Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Gewitzt und sportlich
Der Rudolstädter Theaterabend „Mein Körper ist zu lang“begibt sich auf die Suche nach dem humorvollen Kafka
Es ist immer wieder überraschend, wie das Theater Rudolstadt die Bühne seines kleinen Schminkkastens in Szene zu setzen versteht. Beim neuen Kafka-Abend zieren Tonbandgerät, Wandtelefon und handschriftliche Aufzeichnungen des großen Schriftstellers die Bühnenwände (Ausstattung: Ronald Winter). Im Zentrum wird auf eine ausgelassene Fläche Kafkas Bildnis projiziert. Es wechselt mit originellen schwarz-weißen Animationssequenzen.
Chefdramaturg und Regisseur Michael Kliefert wendet sich anlässlich des 100. Todestages des Autors dessen komischen Hinterlassenschaften zu. Eigentlich ist Franz Kafka ja für seine düster, fatalistisch-rätselhaften Texte berühmt – und zuweilen auch gefürchtet.
Regisseur Kliefert hat für seine 80minütige Inszenierung „Mein Körper ist zu lang“eine lockere assoziative Collage aus Kurztexten, Briefen und Aufzeichnungen geschaffen, gewitzte Zeilen über kämpfende Hände, einen großen Schwimmer, der trotz Weltrekord zugibt, gar nicht schwimmen zu können, oder über ein eigentümliches Haustier, halb Kätzchen, halb Lamm. Es ist kein leicht-seichter Theaterabend, den Kliefert entwickelt hat. Doch das atmosphärische Bühnenbild und die historistischen Kostüme samt Melone helfen, in Kafkas Welt des grotesken Humors einzutauchen.
Den hauptsächlichen Anteil am Gelingen haben jedoch die drei großartigen Schauspieler Klaudia Raabe, Kathrin Horodynski und Jochen
Ganser. Das Gesicht wie Pantomime-Künstler weiß geschminkt, die Augen dunkel umrandet, präsentieren sie die Texte mit großer Geste, aber stets auf den Punkt.
Da hockt zum Beispiel die grandiose Klaudia Raabe in der Figur Kafkas breitbeinig auf den Lehnen zweier Stühle und rezitiert dessen Zeilen zur selbsterlebten „Mäusenacht“. Das Knabbern und Rascheln der kleinen Tiere lasse nicht schlafen, klagt sie. Mit einer Katze im Nebenzimmer weiß sich die Schlaflose schließlich zu behelfen. Es sei zwar noch nicht muxmäuschenstill, „aber keine Maus lief mehr herum, nur noch geschwätzt wurde hie und da in den Löchern“.
Ob das Hocken auf zwei Stühlen, eine kaleidoskopartige Arm-Choreografie oder eine riesenhafte Hose nebst XXL-Sakko: Michael Kliefert findet originelle, traumhafte Bildentsprechungen. Zudem liefert er interessante Randnotizen aus Kafkas Leben. So fuhr der Autor gelegentlich Motorrad, war ein geschickter Schwimmer und machte regelmäßig Leibesübungen nach der Methode Jørgen-Peter Müllers, dem Begründer der modernen Fitness-Bewegung.