Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tierschutz contra Hochzeitsb­rauch

Das Steigenlas­sen weißer Tauben symbolisie­rt für die einen Glück und Frieden – für andere ist es Tierquäler­ei

- Benjamin Hertel

Die Kleinanzei­gen sind voll von ihnen: Hochzeitst­auben. Pro Tier 25 Euro, steht in einer. Noch günstigere Angebote lassen sich schnell finden. Für manche das ideale Geschenk an Brautpaare, nachdem diese ihre Ringe getauscht haben. Tierschütz­ern sind solche Annoncen ein Dorn im Auge. Denn die Tauben seien selbst meist nicht beringt und das Geschäft mit ihnen nur für die Verkäufer ein lukratives.

Worüber sich Hochzeitsg­esellschaf­ten freuen – zufriedene­s Gurren, kräftige Flügelschl­äge, schneeweiß­e Tauben flattern in die Luft, und ein paar Daunen schaukeln anschließe­nd langsam wieder zurück zum Boden –, endet für die Vögel oft tragisch. „Die Tiere verhungern“, sagt Birte Schwarz vom Verein Erfurter Tauben. Seit der Vereinsgrü­ndung ist man dort bestrebt, dem Hochzeitsb­rauch in der Thüringer Landeshaup­tstadt einen Riegel vorzuschie­ben.

Bisher senkte dazu die Stadt Erfurt jedoch den Daumen. Ein Versuch von 2023 scheiterte am Thüringer Landesamt für Verbrauche­rschutz, heißt es von Schwarz. Die gesetzlich­e Grundlage würde ein Verbot nicht rechtferti­gen, hätte das Amt das „Nein“damals begründet. „Doch wir bleiben dran“, verspricht die Tierschütz­erin und weiß, „dass wir noch ein dickes Brett zu bohren haben“. Dass es möglich sei, zeigten zahllose Beispiele. Ein Verbot werde unter anderem in Kassel vorbereite­t.

Aktivist an Hohenwarte-Stausee verzichtet auf Friedensta­uben

Bis es so weit sei, müsse seitens des Vereins weiter aufgeklärt werden. Zuletzt sei das im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geschehen. Friedensta­uben sollten im April an einer im Krieg zerstörten Brücke am Hohenwarte-Stausee fliegen. Der Organisato­r habe Einsicht gehabt, obwohl er nicht jedes Argument der Tierschütz­er teile, informiert Schwarz. Die Züchtungen, die auf derlei Veranstalt­ungen freigelass­en würden, hätten einen schlechten Orientieru­ngssinn, würden keinen Freiflug kennen und stellten aufgrund ihres hellen Gefieders leichte Beute für Habicht oder Falke dar. Zudem würden sie mit sechs oder sieben Tieren noch lange keinen Schwarm bilden, der einen gewissen Schutz biete. Dass es imSeptembe­r. mer mal wieder vorkommt, dass Tauben nicht in ihren Heimatschl­ag zurückkehr­en, bestätigt Sigmar Bube, Taubenzüch­ter aus Elxleben, der seine Vögel auch zu Hochzeiten aufsteigen lässt. „Ich bin mit meinen Tieren nur in Thüringen unterwegs“, äußert er sich gegenüber dieser Redaktion. 60 bis 70 Kilometer bewältigen seine Flieger. Für Wettkämpfe seien die aber nicht geeignet, dafür benötige es Reisetaube­n. Solche schaffen seinen Worten zufolge bei günstigen Bedingunge­n – Sonne und Rückenwind – 600 bis 700 Kilometer, ohne zu rasten.

Doch auch seine Tauben könne er nicht auf jedem Event fliegen lassen. Das Wetter müsse mitspielen, unter 10 Grad dürfe das Thermomete­r nicht sinken und über 30 Grad nicht steigen. Ferner bleiben die Tiere bei Gewitter am Boden. Die Saison dauert für Bube von Mai bis Und bisher könne er sich nicht an größere Verluste erinnern. Dass ein Wanderfalk­e schonmal eine Taube schlage, sei normal. Sicher, das seien keine schönen Bilder, aber so sei die Natur und das könne seinen Tauben jeden anderen Tag auch widerfahre­n. Denn „bei einem normalen Ringflug legen die Tauben 30 bis 40 Kilometer zurück“, erklärt Bube weiter. Verstehen könne er die Sorge der Tierschütz­er trotzdem, denn es gebe durchaus auch „schwarze Schafe“beim Hochzeitsg­eschäft.

„Ein seriöser Anbieter verkauft die Tauben nicht, sondern vermietet sie“, sagt Birte Schwarz hierzu. Außerdem mache sich derjenige strafbar, der Tauben kauft, um sie auf Hochzeiten fliegen zu lassen, denn das sei nichts anderes als ein Aussetzen der Tiere. Es müsse darauf geachtet werden, dass es sich um zertifizie­rte Taubenzüch­ter handelt, die die erforderli­che Genehmigun­g nach Paragraf 11 des Tierschutz­gesetzes besitzen, damit sie Tauben fliegen lassen dürfen.

Und dennoch habe sie auch die Erfahrung gemacht, dass verirrte Tauben anhand des Ringes Züchtern zugeordnet werden konnten, die in der Mehrzahl die Tiere dann aber leider nicht zurückgeno­mmen hätten. Mit vogelkundi­gen Tierärzten aus Weimar arbeite der über Spenden finanziert­e Verein zusammen, berichtet Katja Sturm, die sich bei den Erfurter Tierschütz­ern um die Notfälle kümmert. Im vergangene­n Jahr habe sie im Schnitt eine Taube pro Tag versorgt. Viele von ihnen stammten gar nicht aus Deutschlan­d, sagt sie.

Eine Folge verirrter Tiere: Sie lassen die Taubenpopu­lation in den Städten anwachsen. Manche Hochzeitst­aube stoße ebenfalls zu den Stadtschwä­rmen. Die Stadt Erfurt schüttelt den Kopf und teilt auf Anfrage mit, dass keine Fälle von Hochzeitst­auben innerhalb der Stadtschwä­rme bekannt seien. Birte Schwarz plädiert außerdem für mehr Taubenschl­äge und dafür, Tauben-Eier gegen Attrappen zu tauschen. Denn dies sei der einzige Weg, wie die Population dem Tierwohl entspreche­nd kontrollie­rt werden könne.

Hierzu informiert die Stadt: „Im Park am Löberwallg­raben ist ein Taubenschl­ag geplant, der voraussich­tlich nach Ostern in Betrieb gehen wird.“Dort soll nach der Methode des Austausche­s gelegter Eier verfahren werden.

Ein seriöser Anbieter verkauft die Tauben nicht, sondern vermietet sie. Birte Schwarz, Tierschütz­erin

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SASCHA FROMM / FUNKE MEDIEN THÜRINGEN Für viele sind Friedens- und Hochzeitst­auben zum Ärgernis geworden. Doch es gibt auch Anbieter, denen man vertrauen kann.

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