Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Zwischen Bahn, Bach und Brandschutz
In ein paar Jahren wird die Gegend um den alten Güterbahnhof nicht mehr wiederzuerkennen sein. Was bleiben soll, ist der Kulturbahnhof Zughafen. Dafür wurden jetzt wichtige Weichen gestellt
Erfurt. Im Grunde lief die Woche gar nicht schlecht für Andreas Welskop. Mit der Verabschiedung des städtischen Haushalts am Mittwoch steht fest: Es kann weitergehen mit dem Zughafen Erfurt, dessen Geschäftsführer er ist. Anfang des Jahres schien das nicht zu 100 Prozent sicher. Es fehlten nämlich 250.000 Euro für eine Brandmeldeanlage, letzter Punkt auf einer umfangreichen Mängelliste, die einen Weiterbetrieb des Projekts gefährdete. In den Haushaltsentwürfen tauchte die Summe auf den ersten Blick nicht auf.
Die Unterstützung ist unglaublich, da haben sich in letzter Zeit so viele überraschend gemeldet. Andreas Welskop, Geschäftsführer Zughafen
Jetzt ist klar: Die Brandmelder können kommen. Grüne und Linke hatten sich für zusätzliche Mittel für den Zughafen stark gemacht und andere Fraktionen auf ihre Seite gezogen. Eine Stelle für einen Projektmanager, den sich Andie Welskop gewünscht hat und der sich hauptberuflich um all die anstehenden Baumaßnahmen hätte kümmern können, gab es nicht. Aber immerhin viele Signale aus Stadtrat und Verwaltung, dass man den Zughafen unbedingt erhalten will.
Goldgräberstimmung in der ICE-City-Ost
Das ist nicht unbedingt selbstverständlich. Die Gegend am alten Güterbahnhof wird sich als „ICE-City Ost“in den kommenden Jahren
dramatisch verändern. Gerade erst wurde der Startschuss für den großen Campus der Deutschen Bahn gegeben, schon heißt es, dass diesseits des Schmidtstedter Knotens kaum noch Flächen für Investoren zur Verfügung stehen. Es herrscht Goldgräberstimmung. Und mittendrin stehen die alten GüterbahnhofHallen, in denen sich zahlreiche Kreative niedergelassen haben. Wird das so bleiben?
Andie Welskop ist optimistisch. Ganz im Gegenteil. „Das ist das beste, was uns passieren konnte“, sagt er. Mit der Bahn steht er schon lange im Austausch. Auch sie sei interessiert am Zughafen, schätze ihn das dortige Veranstaltungs-KnowHow. Was in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird: Der Zughafen hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend als Ort für Tagungen etabliert, Kulturvereine nutzen die Flächen ebenso wie Unternehmen und Großkonzerne,
eben auch die Bahn. Der Charme der einstigen Industrierbrache, das persönliche Miteinander, vielleicht auch das Unperfekte reizen die Veranstalter. Etwa die Hälfte der rund 100 jährlichen Veranstaltungen im Zughafen dürfte das Tagungsgeschäft inzwischen ausmachen, schätzt Welskop.
Aushängeschild, das nicht viel kostet
Und er weiß auch, dass das Konzept des Zughafens in der Stadt einzigartig ist, ein Aushängeschild, überdies eins, das die Stadt im Betrieb so gut wie nichts kostet. Welskop ist Unternehmer, muss am Ende mindestens eine Null unterm Strich stehen haben. Er zahlt Miete für die Gebäude, die die Stadt vor fünf Jahren gekauft hat, erzielt Einkünfte mit den Veranstaltungen und der Vermietung an andere kreative Köpfe. Clubs, Werbeagenturen, Handwerker haben sich hier angesiedelt.
Am Samstagvormittag sitzt Welskop inmitten von Miniaturloks und -waggons. Der Verein Thüringer Eisenbahnfreunde hat seine Modellbahnbörse aufgebaut. Das Fernsehen ist da, stellt den Verein vor, für den es in Erfurt vermutlich keinen passenderen Ort gibt als diesen inmitten der Bahnanlagen. Zugleich sind die Modellbahnfans ein ungewohntes Klientel hier draußen am Zughafen. Am Abend werden hier die Bachwochen eröffnet, ernste Kunst mit dem Reflektor-Ensemble. Der Kulturdezernent hat sich angekündigt. Am Mittwoch heißt es wieder „Backstage Jazz“mit der loungigen One Night Band, die Veranstaltungsreihe trifft offenbar einen Nerv.
Fünf Millionen Euro Sanierungsbedarf
Die Sanierung der Gebäude aber, Schätzungen gehen von einem Bedarf an rund fünf Millionen Euro in
den kommenden Jahren aus, kann er nicht so ohne weiteres stemmen. Sicher, vieles am Erfurter Zughafen wird in Eigenleistung gestemmt, genug kreative Köpfe und Handwerker gibt es hier. Nach Ostern soll wieder ein „Baukulturfestival“stattfinden, das klingt beim ersten Hören nach Party, ist aber auch ein Arbeitseinsatz, bei dem zum Beispiel Mobiliar für die Außenareale entsteht. Firmen aus der Umgebung stellen Material, der Arnstädter Batterie-Riese Catl zum Beispiel. „Die Unterstützung ist unglaublich, da haben sich in letzter Zeit so viele überraschend gemeldet“, freut sich Andie Welskop.
Das Tagungsgeschäft zeigt auch hier Wirkung, das Konzept Zughafen spricht sich herum. Und auch wenn in ein paar Jahren ringsherum viel Beton, Glas und Holz verbaut wird: Es sieht momentan gut dafür aus, dass der Zughafen als bunter Fleck erhalten bleibt.