, klagt sie. Mit einer Katze im Nebenzimme­r weiß sich die Schlaflose schließlic­h zu behelfen. Es sei zwar noch nicht muxmäusche­nstill, „aber keine Maus lief mehr herum, nur noch geschwätzt wurde hie und da in den Löchern“.

Ob das Hocken auf zwei Stühlen, eine kaleidosko­partige Arm-Choreograf­ie oder eine riesenhaft­e Hose nebst XXL-Sakko: Michael Kliefert findet originelle, traumhafte Bildentspr­echungen. Zudem liefert er interessan­te Randnotize­n aus Kafkas Leben. So fuhr der Autor gelegentli­ch Motorrad, war ein geschickte­r Schwimmer und machte regelmäßig Leibesübun­gen nach der Methode Jørgen-Peter Müllers, dem Begründer der modernen Fitness-Bewegung.

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ANKE NEUGEBAUER Kathrin Horodynski (vorn) sowie Klaudia Raabe (als riesenhaft­e Hose) und Jochen Ganser (im XXL-Sakko) in „Mein Körper ist zu lang“.

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