Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Tierschutz contra Hochzeitsbrauch
Das Steigenlassen weißer Tauben symbolisiert für die einen Glück und Frieden – für andere ist es Tierquälerei
Die Kleinanzeigen sind voll von ihnen: Hochzeitstauben. Pro Tier 25 Euro, steht in einer. Noch günstigere Angebote lassen sich schnell finden. Für manche das ideale Geschenk an Brautpaare, nachdem diese ihre Ringe getauscht haben. Tierschützern sind solche Annoncen ein Dorn im Auge. Denn die Tauben seien selbst meist nicht beringt und das Geschäft mit ihnen nur für die Verkäufer ein lukratives.
Worüber sich Hochzeitsgesellschaften freuen – zufriedenes Gurren, kräftige Flügelschläge, schneeweiße Tauben flattern in die Luft, und ein paar Daunen schaukeln anschließend langsam wieder zurück zum Boden –, endet für die Vögel oft tragisch. „Die Tiere verhungern“, sagt Birte Schwarz vom Verein Erfurter Tauben. Seit der Vereinsgründung ist man dort bestrebt, dem Hochzeitsbrauch in der Thüringer Landeshauptstadt einen Riegel vorzuschieben.
Bisher senkte dazu die Stadt Erfurt jedoch den Daumen. Ein Versuch von 2023 scheiterte am Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, heißt es von Schwarz. Die gesetzliche Grundlage würde ein Verbot nicht rechtfertigen, hätte das Amt das „Nein“damals begründet. „Doch wir bleiben dran“, verspricht die Tierschützerin und weiß, „dass wir noch ein dickes Brett zu bohren haben“. Dass es möglich sei, zeigten zahllose Beispiele. Ein Verbot werde unter anderem in Kassel vorbereitet.
Aktivist an Hohenwarte-Stausee verzichtet auf Friedenstauben
Bis es so weit sei, müsse seitens des Vereins weiter aufgeklärt werden. Zuletzt sei das im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geschehen. Friedenstauben sollten im April an einer im Krieg zerstörten Brücke am Hohenwarte-Stausee fliegen. Der Organisator habe Einsicht gehabt, obwohl er nicht jedes Argument der Tierschützer teile, informiert Schwarz. Die Züchtungen, die auf derlei Veranstaltungen freigelassen würden, hätten einen schlechten Orientierungssinn, würden keinen Freiflug kennen und stellten aufgrund ihres hellen Gefieders leichte Beute für Habicht oder Falke dar. Zudem würden sie mit sechs oder sieben Tieren noch lange keinen Schwarm bilden, der einen gewissen Schutz biete. Dass es imSeptember. mer mal wieder vorkommt, dass Tauben nicht in ihren Heimatschlag zurückkehren, bestätigt Sigmar Bube, Taubenzüchter aus Elxleben, der seine Vögel auch zu Hochzeiten aufsteigen lässt. „Ich bin mit meinen Tieren nur in Thüringen unterwegs“, äußert er sich gegenüber dieser Redaktion. 60 bis 70 Kilometer bewältigen seine Flieger. Für Wettkämpfe seien die aber nicht geeignet, dafür benötige es Reisetauben. Solche schaffen seinen Worten zufolge bei günstigen Bedingungen – Sonne und Rückenwind – 600 bis 700 Kilometer, ohne zu rasten.
Doch auch seine Tauben könne er nicht auf jedem Event fliegen lassen. Das Wetter müsse mitspielen, unter 10 Grad dürfe das Thermometer nicht sinken und über 30 Grad nicht steigen. Ferner bleiben die Tiere bei Gewitter am Boden. Die Saison dauert für Bube von Mai bis Und bisher könne er sich nicht an größere Verluste erinnern. Dass ein Wanderfalke schonmal eine Taube schlage, sei normal. Sicher, das seien keine schönen Bilder, aber so sei die Natur und das könne seinen Tauben jeden anderen Tag auch widerfahren. Denn „bei einem normalen Ringflug legen die Tauben 30 bis 40 Kilometer zurück“, erklärt Bube weiter. Verstehen könne er die Sorge der Tierschützer trotzdem, denn es gebe durchaus auch „schwarze Schafe“beim Hochzeitsgeschäft.
„Ein seriöser Anbieter verkauft die Tauben nicht, sondern vermietet sie“, sagt Birte Schwarz hierzu. Außerdem mache sich derjenige strafbar, der Tauben kauft, um sie auf Hochzeiten fliegen zu lassen, denn das sei nichts anderes als ein Aussetzen der Tiere. Es müsse darauf geachtet werden, dass es sich um zertifizierte Taubenzüchter handelt, die die erforderliche Genehmigung nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes besitzen, damit sie Tauben fliegen lassen dürfen.
Und dennoch habe sie auch die Erfahrung gemacht, dass verirrte Tauben anhand des Ringes Züchtern zugeordnet werden konnten, die in der Mehrzahl die Tiere dann aber leider nicht zurückgenommen hätten. Mit vogelkundigen Tierärzten aus Weimar arbeite der über Spenden finanzierte Verein zusammen, berichtet Katja Sturm, die sich bei den Erfurter Tierschützern um die Notfälle kümmert. Im vergangenen Jahr habe sie im Schnitt eine Taube pro Tag versorgt. Viele von ihnen stammten gar nicht aus Deutschland, sagt sie.
Eine Folge verirrter Tiere: Sie lassen die Taubenpopulation in den Städten anwachsen. Manche Hochzeitstaube stoße ebenfalls zu den Stadtschwärmen. Die Stadt Erfurt schüttelt den Kopf und teilt auf Anfrage mit, dass keine Fälle von Hochzeitstauben innerhalb der Stadtschwärme bekannt seien. Birte Schwarz plädiert außerdem für mehr Taubenschläge und dafür, Tauben-Eier gegen Attrappen zu tauschen. Denn dies sei der einzige Weg, wie die Population dem Tierwohl entsprechend kontrolliert werden könne.
Hierzu informiert die Stadt: „Im Park am Löberwallgraben ist ein Taubenschlag geplant, der voraussichtlich nach Ostern in Betrieb gehen wird.“Dort soll nach der Methode des Austausches gelegter Eier verfahren werden.
Ein seriöser Anbieter verkauft die Tauben nicht, sondern vermietet sie. Birte Schwarz, Tierschützerin