Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Familienbetrieb bekämpft Fußleiden seit Generationen
Firma Machleit fertigt im Brühl orthopädische Spezialschuhe an. Der Fortbestand scheint sicher
Es gibt Dinge, die waren schon immer da. Und deswegen fallen sie einem gar nicht mehr auf. Auch in Erfurt. Im Brühl zum Beispiel. Dort wirken in der Brühler Straße 22 schon seit 92 Jahren geschickte Menschen, die sich dem Handwerk des Schuhmachers verschrieben haben.
Zur Erinnerung: Der Schuhmacher fertigt Fußbekleidung komplett noch von Hand. Was aber im Unternehmen Machleit das Besondere ist: Es sind Spezialschuhe für Menschen, die unter einem Handicap des Gehapparates leiden, daher Sonderanfertigungen brauchen.
Orthopädische Schuhmacher gibt es einige in Erfurt. Insgesamt fünf. Machleit aber ist der Dienstälteste. Mittlerweile in der aktuell nun schon vierten Generation werden hier seit 1932 Spezialschuhe, Einlagen, Bandagen hergestellt. Urgroßvater Kurt hat das Geschäft damals noch in der Marktstraße gegründet. Noch als normale Schuhmacherei. Erst Kurt Machleit widmete sich 1982 der aufwendigen Anfertigung von orthopädischen Schuhen. Der Bedarf war selbst damals, über 40 Jahre nach Kriegsende, hoch. Die Kriegsversehrten benötigten weiter Hilfe. Denn selbst wenn ein solcher Spezialschuh sehr kompliziert herzustellen ist, ist er dennoch nicht für die Ewigkeit gemacht.
Thema Diabetes schlägt auf die Füße durch
„Es war damals etwas ganz Neues, sich zu spezialisieren“, sagt Ralf Machleit, der aktuell das Geschäft betreibt und dessen Tochter Juliane (30) bereitsteht, die Handwerkstradition später einmal fortzuführen. Die Kundschaft heute: Unfallopfer, Leute, die unter Fußfehlstellungen oder dem berüchtigten Halux — fachlich korrekt: eine Arthrose im Bereich des Großzehengrundgelenks — leiden.
„Das Thema Diabetes schlägt durch auf die Füße und macht die Durchblutung zum Problem“, ist der 54-jährige Machleit überzeugt. Wenn’s soweit ist, führt kein Weg mehr an orthopädischen Spezialschuhen vorbei. Eleganz adé, Bequemlichkeit ist jetzt das oberste Ziel.
Betritt man das kleine Ladengeschäft, fallen nicht nur die zahlreichen Schuhmodelle in den Regalen
ins Auge. Soll heißen, auch wenn die Eleganz leidet, ist keine Eintönigkeit zu erwarten. Es riecht — Kindheitserinnerungen werden wach — wie früher beim Schuster, nach Kleber.
Die Werkstatt zieht sich über zwei Etagen. Mit Maschinen, auf der die notwendigen Leisten, eine Holzform des Schuhes, gefertigt werden. Dieser Schuhleisten hilft dem Schuster, das dreidimensionale Abbild des Fußes im Blick zu behalten. Was so komplex und speziell klingt, hat natürlich seinen Preis. Je nach Aufwand fallen Kosten von 600 Euro aufwärts an. „Wir hatten aber auch schon ganz spezielle Modelle gefertigt, für die kamen am Ende pro Paar 2200 Euro im Extremfall zusammen“, sagt Machleit, der für sein Handwerk eine Spezialausbildung inklusive Meisterschule absolviert hat.
Abdruck von den Füßen nehmen, fotodokumentierten, Kostenvoranschlag für die Krankenkasse erstellen. Und da geht meistens das Gezänk los, denn prinzipiell setzen die
Kassen an allen Ecken und Enden den Rotstift an. Aber wenn der Kunde widerborstig sei, habe er gute Chancen, so der Erfurter. Dann, nach überstandenem bürokratischen Hürdenlauf geht’s mit Gipsform, Schuhleistenherstellung, Schuhanfertigung — ausschließlich aus Leder — und Anprobe weiter. So Sonderwünsche möglich seien, würden die berücksichtigt, so der Schuhmacher aus Passion.
Selbst Eisschnellläufer gehören zur Kundschaft
Seine Kundschaft gehe querbeet, von Jung bis Alt. Jüngere spreizten sich anfangs oft, wollen sich nicht so recht mit dem Wort Spezialschuh anfreunden. Vier Wochen dauert es vom ersten Vorsprechen bis zur Präsentation des fertigen Produkts. Eine Woche davon ist reine Arbeitszeit an den neuen Tretern. Sechs Leute — allesamt gelernte Orthopädieschuhmacher — sind bei Machleit mit den Aufträgen zugange.
Der Bedarf, man glaubt es als Nichtbetroffener kaum, ist hoch. 20
Kunden die Woche seien usus, sagt Machleit. Darunter seien sogar Erfurter Eisschnellläuferinnen und Eisschnellläufer. Bei denen gehe es aber nicht um Fußfehlstellungen, sondern um das leistungsbezogene Optimum im Sportschuh, um den Druck ideal aufs Eis zu bringen und Spitzenzeiten zu laufen. Da gehe es um jeden Millimeter.
Das Haus der Machleits ist Familieneigentum. Ein klarer Standortvorteil, um sich zu behaupten. Das Einzugsgebiet der Kundschaft ist weit gestreut, selbst Stammkunden, die den Wohnort gewechselt hätten, kämen immer wieder, versichert der Chef.
Schließlich werde alle zwei Jahre in der Regel eine neues Paar Orthopädieschuhe bezahlt. Der Grund: Die Schadensbilder würden sich ständig verändern. Ein krisensicherer Job also. „Und ein schöner, den ich liebe“, sagt Ralf Machleit, der froh ist, dass der Fortbestand des Familienunternehmens durch seine Tochter auch in Generation fünf gesichert ist.