Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die kleine weiße Friedensta­ube ist fortgeflog­en

Wie steht es im Kampf der Generation­en? Ein Erfurter Ensemble fasst es zusammen

- Birgit Kummer

Erfurt. Spaß haben, schmunzeln, immer mal grübeln – wer sich aus der Vielzahl der Samstagsan­gebote in Erfurt vom „Rheingold“über die Bachwochen, Techno, Travestie oder Tanz-Partys für das neue Arche-Stück entschied, der hatte einen kurzweilig­en Abend.

„Solange du deine Füße…“, heißt das Programm, in dem sich die Generation­en in die Quere kommen. Beatrice Thron und Ulf Annel contra Björn Sauer, der den Jungen eine Stimme gibt und den Baby-Boomern der Jahrgänge ab 1955 den Spiegel vorhält. Wer hat noch Kohlen aus dem Keller geholt und ist dabei keimenden Kartoffeln ausgewiche­n? Wer ging noch sommers wie winters zu Fuß zur Schule? Wer weiß noch, was ein Purzelbaum ist? Und wie kam es zur Generation Fußbodenhe­izung? Da purzeln die Gags und das Publikum nickt wissend. „Wer liest die Zeitung noch auf Papier? Ihr“, ruft Björn Sauer ins Publikum.

Es wird gesungen und gedichtet, vorzüglich ist die musikalisc­he Begleitung von Julia Martynova am Klavier und Burkhard Wieditz am Schlagzeug. Regie führt Fernando Blumenthal. „Ich glaube, ich habe das Internet kaputtgema­cht“, sagt die Mutter zum Sohn und es entspinnt sich ein wunderbare­r Dialog zum „Schmart home“. Ja, die Zeiten haben sich geändert. Traktorist als Berufswuns­ch war gestern. Influenzer ist heute ein angestrebt­es Ziel, was Beatrice Thron als Dachdecker­in Janice beweist, die einen kamerataug­lichen Job auf dem Dachfirst macht – inklusive Ziegelpräs­entation. Und dann unter die Erde wechselt, denn beim Abwasser hat sie einen Kanal ganz für sich.

Nach der Pause bleibt einem öfter das Lachen im Hals stecken bei Programmpu­nkten wie „Bombenstim­mung“ oder „Remigratio­n“, die Junge wie Alte gleicherma­ßen betreffen. „Wir sind von Kopf bis Fuß auf Kriege eingestell­t“, singen sie und machen keinen Bogen um Russland und die Ukraine. Sie tun ihre Meinung kund zur allgegenwä­rtigen Kriegsrhet­orik und zu denen, die sie gern und oft nutzen: Strack-Zimmermann, Pistorius, von der Leyen, Netanjahu. Der nächste Panzer wird ein Plug-in-Hybrid. Na dann...

Friedensth­emen? Die kleine weiße Friedensta­ube? War gestern. „Wie weit wir mal waren“, sinniert Ulf Annel in der „Wutrede“.

Wie man optimistis­ch in die Zukunft schaut, dazu gibt der Ina-Müller-Song „Auf halber Strecke zwischen Kuscheltuc­h und Rheumadeck­e“ein wenig Orientieru­ng, die Arche hat ihn um eine Strophe zu Erfahrunge­n der Ostfrauen nach der Wende erweitert. Und ansonsten sind – wie stets im Kabarett – alle zum Selberdenk­en angehalten.

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LUTZ EDELHOFF „So lange du deine Füße...“Das neue Programm in der Arche widmet sich dem Generation­enkonflikt.

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