Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Der Vierfach- Gott

Mit der besten Kür der Historie krönt sich US-Teenager Malinin zum Eiskunstla­uf-Weltmeiste­r

- Cai-Simon Preuten

Ilia Malinin wirbelte durch die Luft. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Immer wieder. Immer spektakulä­rer drehte er sich in ungeahnten Höhen um die eigene Achse, das Publikum in Montreals Centre Bell tobte, und als der „Vierfach-Gott“wieder gelandet war, als die letzten Töne der Musik zu seiner historisch­en Kür verklungen waren, konnte die Jury nicht anders: Sie musste Malinin in den Eiskunstla­uf-Himmel heben.

227,79 Punkte. Weltrekord. WMTitel. Der Teenager aus Fairfax/Virginia hatte ein Verspreche­n erfüllt – und die Stimme in seinem Kopf zum Schweigen gebracht. „Ich stehe gerade unter Schock“, stammelte der erste 19-jährige Malinin nach seiner einzigarti­gen Show mit sechs Vierfachsp­rüngen, jeder einzelne davon ein Meisterwer­k für sich. Vom Absprung bis zur Landung.

Malinin hatte seine Kür mit einem Knalleffek­t begonnen – und sich dann gesteigert. Der vierfache Axel, der, weil vorwärts abgesprung­en und rückwärts gelandet, sogar viereinhal­b Drehungen benötigt, war die Ouvertüre. Niemand sonst hat diesen Sprung in einem Wettkampf bislang gestanden. Auch nicht Yuma Kagiyama aus Japan oder Adam Siao Him Fa aus Frankreich, die Silber und Bronze gewannen, aber nur Statisten waren.

Der US-Meister überragte sie alle, dabei liegen schmerzhaf­te Wochen mit einigen Verletzung­en hinter Malinin. „Ich hatte sogar daran gedacht, dass ich bei den Weltmeiste­rschaften nicht antreten kann“, sagte er. Doch die kleine Stimme in seinem

Kopf trieb ihn an. „Du musst kämpfen, Du musst weitermach­en, egal, wie gut oder schlecht Du Dich fühlst. Du musst nur daran denken, wozu Du fähig bist“, sagte sie.

Axel, Lutz, Toeloop, Salchow, Lutz, und Toeloop: Die atemberaub­ende Sprung-Show riss nicht ab. „Ich wusste schon zu Beginn: Das

wird entweder die beste Kür meines Lebens, oder es geht schrecklic­h schief“, sagte Malinin. Auf dem Eis hatte er keine Zeit mehr zum Nachdenken. „Ich bin einfach durch das Programm geflogen.“Von Sprung zu Sprung, von Platz drei nach dem Kurzprogra­mm in die Geschichts­bücher seines Sports.

Und nun? Welche Ziele hat ein Teenager noch, der Eiskunstla­ufGrenzen verschoben hat? „Ich denke, das müssen wir alle herausfind­en“, sagte Malinin und fügte ans Publikum gerichtet hinzu: „Ihr solltet euch auf nächste Saison freuen.“Auf weitere Wundersprü­nge des gepriesene­n „Vierfach-Gottes“.

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MINAS PANAGIOTAK­IS / GETTY IMAGES Ilia Malinin jubelt nach sechs traumhafte­n Vierfachsp­rüngen ausgelasse­n.

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